grus,
der
,
(seltener:)
grusse,
grüsse,
die
;
grusses
(zu
grus
), auch
, wohl Ekthlipsis
/grüsse
.
1.
›direkte (freundliche bis ehrerbietige) Anrede; einer anderen Person gegenüber formulierter Wunsch, daß es dieser wohl ergehen möge, gestisch zum Ausdruck gebrachte oder im Wort bzw. in der Schrift geäußerte Begrüßungs- oder (seltener) Abschiedshandlung (gleichzeitig Ausdruck des Wohlwollens oder der Ehrerbietung gegenüber dem Kommunikationspartner sowie Friedens- oder Segenswunsch)‹; speziell von Geistlichen oder Heiligen: ›ritueller Segen‹;
zu
grüssen
 1.

Belegblock:

Luther, WA
10, 1, 2, 281, 5
(
1526
):
Denn das war ein gemeiner gruͦß bey den juden inn der Hebreischen sprache, wenn sie von eynander giengen oder zuͦ sammen kamen: Fride sey euch, das ist so vil gesagt: Gehabet euch wol, [...], wie wir sagen: ,Got gruͤsse euch‘, ,Got gesegne euch‘.
Große, Schwabensp.
41a, 36
(Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
do god hir in erden mensliken wonete, do waz daz alle syn wort vnde gruͦz: „pax vobis“.
Reissenberger, Väterb.
28371
(
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Vil liepliche er [abt] sie enpfienc. | Eufrosina mit dem gruze | Viel im alda zu vuze.
Chron. Köln
1, 4649
(
rib.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
man wainde ein wile dat sy viande weren, | bis dat si also na dar quamen, | dat die Overstulze ir groisse vernamen.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
6747
(
rib.
,
1444
):
Zo der ioncfrowen gienck ich doe | [...] | Myne groisse boit ich yre zerstunt.
Sievers, Oxf. Benedictinerr.
28, 21
(
hess.
,
14. Jh.
):
so ein gast da gekundigit wirt, [...], so gevogen sich zusamene mit dem kusse des friden [...]. In dem selben gruzze sal man ein groz otmutkeit irheben.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk.
1, 41
(
osächs.
,
1343
):
dô Elizabêth hôrte den gruͦz Mariê, dô irhûb sich daz kint in vrouden in irme lîbe.
Anderson u. a., Flugschrr.
11, 2, 2
([
Leipzig
1521
]):
Wiewol du / bruder Luder mir [...] dein grus tzuuor embietest / szo ist doch tzwischen deynem gruß vnd Judas kuß wenig vnderscheyd.
Stackmann u. a., Frauenlob
5, 85, 19
(Hs. ˹
nobd.
,
3. V. 15. Jh.
˺):
swer da behelt menlich den ort, | im solt ein keiser sinen gruz helflich zu liebe spannen.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 114, 17
(
Hagenau
1534
):
Gut gruß gibt gut antwort.
Päpke, Marienl. Wernher
2221
(
halem.
,
v. 1382
):
Wan si
[Maria]
da also haimlich | Allain an ierm werke sass | Und och ir túr beschlossen was, | Und mit gruͦsse doch ainen man | Hort.
Ebd.
3951
:
Das erkennent sú vil wol, | Und sprachent gruͦss ze imme | Mit menschlicher stimme: | ,Ave rex [...]!‘ | [...] | ,Got gruͤss dich, kúneg!‘
Rauwolf. Raiß
23, 9
([
Lauingen
]
1582
):
seind wir nach solchem vnfreundtlichen gruͤß vnd willkom͂ [....].
Henisch
1770
(
Augsb.
1616
):
Grus / gluͤckwu͂nschung / salus, salutatio [...] Mein gruͦß mit meiner Pauls hand. / Col. 4. 18. [...] Gruͤssung / gruß / begruͦessung / salutatio, [...] Auff den gruß dancken / resalutare. Ein gruͦß empfahen. [...] Ein gruͦß embieten [...] Er ist eingangen ohn ein gruͦß / wegk gangen ohn ein Gott behuͤt dich. [...] Freundtlicher gruͦß behellt die Freundtschafft [...] Wer den rechten grus zu Hof nicht weißt / der kan leicht vbel anlauffen.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
23, 70
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
der jüdisch grus was falsch und sues | als er ir chünig wär.
Klein, Oswald
111, 154
(
oobd.
,
1436
):
Spöttlichen sann | so knieten si für in mit bösem herzen | und eerten in hëmisch vergrimmt | mit falschem grüss gebrawet.
Seemüller, Chron.
95
Herrsch. 46, 28 (
oobd.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Er schraib zum ersten ,Gruzz und den pëbstleichen segen‘ und pracht auf, daz man gen Röm gieng.
Frantzen u. a., Kölner Schwankb.
2,
Einl.;
Feudel, Evangelistar
2, 27
;
Henschel u. a., Heidin
1302
;
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
97
;
Päpke, a. a. O.
2308
;
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
264, 2
;
Voc. inc. teut. k iiijr.
2.
gekoppelt mit guten Wünschen und einer Höflichkeitsgeste, häufig über einen Dritten an einen anderen übermittelt: ›Botschaft, Nachricht; Antwort‹; speziell: ›Zeugnis über eine ehrenhafte Entlassung; Gesellenbrief‹;
Metonymie zu 1; zu
grüssen
 2.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok.
21411
(
nrddt.
,
14. Jh.
):
Swen her zu sinen heiligen | Sprichet und den abteiligen | Des himles zweierleie wort, | Die suze und ark sin da gehort: | ,Komet mins vater gesegenten!‘ | Und der gruz begegent en: | ,Get ir in daz ewige vur, | Do wirt die wonunge sur!‘, So wirt an der gruze | Zu schowen an vil suze.
Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
952
(
mrhein.
,
um 1335
):
herre panthias, | gent, sagent pilato minen gruz, | vnd nigent ime an sinen vuͦz | vme die houeliche dat, | die [...].
Maaler
194v
(
Zürich
1561
):
Er hat befolet das du mir einen Gruͦß zuͦschribist.
Rennefahrt, Wirtsch. Bern
642, 31
(
halem.
,
1680
):
daß etwan ein solcher [gsell] entweders von seinem meister ohne gruß geloffen oder sonsten gescholten.
Buijssen, Dur. Rat.
22, 27
(
moobd.
,
1384
):
der gruͦz darnach bedewtt den gruͦzz, den Christus gab darnach und er derstuend seinen jungern
(im Sinne von ›Segen‹ auch an 1 anschließbar).
Henisch
1771
.
3.
›Anrede, Segnung, Lobpreisung und Botschaft gleichermaßen durch Gott (speziell mit Bezug auf die Verkündigung Mariens durch den Engel)‹; anschließbar an 1 und 2;
vgl.
grüssen
 3; 4.
Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Phraseme:
der englische grus
1. ›Wortlaut der an Maria bei der Verkündigung gerichteten Segnung und Botschaft‹; 2. ›das aus 1. entstandene Gebet‹;
der lebende grus
.
Bedeutungsverwandte:
botschaft
.

