lefze,
lefse,
die
,lebse,
lepse,
der
;-n
(für die
) / -n
, auch -Ø
;f
- geringfügig häufiger; zum 17. Jh. hin immer seltener belegt; zumeist im Pl.1.
›Lippe‹, als pars pro toto für: ›Mund, Sprechwerkzeuge insgesamt‹; metonymisch dazu: ›Sprachfähigkeit des Menschen; Rede des Einzelnen, Einzelsprache‹.Phraseme:
einer lefzen sein
›dieselbe Sprache sprechen‹.Bedeutungsverwandte
1
lippe
zunge
Syntagmen:
die l. abschneiden / auftun / behüten / beschneiden / bewaren / erheben / färben / külen / rüren / überstreichen / weren / zerbeissen / zusammenbeissen; die l. jn. loben / preisen, etw. behalten / decken / hassen / reden / sagen, etw.
(z. B. den wein
) versuchen, vor etw.
(z. B. vor dem lob gottes
) stehen; mit (den) l. beten / eren / loben / predigen / segnen / sprechen / sünden, etw.
(z. B. die zäne
) mit den l. beschliessen, etw.
(z. B. die speise
) mit den l. anrüren, etw.
(z. B. die zunge
) mit den l. versehen, jn. mit (den) l. eren, etw.
(z. B. das schwert
) in den l. haben, in eine l. beissen, in den l. reden, etw.
(z. B. einen finger
) auf die l. legen, etw. von js. l. ausgehen, etw. von js. l. stelen / vertreiben; l. des mundes / priesters, der gerechten / huren; die dicke / obere / untere l., die bleichen / dünnen / engeren / falschen / freundlichen / frölichen / hängenden / langen / redenden / röslichen / spaltenen / spitzigen / unkustigen / zarten / zornigen lefzen; der geist, das lob / wort der l
.Belegblock:
Helm, H. v. Hesler. Apok.
623
(nrddt.
, 14. Jh.
): geborne wort, – | Nicht wort daz oren wirt gehort, | Noch daz man sprichet mit lefsen.
Ebd.
2300
: So mac her berefsen | Mit zornigen lefsen | Sin volk.
Ebd.
2672
: Die diete dich berefsen | Mit valschen redenden lefsen.
Luther, WA
31, 1, 5, 23
(1529
): Jch will mit meinen lebssen erzelen all rechte deines mundes.
Ebd.
31, 1, 25, 31
: Dises volck nahet sich herzu mit den lebsen, aber jr hertz ist ferne von mir.
Schöpper
35a
(Dortm.
1550
): Labia. Lippen lefftzen.
Oorschot, Spee. Trvtz-N.
92, 15
(wmd.
, 1634
): Nur von JESV Läfftzen stehlet, | Dannen klaubet hönig auß: JESV Lefftzen, Mund, vnd Augen | Vol des besten safftes sein.
Sievers, Oxf. Benedictinerr.
2, 3
(hess.
, 14. Jh.
): were dine zunge von ubele und dine lespen, daz sie inkeine loisheit insprechen.
Dubizmay, kurß zu Teutze
26, 17
(hess.
, 1463
): meyn lepßen | loben dich.
Ebd.
27, 6
: mit frolichen leptzen | lobet dich meyn munt.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
84, 5
(Frankf.
1535
): [Alaun] Jst wider den krebs / vnnd aufflauffen der lefftzen [...]. Den feuchten lefftzen oder weichen zenen mit essig oder honig.
Harms u. a., Alberus. Fabeln
33, 5
(Frankf./M.
1550
): Auch hatte er [Esopus] ein spitzigen kopff / ein kurtzen hals / vnd lange lefftzen.
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
306b
, 27 (Frankf./M.
1649
): Daß [...] ein Gefangener [...] auff der Tortur, damit er schweigen moͤge / die Zeene auff einander beist / die Lefftzen zusam͂en ziehet.
Hübner, Buch Daniel
2598
(omd.
, Hs. 14.
/A. 15. Jh.
): Min volc schriet zu mir ho | Und irbutet mir wirde | Mit lefsen ane girde | Ires herzen.
Ebd.
5919
: Sulcher macht wirt er irkant | Daz des mundis lefzen vort | Giezen kein dem hœsten wort.
Eggers, Psalter
28, 16
(thür.
, 1378
): Mit dinen oren hore min gebet, nicht in vnkustigen lephsen.
Dienes, E. Gros. Witwenb.
197, 7
(Nürnb.
