nichtig,
Adj.
(1; 2), subst. (3).1.
›angesichts eines vorausgesetzten Vergleichs-, teils Glaubens- oder Überzeugungstatbestandes unbedeutend, nichtig; wertlos, vergänglich‹ (meist vom Menschen und seinem Handlungsfeld gesagt); vgl.
nicht
10.Oft didaktische und religiös motivierte Texte.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld): eitel
(Adj.) 2, fal
(Adj.), faul
, feige
, flüchtig
, gering
(Adj.) 2; 3, geringschätzig
3, heillos
2; 3, hinwürfig
, niederig
(s. v. nieder
, Adj., 4), ringfärig
2, scheuslich
1, schnöde
, unachtbar
, unansehlich
, unschäzlich
, untüchtig
, verachtet
, verworfen
.Gegensätze:
gros
hoch
rüstig
Syntagmen:
n. zu zol geben
; die farbe
(Subj.) n. sein, die ere für n. halten
; der nichtige esel / glaube / leib / tropf, die nichtige hütte, das nichtige tier, nichtige dinge / werke
.Wortbildungen
nichtigen
demütigen
niedrigen
schänden
Belegblock:
Schöpper
62a
(Dortm.
1550
): Vilis. Schlimm schnoͤd nichtig feig hinwuͤrffig ringferig geringschätzig [...] vnschetzlich vnachtbar.
Luther, WA
7, 560, 15
(1521
): Der schrifft brauch ist, das sie ,humiliare‘ heisset ,nydrigen‘ unnd ,zu nicht machenn‘, unnd darumb heyssen die Christen [...] ,pauperes, afflicti, humiliati‘, ,arm, nichtige, vorworffene leut‘.
Ebd.
7, 571, 10
(1521
): das er
[Gott]
auff mich [Maria]
nichtige und meyne nichtickeit gesehen hat, da der vorige versz von sagt: wo gnediger wille ist, da sind auch gaben. Ebd.
8, 177, 2
(1521
): wer alßo geschickt ist, das er williglich sich demutigen unnd nichtigen will, dem schadet des Bapsts gesetz nit.
Ebd.
41, 716, 1
(1535
/6
): Nichtigen: ut est videndum, ab ineunte etate beschmeissen unserm herr Gott sein land, viel jemerlicher, quando morietur, wol jemerlicher, elender leib, et hoc oportet ferre.
Gropper. Gegenw.
15r, 842
(Köln
1556
): derwegen sie dan / daßihenig nit glauben koͤnnen / welchs vber die begreiffung jrs menschlichen nichtige͂ vernuffts ist.
Kurz, Waldis. Esopus
4, 94, 83
(Frankf.
1557
): So er [Fuchs] doch billich solt geniessen | Der bletter vnd des gruͤnen Graß, | Wie das Koͤniglin vnd der Haß | (Denn er ist je ein nichtig Thier).
Ebd.
100, 177
: Ir
[der Welt]
schoͤne Farbe ist gar verblichen. | Jst rostrig, Schimlig, seyger, kamig: | [...] | Vnrechtlich, heßlich, scheußlich, nichtig. v. Ingen, Zesen. Ged.
387, 23
(Breslau
1641
): alles ist nichtig / alles ist fluͤchtig! Wie groß auch die Ehre.
Trunz, Meyfart. Tub. Nov.
58, 21
(Coburg
1626
): so schliessen wir, daß die jenigen [...] vor Narren muͤssen gehalten seyn / die da vmb einer nichtigen Huͤtten willen [...] die ewigen Wohnungen verlieren.
Henisch
248
(Augsb.
1616
): Begschierer / leichtfertiger / liederlich / der mit eitelen / nichtigen dingen vmbgehet.
Andreae. Ber. Nachtmal
72v, 12
([Augsb.
] 1557
): das Christus vnsere nichtige leib verklere͂ werd / das sÿ seinem verklerte͂ leib ehnlich werden.
Luther, WA
7, 568, 36
; 7, 591, 12
; 10, 1, 2, 24, 14
; 41, 258, 18
; 45, 671, 36
; Kehrein, Kath. Gesangb.
3, 269, 4
; Kurz, a. a. O.
4, 94, 314
; Sachs
17, 472, 23
; 20, 95, 30
.2.
›rechtsirrelevant, ungültig, kraftlos‹; als Spezialisierung zu 1 auffaßbar.Meist Rechts-, auch Wirtschaftstexte.
Bedeutungsverwandte:
1
ab
äffisch
kraftlos
nul
tot
unbündig
ungültig
unkräftig
untauglich
untüchtig
Syntagmen:
etw
. (z. B. ein contract / gericht / gerücht / handel / indicium / kauf / prozes / urteil, eine bekantnis
) n. sein
; n. verfaren
; etw. n. machen
(z. B. den prozes
), etw n
. (›für nichtig‹) bekennen / sprechen / urteilen, ein testament als n. anfechten; das nichtige gebot
.Wortbildungen
nichtigen
schwächen
nichtigung
Belegblock:
Schöpper
91a
(Dortm.
1550
): Irritum. Nichtig vnwerd vnkrefftig machtloß krafftloß vnbuͤndig von unwirden vntuͤglich.
Luther, WA
8, 170, 30
(1521
): [der Bapst] betreugt nur Christlich gewissen mit seynen nichtigen effischen gepotten.
Ebd.
38, 229, 12
(1533
): Da gegen soltu deine Tauffe widderumb hoch heben und preisen, [...], den schendlichen grewel widderumb auch zu schwechen und zu nichtigen.
Köbler, Ref. Wormbs
67, 33
(Worms
1499
): wo solichs beschehe so were der selb Process crafftlos vnnd nichtig.
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
268a, 1
(Frankf./M.
1649
): Wuͤrde hieruͤber [...] ein Richter zur tortur schreiten / vnd dadurch von de͂ Beklagten die Bekantnuß herauß zwingen / so ist eine Bekãtnuß an sich allerdings Null vnd nichtig / vnd zu bestraffung vnkraͤfftig.
Ebd.
341b, 19
: derowegen das indicium so vorhin nichtig vnd vnduͤchtig war / nunmehr newe Krafft vnd Safft erlanget hette.
Küther, UB Frauensee
333, 17
(thür.
, 1519
): was derhalb furgewendt wurd, [...], das sal alles nichtig und untoglich sein.
Köbler, Stattr. Fryburg
74, 30
(Basel
1520
): Were sach das vrteiln by vns ervolgt würden [...] vnd sich aber erfünd dz dieselbig vrteil nichtig wer / so [...].
Qu. Schweiz. Gesch.
1, 186, 26
(halem.
, 1470
): denn es
[ein
artikel]
gar nach zuͦ nichtigung aller irer [der
herrschaften]
herrschaften dienet. Köbler, Ref. Wormbs
121, 11
; 198, 1
; ders., Ref. Franckenfort
13, 12
; Oorschot, a. a. O.
428b, 39
; v. d. Broek, Suevus. Spieg.
152r, 35
; Rwb
9, 1468
; Schweiz. Id.
4, 874
.‒
Vgl. ferner s. v. behausung
.3.
›Fehlendes, nicht Vorhandenes, Nichts‹; zu
nicht
11.Belegblock:
Turmair
4, 422, 24
(moobd.
, 1522
/33
): ,Poët‘ [...] ist in unser sprach ,schöpfer‘ oder ,macher‘, haist einen, der etwas beschaft und aus nichtig etwas macht.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
49, 11
(mslow. inseldt.
, 1542
): allerley farende hab, [...], an gelt, an śchulden, vnnd ander farender beraitśchaft nichtig auśgenommen.