stelen,
V., unr. abl.,
in 1 Beleg regelmäßig: stälte
(Belegschreibung).1.
›stehlen, rauben (als Handlungsdisposition, Haltung und typisches Tun des Diebes); (jm.) etw. (meist Konkretes) stehlen, (unter Gewaltanwendung) entreißen, entwenden; (jm.) etw. wegnehmen‹; offen zu ,Hehlerei, Unterschlagung, Wucher begehen‘; vielfach ütr. auf das Gewinnen sozialer, geistlicher Vorteile; dann: ›etw. erschleichen, ergaunern‹.Phraseme:
jm. das herz stelen
›js. Zuneigung erhalten, erschleichen‹.Bedeutungsverwandte:
abdringen
abnemen
abreissen
abschelmen
abtragen
abtriegen
abziehen
berauben
dieben
entfremden
entsetzen
entwenden
2
entweren
entziehen
entzucken
nemen
niederlegen
plündern
rauben
unterziehen
morden
betteln
huren
wuchern
Syntagmen
˹vielfach ohne Obj.: j. stelen, j. stelen faren, j. stelen, das es eine art hat
; in der kirche s
.˺; ˹trans.: etw
. (z. B. abschroten, fleisch / geschir / gut / korn / leinwand / tuch, einen teppich / fisch, eine kuh, das sacrament, ein schaf, die kunst, liebe, grosse haufen
) s., jm. s.
(elliptisch ohne Akk.obj.), jm. etw
. (z. B. kleidung, das leben, die ere
) s., jm. etw. aus dem kasten / säckel s., jn.
(z. B. Jesum
) aus dem grabe s
.˺; als Part. Präs.: jn. stelend begreifen
; ˹subst.: das s. des kelches
; jn. zum s. anhalten, etw. mit s. erlangen, sich mit s. nären, dem schergen vom s. etw. geben, um stelens willen in die kirche brechen
; die untat des stelens
˺; der gestolene taler, die gestolene habe, das gestolene gut
.Wortbildungen:
stelerei
stelig
diebisch
stelung
Belegblock:
Luther, WA
10, 1, 2, 292, 12
(1522
): die sind diebe und moͤrder, stelen Got sein ehr.
Ebd.
10, 3, 265, 19
(1522
): Got sagt du solt nicht stelen. Nun wer stilt mehr den die grossen hansen?
Schöpper
112a
(Dortm.
1550
): Furari. Dieben stelen.
Ebd.
112b
: Furax. Diebisch stelig.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
580, 2337
(Magdeb.
1608
): Wer auch eim andern stelen kan / | Jst ein weiser / behender Mann.
Mieder, Lehmann. Flor.
119, 12
(Lübeck
1639
): Es gilt ein gestolner Thaler so viel als einer der sawer worden.
Große, Schwabensp.
204a, 2
(Hs. ˹nd.
/md.
, um 1410
˺): Swer in molen vier pennige wert stelit, man sleit im huͦt vnde har abe.
Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn
355, 27
(Wolfenb.
1594
): erzeiget euch, als wenns euch leid were, Erbietet euch zur besserung, [...], Wenn das geschicht, so werdet jhr jhnen allen das Hertze stelen.
Froning, Alsf. Passionssp.
7368
(ohess.
, 1501ff.
): Jhesus ist on uß dem grabe gestoln.
Köbler, Ref. Wormbs
348, 35
(Worms
1499
): So auch ein Diep der by nachtlicher wyl stelend begriffen wurde vñ sich vnd’stünde zu weren der mag tot geschlagen werde͂.
Schwartzenbach
N iiijv
(Frankf.
1564
): Stelen. Heimlich entfrembden. Einem einraumen. Etwas entwenden. Entzucken. Mit list oder betrug von einem bringen. [...]. Entziehen oder abziehen.
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
21, 16
(Frankf./M.
1563
): Also helt man rauben / wuͦchern / betrug in verkauffen / ungetrewe arbeyt [...] nicht so ubel unnd unehrlich als einem bey nacht etwas auß dem Kasten stelen.
Ulner
57
(Frankf.
1577
): Staͤlen / nemmen / entziehen / niderlegen / pluͤndern / entweren / entsetzen / spolieren / entfrembden / entzucken / entragen / abdringen.
Skála, Egerer Urgichtenb.
63, 6
(nwböhm.
, 1569
): Der Straubing Zu Asch hab gleich so woll Rath Zu steelung der vier Rinder geben als der Zu Resa.
Jostes, Eckhart
76, 27
(14. Jh.
): Wann gebeutet er zu stelen, so meret ein ieglicher sein gut.
Leman, Kulm. Recht 2, v.
35
(Thorn
1584
): Wer ym selbir stylt vnd tzyget des eynen andirn.
v. Groote, Muskatblut
96, 67
(nobd.
, 1. H. 15. Jh.
): si [konst] dauch ouch nit zuͦ stelen
›sie lässt sich nicht auf falschem Wege erlangen‹
. Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
10, 20
(nürnb.
, 1. H. 15. Jh.
): Auß dem herczen geen herfur poße gedancken, mansleht, eebrecherey, unkewsch, stelerey, falsch geczewgnuße.
Vetter, Pred. Taulers
110, 21
(els.
, E. 14. Jh.
