1
mangel,der
;-s/-Ø
+ Uml.1.
›Mangel, Fehlen, Nichtexistenz, Nicht-Vorhandensein e. S.; das Ausbleiben von etw.; Nichtanwesenheit e. P.‹; offen zu 2; zu
1
mangeln
1.Phraseme:
in mangel
›mangels, in Ermangelung‹; mangel sein
›fehlen‹; an mir wird kein mangel sein
›ich werde mich beteiligen‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. abgang
fel
lämde
Belegblock:
Lappenberg, Fleming. Ged.
473, 28, 12
(1636
): Nim diese Hand voll Klee, im Mangel der Violen.
Allg. Schau-Buͤhne
30, 43
(Frankf.
1699
): Dessen sich doch die Alten wegen Mangel der Magnet-Nadel nicht unterstehen.
Opitz. Poeterey
17, 32
(Breslau
1624
): das ich in mangel anderer deutschen exempel mich meiner eigenen gebrauchen soll.
Reichert, Gesamtausl. Messe
143, 5
(Nürnb.
um 1480
): Welchs unter den dreyen mangel wer, so wuerd nicht gewandelt der leyb Cristi Ihesu.
Sudhoff, Paracelsus
3, 180, 12
(1526
/7
): das sie also mangels halben der stulgeng mit nepern habend löcher ingeboret.
Maaler
283r
(Zürich
1561
): Auß Mangel der artzet sind vil verdorben [...]. So krieg vorhanden seyn wurde / wirdt an mir kein Mangel seyn.
Kohler, Ickelsamer. Gram.
27, 22
(wohl ˹Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺): Souil hab ich woͤllen anzaygen vō dem überfluß, mangel vnnd verwandlung der buchstaben des teütschen lesens.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
65, 12
(m/soobd.
, 16. Jh.
): Ob sich das taiding verzug mangl halben der herrschaft und nicht an den recht bestimbten tägen gehalten möcht werden.
Kohler, a. a. O.
18, 19
; 23, 31
; Maaler
283r
.‒
Vgl. ferner s. v. pasport
1.2.
›das Zuwenig (gemessen an einer Norm) an Bezugsgegebenheiten unterschiedlichster Art, (meist:) an Erfordernissen materieller Art, (seltener:) an Werten, Qualitäten, Kräften u. ä.‹; auch: ›Schmälerung‹ (z. B. der ere
).Phraseme:
aus mangel
›mangels‹.Bedeutungsverwandte:
abgang
brest
der
) 2, fel
gebrechen
der/das
) 1, gebrest
not
die
) 10; vgl. 2
brust
Gegensätze:
viele
die
).Syntagmen:
m. haben / spüren / verdecken, keinen m. in der sprache haben, jm. einen m. sagen
; m
. (Subj.) [wo] sein
; aus m. schmachten
; m. des gutes, der gerechtigkeit / narung, der kräfte
; m. an epitheta / leib und sele / proviant / notdurft / wein / korn / narung / speise / wasser, an der ere, am essen
.Wortbildungen:
mange
der
), mangelhaft
freunde
).Belegblock:
Schorer, Sprach-Verd.
31, 21
(1643
): die Teutschen gebrauchen sich allerley frembder Woͤrter / da Sie doch keinen Mangel in jhrer Sprache haben.
Schöpper
55b
(Dortm.
1550
): Indigentia. Fähl gebrest mangel.
Köbler, Ref. Wormbs
142, 26
(Worms
1499
): das die Ebern nit mangel oder gebrech haben irer leybs narunge.
Ralegh. America
9, 10
(Frankf.
1599
): wie die Soldaten auß vielem rheysen / vnd Mangel an Prouiant schier verschmachtet waren.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
144, 28
(Nürnb.
1548
): das auff diser hochzeyt mangel an wein ist.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew.
29, 2
(Straßb.
1650
): weil ihr auß mangel eurer Kräfften vnnd deß abgebrauchten Leibs, [...], nicht mehr sündigen könnet.
Wickram
4, 43, 14
(Straßb.
1556
): damit keinerlei mangel noch bresten bey inen [armen leut] gespürt würde.
Roder, Hugs Vill. Chron.
13, 3
(önalem.
, 1499
): do fiel ain schelm nachts uber die mur hinuß und seit den Schwitzern allen mangen, den sy in der stat hetten.
