trachten,
V.;
aus
lat.
tractare
›behandeln‹
(Pfeifer
2000, 1444
).
1.
›nachdenken, nachsinnen, überlegen, in sich gehen‹ (absolut).
Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
dichten und trachten
(verstärkend) ›eifrig nachdenken und streben‹.
Bedeutungsverwandte:
1
achten
 4,
beten
 2,
lesen
 3; vgl.
aufsinnen
,
bedenken
(V.) 1,
berespen
 4,
contemplieren
,
denken
 1,
grübeln
 2,
imaginieren
,
klauben
 2,
lesen
 6,
meditieren
.
Syntagmen:
j. t
. (absolut);
j. in sich t., hinter sich, vor sich t
.

Belegblock:

Luther, WA
10, 1, 2, 146, 30
(
1522
):
denn was und wie der mensch meynet oder sucht, ßo trachtet, radschlagt, dencket er auch darnach.
Ebd.
21, 362, 13
(
1544
):
Wenn jr euch zu tod trachtet und tichtet, dencket und studirt [...], so werdet jrs doch nicht erdencken noch treffen.
Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
1310
(
mrhein.
,
um 1335
):
Nuͦ drahtent vnd gebent rat, | wan ez vns kummerlichen stat, | wie wir von dem grabe | den stein gelegen abe.
Froning, Alsf. Passionssp.
2506
(
ohess.
,
1501 ff.
):
die Judden alle degelich | trachten und suchen raid, | die der, herre, an dynn leben gat!
Hübner, Buch Daniel
3654
(
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Do begonde Danyel | Trachten in im harte snel | Vil na kein einer stunden.
Strauch, Par. anime int.
97, 27
(
thür.
,
14. Jh.
):
alse der mensche trachtit, so wirkit alle di craft dar in der sele.
Fuchs, Murner. 4 Ketzer
1192
(˹wohl
Straßb.
˺
1509
):
Der frum mann nam der reden acht, | Weyt hindersich vnd für sich tracht.
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 125
.
Vgl. ferner s. v.
andacht
 1.
2.
›etw. bedenken, über etw. / jn. (dies vereinzelt) nachdenken; etw. beachten; etw. beurteilen‹.
Bedeutungsverwandte:
aussinnen
 1,
ausspähen
 2,
beherzigen
 2,
denken
 1; 3,
dichten
 2,
erdenken
 1,
gedenken
(V.) 1; 2,
merken
I, 4,
nachsinnen
,
spekulieren
,
studieren
,
wachen
,
warten
; vgl.
abmessen
 3,
1
achten
 5,
attendieren
,
ausmessen
 5,
auswegen
 4,
beschauen
 6,
betrachten
 3; 5,
geprüfen
 2,
passen
(V.) 6,
2
pausen
 2.
Gegensätze:
verachten
.
Syntagmen:
jn., sich selbst t., etw
. (z. B.
das ende / übel
 )
t., in alle wege t., sich zu tode t., die ere e. P
. (Gen., z. B. Jesu)
t
.;
e. S
. (z. B.
des übels
)
klein t
.;
auf etw
. (z. B.
auf gedanken
)
, in etw
. (z. B.
in der dächtnis
)
t
.;
t., das / was / wie [...]
(mehrfach).

Belegblock:

Große, Schwabensp.
40a, 41
(Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
dar nach Sal och der mensche merken vnde trachten, we vnsalich her si.
Anderson u. a., Flugschrr.
15, 13, 20
([
Worms
1521
]):
Dises ist K. Mt. zuͦ behertzigñ vñ in alle weg zuͦ trachten wie sy sich von den truͤglichñ nachstellungñ bewar.
Österley, Kirchhof. Wendunmuth
1, 142, 33
(
Frankf.
1563
):
Dergleichen war einer, [...], nach dem im sein haußfraw gestorben, [...] trachtet, wie er ein junge möcht bekommen.
Neumann, Rothe. Keuschh.
2634
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
also wirt des menschen hertze geacht | das uff mancherley gedancken tracht.
Kehrein, Kath. Gesangb.
2, 391, 29
(
Bautzen
1567
):
Denn wer tracht sehr deiner marter ehr, | Den thuͦstu [Jesus] nit verlassen.
Lemmer, Brant. Narrensch.
56, 41
(
Basel
1494
):
Jr sitzen zwor jn glückes fall | Sindt witzig / vnd trachtend das end.
Adomatis u. a., J. Murer. J. Man. Spieg.
441
(
Zürich
1560
):
Min sun / solt du keins waͤgs verachten | in frischer daͤchtnus allwaͤg trachten | Das dir din vatter das hab gseit.
Ebd., Abs.
882
(
1565
):
Der in etwas ungnaden was | den trachte min herr künig baß.
Rot
352
(
Augsb.
1571
):
Speculirn, Außspehen / warten / wachen / nachsinnen / gedencken / dichten / trachten / inn gedancken sitzen.
Leidinger, A. v. Regensb.
603, 41
(
oobd.
,
um 1430
):
do komen sy payd wider in ir haymet und waren da trachtent in in selbs, wie man kain hafft scholt haben in irdischem und ergänklichem gut.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
22, 6
(
moobd.
,
1473
/
8
):
sy trachtet mangen weyse, | wie sy die freüd zue unguet möchte pringen.
Ettmüller, Heinr. v. Meißen
35, 6
;
Kurz, Waldis. Esopus
4, 82, 95
;
Karsten, Md. Paraphr. Hiob
10350
;
Langen, Myst. Leben
221, 8
;
Mayer, Folz. Meisterl.
1, 58
;
Päpke, Marienl. Wernher
8693
;
Gagliardi, Dok. Waldmann
2, 472, 29
;
Adomatis u. a., a. a. O. Hest.
1106
;
Dreckmann, H. Mair. Troja
35, 7
;
Sappler, H. Kaufringer
3, 446
;
Heydn. maister
30r, 11
;
Leidinger, a. a. O.
643, 35
;
Weber, Füetrer. Poyt.
17, 7
;
Schöpper
5b
;
Schweiz. Id.
14, 304
 ff.
Vgl. ferner s. v.
ausbeten
 2,
aussinnen
 1.
3.
›sein ganzes Sinnen und Trachten auf ein Ziel hin richten, etw. beabsichtigen, vorhaben, nach etw. streben, etw. anstreben, begehren‹; auch auf die Vorsehung Gottes bezogen.
Bedeutungsverwandte:
1
achten
 10,
begeren
(V.) 11,
bitten
(V.) 1,
denken
 5,
dichten
 2,
drangen
 4,
dringen
(V.) 4; 6,
geleben
 1,
geren
(V.) 1,
hangen
 5,
jagen
 6,
reden
,
ringen
,
sinnen
,
stehen
 26,
stellen
 8,
streben
,
suchen
; vgl.
augen
 1,
ausrichten
 1,
begeren
(V.) 11; 12,
besehen
 8,
betrachten
 4,
bevorhaben
 2,
denen
 2,
gachen
 3,
gelagen
,
geringen
(V.),
1
geruhen
 2,
geschauen
 3,
gesinnen
(V.) 3,
gestehen
 14,
hetzen
 5,
intendieren
,
kriegen
 1,
stegen
 2,
tasten
 2.
Syntagmen:
etw. ewig t
. (von
got
gesagt);
j
. (Subj.)
t., das [...], dahin / darauf t., wie [...], danach t., zu [...]
;
e. S
. (z. B.
der dinge
)
t
.;
jm. t., zu [...]
;
dem ende t
.;
auf etw
. (z. B.
auf nutzen
)
t., gegen etw. t., gen himmel t., nach jm. / etw
. (z. B.
nach dem tod, nach einer memorie, nach ere / weisheit
)
/ um etw
. (z. B.
um das reich
)
t., jm. um jn
. (z. B.
um einen wirt
)
t., jm. um etw
. (z. B.
um eine herberge
)
t., wieder jn
. (z. B.
wieder die pfaffen / mönche
)
/ etw. t., zu jm
. (z. B.
zu got
)
t., zu etw
. (z. B.
zum gemeinen besten
)
t., e. S
. (z. B.
dem gebot
)
zu wieder t
.
Wortbildungen
trächter
›Betreiber, Vertreter‹ (dazu bdv.:
1
anlieger
).

Belegblock:

Schöpper
29a
(
Dortm.
1550
):
Eniti. Jrgend nach Ringen dringen fechten trachten stellen hengen sinnen jagen kempffen stehen.
Luther, WA
9, 127, 27
(
1518
):
Denn Saul tracht Dauid zu fellen durch der Philister hand.
Ebd.
37, 672, 16
(
1520
):
Daruͤmb last uns mit ernst und vleis darnach trachten, das wir auch unter denen erfunden werden, so diesen unsern hohen schatz auch mit dem leben und wandel schmuͤcken.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
286, 784
(
Magdeb.
1608
):
Wenn sie jhre Nachbar verachten / | Bey tag vnd nacht nur darauff trachten / | Wie sie ein Krieg moͤgen anspinnen
(auch zu 2 stellbar).
Ebd.
372, 3515
:
Niemandt tracht zum gemeinen besten / | Ein jeder schawt zu seinen Nesten.
Buch Weinsb.
2, 270, 2
(
rib.
,
1574
):
hab wenich hoverdei in kleidung, tragt nach der lankwiliger memorien nach dem doit und arbeiten stetich, minen fatterlichen stam herlich zu machen.
Chron. Mainz
1, 374, 33
(
rhfrk.
,
1428
):
uwer schriber, den wir aller dieser unfruntlichen sachen einen trechter und anlieger halten.
Harms u. a., Alberus. Fabeln
72, 19
(
Frankf./M.
1550
):
Doch soltu nicht darumb verachten | Die boͤse herrschafft / sonder trachten / | Das du dich haltst / wie sichs gepuͤrt.
Hübner, Buch Daniel
4009
(
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Sie trachten im [Cristo] zu schanden | Martirn mit iren handen.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
32, 33
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
wollust und wünnen pflegen, darnach sie tag und nacht stellen und trachten.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
35, 28
(
omd.
,
1487
):
Also sall ÿr zceittlich gútt [...] aúch gemein sein vnd sollen mit vleisse darnach trachtten, es ÿn beiden mittsamptt ÿren kindernn zcú nútze kōme.
Strauch, Par. anime int.
36, 27
(
thür.
,
14. Jh.
):
alse ein mensche sizit und trachtit noch wisheit, so cumit sin licht, daz he in sinir sele hait.
Anderson u. a., Flugschrr.
12, 10, 12
(
Wittenb.
1522
):
Auch weystu wol / wie wir auff nutz / frumen / vnd gedeihe͂ vnßer negsten sollen trachten.
Ebd.
14, 14, 3
(
Straßb.
1524
):
Es sol nyemant den mandaten vnnd gebotten / [...] vnsers herren vñ gottes zuͦ wider rede͂ / trachte͂.
Bell, G. Hager
305, 2, 18
(
nobd.
,
1606
):
Der drachet jmer dar | mein leben in der stil | genczlich zu nemen gar.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
210, 29
(
Nürnb.
1548
):
an denen so vnzucht nach gehn / [...] so dencken vn̄ trachten sie nichts denn auff jren marckt.
Kottinger, Ruffs Adam
144
(
Zürich
1550
):
hat sy ouch gott uss nüten g’macht, | wie es von gott was ewig tracht.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 204, 11
([
Augsb.
]
1548
):
Wenig Hofleüte trachten gen himel.
Memminger Chron. Beschr.
20, 30
(
Ulm
1660
):
wolbestellte Staͤdte dahin trachten solten / wie sie allerley gute Koͤpff [...] an solche Oerter [...] raisen liessen.
Seemüller, Chron. 95 Herrsch.
45, 25
(
oobd.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Vitellius der was in Germania, der auch wolt trachten umb das reiche.
Buijssen, Dur. Rat.
29, 14
(
moobd.
,
1384
):
Darumb ist fleizzichleich cze pitten oder ze trachten daz nicht allain gerainigt wirt dew auzzer mailung der hent sunder [...].
Munz, Füetrer. Persibein
45, 5
(
moobd.
,
1478
/
84
):
reit hin, du sollt vnns allen trachten | vmb ainen wirt vnd herberg gúet.
Ebd.
53, 1
:
Er trachtet menigem ennde | paid wider vnnd auch für.
Chron. Magdeb.
2, 183, 2
;
Hübner, a. a. O.
743
;
Jungbluth, a. a. O.
27, 19
;
Jostes, Eckhart
64, 25
;
Thür. Chron.
9v, 29
;
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 283, 2
;
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
188v, 43
;
v. Keller, Ayrer. Dramen
118, 20
;
v. Birken. Erzh. Österreich
72, 37
;
Bihlmeyer, Seuse
553, 6
;
Anderson u. a., a. a. O.
14, 14, 19
;
Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 188
;
Rauwolf. Raiß
2, 7
;
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
292, 16
;
Klein, Oswald
55, 44
;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
150, 12
;
205, 11
;
Winter, Nöst. Weist.
3, 556, 45
;
Schweiz. Id.
14, 302
 ff.;
Schwäb. Wb.
2, 302
.
Vgl. ferner s. v.
1
achten
 10,
anfal
 4,
arbeitsam
 2,
begaffen
,
beikommen
(V.) 2.
4.
›sich räumlich auf etw. zu- bzw. von etw. wegbewegen; fliehen, sich von jm. / etw. fernhalten; eilen‹; als Ütr. anschließbar an 3.
Nur nobd. / oobd. belegt.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
abfliehen
,
1
abweichen
 1,
auseilen
,
2
bangen
,
belaufen
 1,
davonmachen
,
geferren
 2,
hasten
.
Syntagmen:
aus / in / von / zu etw. t
.; [wohin]
t
.

Belegblock:

Gille u. a., M. Beheim
88, 14
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Tracht von dem helschen kerker nit – | Luciver du umb gnad an pit.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
95, 8
(
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
Von erst schrayb er [der kayser] [...], das kayner in den pundt kham, und wer darin war, daraus ze trachten.
Ebd.
138, 20
:
Der Schrampf besorgt, gewun man in, es wurd im ergen nach seinem verdienen, und tracht haymlich pey der nacht davon.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
29, 27
(
m/soobd.
,
1478
):
wann des hauss halben zu Wolckhenstain etwas notturftig wære, [...], so soll ein jeder [...] bei tag oder nacht zum hauß trachten, dem rettung und beistant thun.
Sachs
17, 433, 25
;
Bischoff u. a., a. a. O.
14, 22
.
5.
bedeutungsverwandt zu
phantasieren
.