): der diep der enkummet nút denne das er stele und moͤrde und verliese.
Ebd.
261, 21
(1359
): Och dis steln das sol man verston an dem almuͦsen; wan es ist ein vil soͤrgklich ding die almuͦsen ze nemende. Man sol sehen war uf und war umbe man die almuͦsen neme.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 25, 10
(Hagenau
1534
): Denn rauben / stelen / einem andern das sein nemen / gehoͤrt nit menschen zu / sonder den wilden unvernünfftigen thieren.
Goldammer, Paracelsus
5, 179, 24
(1530
): ist gleich als so einer ein burgermeister ist und in großen ehren, und er stilt, und man henkt ihn.
Ebd.
180, 21
: daß ir all euer reichtumb, gut, gelt, land, ehr rc mit stelen erlangt habt.
Ders., Paracelsus. B. d. Erk.
19, 8
(obd.
, Hs. n. 1570
): ist gleich, so einer groß haufen stilt, gulden und kronen, den heller nit.
Müller, Welthandelsbr.
295, 27
(schwäb.
, 1514
/5
): so das gut zu haus ist, tuet not, das man alle solhe gestollen gueter in ain gut behaltnus in denselben orten oder ander haus leg.
Ebd.
42
: Von solhem stelen und siglen mußt du dem schergen wol 3 in 4 percento (geben).
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 416, 13
(schwäb.
, 1570
): Wann sach were [...], daß einer im flecken stölte. so soll [...].
Barack, Zim. Chron.
1, 409, 15
(schwäb.
, M. 16. Jh.
): wann du mehr wilt ain visch stellen, so leg ain lengern mantel an, oder still ain kürzern visch!
Spechtler, Mönch v. Salzb.
33, 50
(oobd.
, 3. Dr. 14. Jh.
): wenn unser täg sint ausgezilt | und uns der tod das leben stilt.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
31, 3
(tir.
, 1464
): Ist das wir etwas pesiczen v̈berflüssikhait, des sein prüder manngel ist, so stël wir.
Luther, WA
32, 498, 28
; 41, 705, 21
; Stambaugh, Friederich. Saufft.
30, 22
; Sievers, Oxf. Benedictinerr.
6, 22
; Oorschot, Spee. Trvtz-N.
58, 24
; Kollnig, Weist. Schriesh.
28, 43
; Köbler, a. a. O.
133, 2
; Thiele, Chron. Stolle
333, 5
; Logau. Gott
46, 13
; Österley, Kirchhof. Wendunmuth
1, 344, 18
; Strauch, Par. anime int.
55, 4
; Skála, a. a. O.
71, 4
; Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
151, 19
; 184, 24
; Leman, a. a. O. 2, v.
35
; Ermisch, Freib. Stadtr.
276, 24
; Gajek, Seidelius. Tych.
15, 13
; Fastnachtsp.
565, 34
; Gille u. a., M. Beheim
57a, 9
; Trunz, Meyfart. Tub. Nov.
22, 4
; Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 5, 8
; Henschel u. a., Heidin
1175
; Vetter, a. a. O.
203, 6
; Williams u. a., Els. Leg. Aurea
249, 1
; Koller, Ref. Siegmunds
316, 5
; Goldammer, Paracelsus
6, 186, 18
; Müller, Alte Landsch. St. Gallen
80, 26
; Rennefahrt, Stadtr. Bern
288, 23
; ders., Wirtsch. Bern
54, 30
; Chron. Augsb.
1, 119, 8
; 8, 132, 4
; Piirainen, Stadtr. Sillein
47
; Voc. Teut.-Lat.
ee viijv
; Dasypodius
429v
; Dict. Germ.-Gall.-Lat.
501
.‒
Vgl. ferner s. v. abbruch
8, abkaupeln
, abreissen
4, abschelmen
, abschrot
, abtriegen
, art
(die
) 12, aufsperren
1, auftun
4, partickel
2, baten
1, 1
behagen
(V.) 1.2.
›sich heimlich davonmachen, davonstehlen‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. arsen
ausstelen
austrollen
packen
Syntagmen:
sich von dannen, aus dem sal, über den se, in die burg, von jm
. (z. B. von gotte, von den anderen
) s
.Belegblock:
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron.
24950
(preuß.
, um 1330
/40
): dô sliehchen si zu̇ | unde wolden sich gestoln | haben in dı̇ burc vorholn.
Neumann, Rothe. Keuschh.
3775
(thür.
, 1. H. 15. Jh.
): das si gotes dinst vorlassen | mit unkuschen gedancken unnd boser liebe | unnd stelen sich van gote alss die dibe.
Thiele, Minner. II,
32, 526
(Hs. ˹md.
/rhein.
, 1. V. 15. Jh.
˺): want weirlich mynne nit endochte | of si sich van ons stelen mochte.
Karnein, Salm. u. Morolf
147, 2
(srhfrk.
, Hs. um 1470
): das die frauwe wol gethann | stal sich von dannen | mit dem heidenschen spilman.
Strehlke, a. a. O.
20613
; Karnein, a. a. O.
609, 4
; Adrian, Saelden Hort
3088
; Williams u. a., Els. Leg. Aurea
672, 13
.‒
Vgl. ferner s. v. abkommen
(V.) 8.