Maaler
283r
(Zürich
1561
): Mangelhafft an fründen / der wenig fründ hat / Mit fründe͂ übel versaͤhen.
Heydn. maister
14r, 7
(Augsb.
1490
): Bias hat mit nachgeschribner ku͂st vnd list den mangel an d‘ speiße v’deckt.
Rauwolf. Raiß
25, 18
([Lauingen
] 1582
): Gleichwol haben sie vmb Tripoli an Wassern keine͂ mangel.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
40, 23
(mslow. inseldt.
, 1567
): das Er an śeinen Ehren, [...], keinen Abgang noch mangl haben śolte.
Luther, WA
10, 1, 2, 379, 4
; 17, 2, 353, 26
; Kehrein, Kath. Gesangb.
3, 159, 7
; Opitz. Poeterey
29, 28
; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
239
; v. Keller, Ayrer. Dramen
3094, 32
; Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
193, 19
.‒
Vgl. ferner s. v. abgang
1.3.
›qualitativer Mangel, Fehler, Schwäche, Schaden, Schädigung an einer vorausgesetzten Norm, der normalen Funktion e. S. oder einer Handlung‹.Bedeutungsverwandte:
fel
Belegblock:
Pfefferl, Weigel. Ges.
41, 25
(Hamburg
1646
): wo er [Christus] wohnet in einem Gleübigen, da vorrichtet er durch seinen Geist alle Dinge ohn Mangel.
Mieder, Lehmann. Flor.
213, 22
(Lübeck
1639
): kein Mensch [...] kan niemands was perfects ohne allen Mangel machen.
Opitz. Poeterey
22, 2
(Breslau
1624
): sie wollen die vielfaͤltigen maͤngel vnd irrungen so darinnen
[in dem
buche]
sich befinden / beydes meiner jugend / [...] zuerechnen. Maaler
42v
(Zürich
1561
): anzeigen was faͤls vñ mangels seye an einer feilen waar.
Chron. Augsb.
9, 228, 3
(schwäb.
, 1544
/5
): daß der parchat am zeug [...], mangel leiden werd.
Kohler, Ickelsamer. Gram.
45, 8
(wohl ˹Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺): Jn disen kurtzen [...] woͤrtern, kan ain yeder dz lesens art, sampt allen seinen maͤngeln vnd zugehoͤrungen, gewonē.
Spechtler u. a., Frnhd. Rechtstexte
1, 33, 6
(moobd.
, 1524
): dieweil täglich new sachen, vnd mängl zuefallen, die [...] newer versehung bedurffen.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
226, 6
(m/soobd.
, 1494
): die mit iren arglistigen kunsten solh insigill von dem wachs ôn alle spur vnd mangl abgezogen.
4.
›Schaden, Nachteil in wirtschaftlicher Hinsicht‹.Wobd. / oobd.
Bedeutungsverwandte:
abbruch
abgang
gebrest
gefärung
stos
Belegblock:
Chron. Augsb.
9, 247, 9
(schwäb.
, 1544
): als solte solliche farb [...] dem einkomen des rats ain mangel pringen und nachtailig sein.
Ebd.
332, 17
(1536
): ursach, wir thetten käuff, die wir umb bar gelt etwan nit hetten (tun können) und hetten an disem (brauch) kain mangel, sonder nutz und ehr.
Uhlirz, Qu. Wien
2, 3, 4719, 16
(moobd.
, 1479
): doch dass sie [...] des salcz also halten und handeln, dass das seinem salczsieder in der Hallstat kainen mangel bringe.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
136, 25
(oobd.
, 3. Dr. 15. Jh.
): Des kaysers verbyeten [...], pracht mangel, das die zalung zw der versprochen zeyt nicht geschehen mocht.
Winter, Nöst. Weist.
1, 234, 33
(moobd.
, 1499
): wo iemant einem ein mangl davon geschäch, so muesten si im den schaden abtragen.
5.
›körperliches Gebrechen, Schaden (meist des Menschen, vereinzelt eines Tieres)‹.Bedeutungsverwandte:
krankheit
schade
der
) 8; vgl.: bekümmernis
gebrechen
der/das
) 2, gebrest
gegicht
Syntagmen:
drei mal den m. haben
(Bezug auf Epilepsie), der leib einen m. haben, einen m. an einem glied haben, das attractiv den m. an sich ziehen
; der m. sich
[wo] erzeigen, ein m. an jm. sein / erscheinen
; ˹übel gehören, blind sein
˺ mängel sein
›stellen mängel
5 dar‹; der m. der gehörde
.Wortbildungen:
mangelsam
Belegblock:
Mieder, Lehmann. Flor.