, 1446
): du wilt petten mit dem lebssen, ader in deynen gedancken, so ualle dümütiglichen für die füsse der götlichen maiestat.
Reichert, Gesamtausl. Messe
9, 8
(Nürnb.
um 1480
): wie erwirdig ist das ambt des priesters, den gegeben ist gewald, mit heiligen worten den Herren der maiestat consecriren, mit den lebsen zu segnen.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
155
(Nürnb.
1517
): einen wein, der wirdig ist, das in got trink, das in sein lefzen und zeen widerversuchen.
Sachs
15, 259, 29
(Nürnb.
1563
): Als denn wil ich dem volck auff erden | Mit freundling leffzen preding lassen.
Ebd.
18, 80, 5
(1566
): herr, bewar mich wol | Mit dem wort deiner lebsen.
Ebd.
18, 147, 19
(1559
): Sein zungen vor uebel pehüet | Und sein lefzen weislich und klueg, | Auf das sie nit reden petrueg.
Ebd.
18, 238, 29
(1565
): sie [heiden] reden mit einander, | In den lebsen ir allersander | Sind scharpffe schwerter solcher maß.
Ebd.
18, 528, 21
(1566
): behüte meinen mund, | Und meine lefftzen mir bewar.
Ebd.
19, 243, 11
(1563
): Denn die lebsen der huren sind | ein honigseim süß.
Ebd.
19, 255, 18
(1563
): mein lefftzen sollen allzeit | Hassen alles, was ist gottlos.
Ebd.
21, 17, 7
(1524
): Diß volck eret mich mit den lepsen, und ir hertz ist weyt von mir.
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 3, 5
(Nürnb.
1631
): HERR thu mein Mund vnd Lefftzen auff, | Daß ich preiß den Namen dein.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel
3, 74, 13
(Straßb.
1466
): Wann daz lant waz einer lebsen
[Luther
zunge1545
: ]
vnd der selben rede. Ebd.
9, 500, 21
: ein gleichsam des suns des menschen ruͦrt mein lespen
[Luther
lippen1545
: ]
: ich tet auf meinen mund vnd rett: [...]. Fuchs, Murner.
4
Ketzer 3978 (˹wohl Straßb.
˺ 1509
): Do legt er einen finger vff | Sein beyde lefftzen für den mundt.
Sudhoff, Paracelsus
8, 66, 7
(1530
): wer wird euern weibern die dünnen lefzlin ferben und die spizige näslin puzen? der teufel im hungertuch.
Rieder, St. Georg. Pred.
90, 24
(Hs. ˹önalem.
, 1387
˺): mine leftzen sont niemer gereden die valschhait.
Schmidt, Rud. v. Biberach
37, 14
(whalem.
, 1345
/60
): dar vmbe sint „din lesbe als ein sich vrgiessende wab“.
Fuchs, Murner. Geuchmat
2049
(Basel
1519
): Mit lefftzen solt dyn zen beschliessen.
Bächtold, N. Manuel. Barb.
189, 1555
(Zürich
1526
): Mit lefzen mich das volk ert.
Maaler
260r
(Zürich
1561
): Die Laͤfftzen. Labia, Labrum. Laͤfftzen rot als rosen. Labra emula. DEr groß Laͤfftze͂ hat / Ein triel / Trollmaul. Labio. Laͤfftzle. Labellum.
Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk.
1, 3, 76, 7
(Luzern
1526
): die lefftzen des priesters behalten die kunst.
Morrall, Mandev. Reiseb.
125, 10
(schwäb.
, E. 14. Jh.
): da sind unsuber lút, die hond die lefftzen als lang und gros, wann sie ligend an der sunnen, so deckent sie daz andlit mit den lefftzen.
Fischer, Eunuchus d. Terenz
62, 6
(Ulm
1486
): Er lieff als bald von verrn her zu mir, bugglot, zittern, mit hangenden lefftzen, kychend.
Kohler, Ickelsamer. Gram.
9, 27
(wohl ˹Augsb.
1. Dr. 16. Jh.
˺): Das, u, ist ain laut, gemacht mit spitzige lefftzen vn zusamen gezognem mund.
Meisen u. a., J. Eck
57, 8
(Ingolst.
1527
): Er hat gescherpfft sein zungen wie die schlangen und das gifft der natern under seinen lefftzen.
Drescher, Hartlieb. Caes.
321, 28
(moobd.
, 1456
/67
): mein lebssen sind nye gestanden vor dem lob Gots.