Belegblock:

Luther, WA
30, 2, 638, 20
(
1530
):
was der engel meinet mit seinem grus. Aber hie woͤllen die Papisten toll werden uber mich, das ich den Engelischen grus verderbet habe.
Dubizmay, kurß zu Teutze
78, 17
(
hess.
,
1463
):
Den selben gruß du | einpfingest von gabrihel.
Stackmann u. a., Frauenlob
1, 15, 21
(Hs. ˹
omd.
/
schles.
,
14. Jh.
˺):
daz sie
[Maria]
vertruc des grozen gruzes grüzen.
Langen, Myst. Leben
158, 14
(
nobd.
,
1463
):
gut ist zw sprechen der engelisch gruß, daz Ave Maria.
Rupprich, Dürer
1, 153, 190
(
nobd.
,
1520
):
darnach das New Testament, als: der englisch gruß, die heiligen 3 könig auff grosen camelthiren.
Päpke, Marienl. Wernher
14769
(
halem.
,
v. 1382
):
Der vatter sprach ir sunder gruͦs, | [...] | ,Gegruͤsset sigist du, tochter min!.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst. Vorr.
109
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
wie man den englischen gruz versten sulle.
Luther, WA
9, 149, 26
;
Gille u. a., M. Beheim
82, 12
;
Rieder, St. Georg. Pred.
127, 15
;
Warnock, Pred. Paulis
23, 141
;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
12, 48
;
19, 26
;
Baptist-Hlawatsch, a. a. O.
301
.
Vgl. ferner s. v.
pacifical
,
pause
 2.
4.
›freundliches Entgegenkommen, Aufeinanderzugehen (als Handlung), Freundlichkeit (als Charaktereigenschaft)‹; in religiösen Kontexten: ›Gnade, die jm. erwiesen wird‹.
Wortbildungen:
grussam
.