499
(Lübeck
1639
): Ein jeder Leib hat seinen Schatten vnd seien mangel.
Lichtenstein, Lindener. Katzip.
93
(o. O. 1558
): dises mensche hat ein grosse kranckheit und mangel. Darumb nimb arschwurtzel, stehewurtzel.
Knape, Messerschmidt. Bris.
13, 41
(Frankf./M.
1559
): zu dem er [Gaul] auch so wol abgericht worden / das an jhm kein mangel erschein.
v. Keller, Ayrer. Dramen
1208, 22
(Nürnb.
1610
/8
): Gehör gar übl vnd bin schier blind, | Welches dann solche mängel sind.
v. Birken. Erzh. Österreich
88, 12
(Nürnb.
1668
): Als er aber mit Margarethen [...] kein Kind zeugete / und deswegen sie der Unfruchtbarkeit beschuldigte / hingegen von ihr ebenmaͤssig / wie daß an ihm der mangel sey / beschuldigt wurde / begehrte er [...].
Sudhoff, Paracelsus
2, 436, 26
(1525
/6
): das [attractif] zeucht an sich disen mangel.
Köbler, Stattr. Fryburg
135, 8
(Basel
1520
): Ob der mangel in der scheydung am man wer / wie er das wyb mit guͦt versehen sol.
Memminger Chron.
24, 17
(Ulm
1660
): daß nur die jenige metzlen solten / welche etwan einen Mangel an einem Glied oder sonsten gehabt / daß sie kein ander Handwerck treiben konten.
Lauater. Gespaͤnste
18v, 15
; Vilmar
260
; Schweiz. Id.
4, 327
.‒
Vgl. ferner s. v. arzet
1.6.
›charakterliche, geistige, psychische Schwäche, Fehlerhaftigkeit, Defizienz, Unzulänglichkeit; daraus resultierendes Verhalten, fehlerhaftes Tun‹.Phraseme:
in js. mängeln falke sein
(›scharf sehen‹) / maulwurf sein
(›nichts sehen‹).Bedeutungsverwandte:
säumnis
sünde
unreinigkeit
gebrest
gebrestlichkeit
gebrestung
grobheit
grenze
Syntagmen:
einen m. haben / erkennen / keren, der tod mängel curieren
; ein m. an jm. erscheinen, kein m. an jm., an einem herzen sein, ein m. von Christo erstattet sein
›überwunden, aufgehoben sein‹; j. ane m. sein, mit m. behaftet sein, etw. um eines mangels willen darniedergehen
; mangel des gemütes, am gedächtnis, unter den leuten
; Maria sonder mängel
.Wortbildungen:
mangelhaft
mänglig
Belegblock:
Peil, Rollenhagen. Froschm.
129, 2680
(Magdeb.
1608
): Wer selbst seiner Suͤnd nehme war / | Verschwieg eins andern mangel gar.
Ebd.
492, 7145
: Am hertzen mus kein mangel sein / | Der Muth ist groß / der Mann ist klein.
Kehrein, Kath. Gesangb.
3, 232, 7
(Köln
1582
): Denn er thet ihn nach ihrem willen | Jhr mangelhafften seel erfuͤllen.
Köbler, Ref. Wormbs
68, 27
(Worms
1499
): das er vff die terminy in der citacion bestympt vñ kein mangel oder sümnus an yme sy.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
153v, 38
(Leipzig
1588
): Vnd die aller heiligsten Leute / dieweil sie [...] mit mancherley mangel vnd vnreinigkeit behafftet sein / jetzt hie / bald dort jrren.
Opitz. Poeterey
12, 23
(Breslau
1624
): das freylich etliche von jhnen etwas auß der art schlagen / vnd denen / die in anderer Leute maͤngeln falcken / in jhren eigenen Maulwoͤrffe sein / anlaß geben jhnen vbel nach zue reden.
Gille u. a., M. Beheim
72, 63
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): als die juncfrau frum | Maria sunder mengel | Hie auf der erden also hot | hach uberstigen die genot | und das verdienn der engel.