Panzer, Seifrid Füetrers
25, 5
(moobd.
, 1478
/84
): da mit er im kuͦelt lebs vnd munndes guͦmen.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
10, 4
(tir.
, 1464
): Er hat nicht gesündet mit seinen lebssen.
Ebd.
42, 33
: das sbërt haben si in iren lëbsen.
Volz, Prophet Daniel W
10, 16
; Oorschot, Spee. Trvtz-N.
203, 26
; Gille u. a., M. Beheim
173, 78
; Reichert, a. a. O.
30, 1
; Mayer, Folz. Meisterl.
15, 25
; Rupprich, Dürer
2, 198, 54
; 61
; Sachs
3, 16
; 142, 14
; 4, 186, 35
; 13, 510, 30
; 18, 252, 10
; 19, 348, 11
; 20, 264, 11
; Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 95, 33
; 132, 3
; Kurrelmeyer, a. a. O.
1, 58, 11
; 3, 75, 5
; 4, 207, 5
; Sudhoff, Paracelsus
4, 208, 5
; 5, 19, 10
; Bihlmeyer, Seuse
550, 23
; 551, 28
; Adrian, Saelden Hort
5703
; 6135
; 8773
; Päpke, Marienl. Wernher
981
; 5937
; 5941
; Löffler, Columella/Österreicher
2, 7, 2
; Kohler, Ickelsamer. Gram.
10, 21
; 32, 8
; Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
329, 4
; Spechtler, Mönch v. Salzb.
47, 3
; Klein, Oswald
22, 61
; 22, 140
; Turmair
1, 190, 13
; 4, 339, 10
; A. à S. Clara. Glori
37, 27
.‒
Vgl. ferner s. v. antichrist
, astrolabium
, aufsperren
1, b
, beissen
(V., unr. abl.) 3.2.
›Rand, Umrandung‹; möglicherweise: ›Becken, Badewanne‹.Bedeutungsverwandte:
ranft
badschaf
brunschale
schüssel(ranft)
trog
badwanne
Belegblock:
Pyritz, Minneburg
2023
(nobd.
, Hs. um 1400
): Min zucker sußer mynnen lebs, | Sluß uff diner gnaden kebs!
(Deutung erfolgt hier als Synonym zu
kebse ›Reliquienkapsel‹, Dwb
5, 374
; das Wort wird von Pyritz
als ›Lippe‹ interpretiert). Kurrelmeyer, Dt. Bibel
5, 268, 4
(Straßb.
1466
): macht er ein gegossen mere oder ein zwachen habent x daum elen von einem lebs
[
ranfftFroschauer
: ; Luther
rand1545
: ]
bis zuͦ dem andern lebs. Ebd.
9, 412, 19
: In seiner schoß was ein daum ellen: vnd ein daum elen in der breyt: vnd sein kron vntz biß an den lebs in dem vmbring einer spannen
(in den Varianten jeweils auch
lefze; bei Luther
rand1545
: ).
Bremer, Voc. opt.
1057
(wobd.
, seit 1329
): Labium leph [...] lesbe [...] lefze [...] láftzig. [...] item est extrema pars scutelle deflexa uel ad extra, vulgariter schuͤsselrunft [...] schusselranft [...] part [...]. Item labrum est est vas ablutorium, [...] batschefflin [...] badschaff
(in diesem Beleg wird das Lemmazeichen
labium mit
labrum wieder aufgegriffen;
labrum ›Lippe‹ ist aber von
lābrum ›Becken‹ zu unterscheiden; s. Georges
2, 524
; insofern ist obiger Ansatz ›Becken‹ unsicher). Kurrelmeyer, a. a. O.
3, 327, 16
; Voc. Teut.-Lat. svr.
3.
›Spalte; Wundspalte, Wundrand‹; Metonymie zu 1.Belegblock:
Cirurgia H. Brunschwig
21
ra, 1 (Straßb.
[1497
]): füg die leftzen der wu͂den zuͦ samen.
Ebd.
21
va, 23: So giengent die lefftzen der wunden wider vff.
Ebd.
21
vb, 30: das man eı͂m nadel stoͤsset durch die beid lefftzen der wunden.
Weitz, Albich v. Prag
134, 17
(Hs. ˹oobd.
, A. 16. Jh.
˺): salb die leffczen da mit.
Ebd.
138, 20
: du solt auch die lebsen der wunden gar wol mit den henden zu samen trucken.
Cirurgia H. Brunschwig
21
rb, 8; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß
216
.