Belegblock:

Ettmüller, Heinr. v. Meißen
6, 2, 6
(
md.
, Hss.
14.
/
15. Jh.
):
Noch twingt mich ir mündel süeze, | und ir minneclîche grüeze.
Stackmann u. a., Frauenlob
8, 4, 15
(Hs. ˹
md.
auf nd. Grundlage,
v. M. 14. Jh.
˺):
La dich in senftem, stetem gruze vinden.
Ebd.
9, 6, 10
(Hs. ˹
nobd.
,
3. V. 15. Jh.
˺):
Ir blic kan mut entzünden, | [...], | [...] | ir senfter gruz kan mannes herze durchgründen.
Neumann, Rothe. Keuschh.
3043
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
van liebe unnd grosse schribe en nicht, | di heilge liebe der briffe nicht ticht.
Ebd.
3353
:
ir zirde und fruntliche grusse | di muss ein kuscher mensche miden.
Schönbach, Adt. Pred.
20, 35
(
osächs.
,
1. H. 14. Jh.
):
hastu alemusen zu tunde oder niht, so soltu doch gruze und gute wort bieten.
Henschel u. a., Heidin
1836
(
nobd.
,
um 1300
):
Owe svze ovgelweide | Daz ich dich niht haben mvz | Wo ist din minnenklich‘ grvz.
Banz, Christus u. d. minn. Seele
806
(
alem.
,
1. H. 15. Jh.
):
Wenn er [got] mir an dem morgen bútet sin grüß,
[›Gnade‹]
| Und denn sing ich.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
38, 78
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
damit wir eren got, das uns wird sein grues.
Klein, Oswald
34, 8
(
oobd.
,
1416
):
An tadels mail ist si so gail, wurd mir zu tail | von ir ain freuntlich grüssel.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron.
173, 18
(
moobd.
,
1478
/
81
):
Der künig Ludwig was gar zumal ain weltsäliger man; er was freunthold und gruesam gen aller mänigklich.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
4, 13
(
noobd.
,
1347
/
50
):
Künd ich sprechen wol und süzz, | Ich pünd mich in der maid grüzz, | Der rainen chäuschen himelporten.
Stackmann u. a., a. a. O.
13, 52, 5
;
Klein, a. a. O.
42, 1
;
79, 4
.
Vgl. ferner s. v.
beiliegen
 3.
5.
›feindliches Aufeinandertreffen beim Zweikampf; (im Rechtswesen:) Gerichtskampf, Prozeß, peinliche Klage‹.
Bedeutungsverwandte:
diebsgrus
.

Belegblock:

Peil, Rollenhagen. Froschm.
658, 4774
(
Magdeb.
1608
):
der Rathman / | Hielt mit seinem Volck tapffer an / | Folgt dem Friedlieben auff dem Fuß / | Vnd bracht den Froͤschen boͤsen gruß
(hier: ›Kampfansage‹).
Ermisch, Freib. Stadtr.
80, 12
(
osächs.
,
v. 1325
):
Hat der velscher boten gehabt zu dem gruze, di mac man manen.
Ebd.
148, 19
:
daz sal he teidingen, ee he boten bite zu dem kemplichen gruze.
Ebd.
124, 17
:
Bekennen si is aber nicht unde irvellet der vorderer dri stunt nach einander an der ansprache unde an dem gruze, so ist der dip ledic zu rechte.
Chron. Nürnb.
2, 9, 17
(
nobd.
,
1422
):
zum ersten grus do [stach der] burger einer den andern zu tot.
Ermisch, a. a. O.
95, 24
;
Rwb
4, 1224
.
6.
›Antrieb, das Antreiben‹; als Ütr. an 1 anschließbar.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok.
8452
(
nrddt.
,
14. Jh.
):
Vorne speldet her [ochse] den vuz | Durch des scharfen tribers gruz.
7.
›Fluch, Verwünschung‹.

Belegblock:

Schlosser, H. v. Sachsenh.
166
(
schwäb.
,
1453
):
Das zwerglin das nam her ain brieff, | Dar an mit bluͦt geschriben was | Vil karacteres gruß, dis und das. | Damit es das gezelt beswuͦr.