Dietrich. Summaria
30r, 1
(Nürnb.
1578
): ob gleich solche lieb nicht volkommen ist / [...] / so ist doch solcher mangel von Christo erstattet.
Mell u. a., Steir. Taid.
7, 36
(m/soobd.
, 1523
): Wo aber der erwelt richter [...] nit teuglich, [...] oder dem fursten und ambtleuten geverlich oder sonst menglig ist, sollen [...].
Kehrein, a. a. O.
1, 73, 5
; Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
384a, 31
; Stambaugh, Milichius. Zaubert.
6, 25
; Reichmann, Dietrich. Schrr.
253, 28
; v. Keller, Ayrer. Dramen
1285, 20
; 2131, 36
; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
483, 14
.‒
Vgl. ferner s. v. inhabung
.7.
›Not, extreme Armut, existentielle Bedürftigkeit (oft auf die Hungersituation bezogen)‹.Bedeutungsverwandte:
abgang
armut
bedürftigkeit
darben
gebrechung
hunger
not
die
) 10, teure
teurung
abfal
abscheiderin
ärmde
arme
die
), bange
die
) 3, hartsel
verderben
zerrüttung
Syntagmen:
den m. meren, j., der geiz m. haben, j., das vieh m. leiden, der krieg, der türke m. schaffen, den mangel got heimstellen
; m. (jn.) überkommen, der m. so weit kriechen, das [...]
; in m. geraten
; der m. der stat
; der grosse m
.Belegblock:
Kehrein, Kath. Gesangb.
3, 148, 1
(Köln
1582
): der Herr, | Er thuͦt mich immer weiden, | Darum ich nimmermer | Mag not und mangel leiden.
Gille u. a., M. Beheim
453, 215
Ü (nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): von dem mangel und hunger der stat.
Franck, Klagbr.
221, 16
(˹wohl Nürnb.
˺ 1529
): der mangel / abgang vnnd thewrung aller ding ist so weit krochen / [...] / daß wir [...].
Ebd.
223, 25
: die vnzalbar vile vnd legion der Bettelmoͤnch meren nit ein wenig disen vnsern abgang darben vnd mangel.
Dietrich. Summaria
23r, 8
(Nürnb.
1578
): Wo aber fromme Gottsfoͤrchtige leut mangel leiden / das geschicht ein zeitlang / jren glauben zu uͤben.
Lemmer, Brant. Narrensch. 70, Vorspruch
2
(Basel
1494
): Wer nit jm summer gabeln kan | Der muͦß jm wynter mangel han.
Köbler, Stattr. Fryburg
102, 23
(Basel
1520
): So einer zuͦsagt zuͦ schencken vnd mangel überkompt.
Maaler
400v
(Zürich
1561
): Theüre (die) Mangel [...] Rerum emendarum caritas.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
131, 10
; Knape, Messerschmidt. Bris.
22, 123
; Ralegh. America
13, 18
; Bihlmeyer, Seuse
91, 5
; Schmitt, Ordo rerum
293, 11
.‒
Vgl. ferner s. v. abätzen
, armut
1, bauernkrieg
2, bedürftig
.8.
›Beschwerde, Kritik gegenüber der Obrigkeit‹.Bedeutungsverwandte:
beschwer
beschwerde
geschwernis
gravamen
wiederrede
Belegblock:
v. Keller, Ayrer. Dramen
281, 12
(Nürnb.
1610
/8
): Großmächtiger König, seidt zu frid! | Wir haben keinen mangel nit. | Wer sich beschwer, der supplicir.
V. Anshelm. Berner Chron.
4, 395, 27
(halem.
, n. 1529
): Da hat er [Luther] geantwort, er habe an keiserlicher majestaͤt und dem rich keinem mangel, alein dass sie mit grunt der heiligen gschrift erkantnuͦs tuͤegid.
9.
›das Vermissen e. P. / e. S.‹; vgl.
1
mangeln
5.Belegblock:
Päpke, Marienl. Wernher
11067
(halem.
, v. 1382
): Was hat mir [Martha] grosser saelden hort | An dir benomen todes mort, | Der ich muͦs iemer mangel han.
Niewöhner, Teichner
564, 2821
(Hs. ˹moobd.
, n. 1400
˺): machtu daz vermeiden und lazzen | daz ich fliehen tun und hazzen, | du gewinnest mein nymmer mangel.