gnaden,
V.
1.
›jm. seine Gunst, Huld erweisen; sich js. (z. B. des Sünders) erbarmen, mit jm. Mitleid haben (jeweils von Gott gesagt)‹; speziell: ›jm. die Sünde vergeben‹; auch als Drohformel sowie als formelhafte Wendung got gnade jm
. nach Nennung eines Toten, dann im Sinne von: ›Gott hab ihn selig‹; vgl.
gnade
1; 4.Belegblock:
Luther, WA
6, 13, 24
(1519
): so hilff und gnade uns, lieber vater. Gib uns vor allen dingen ein rechten bestendigen glauben in Christo.
Stackmann u. a., Frauenlob
5, 1, 11
(Hs. ˹md.
, M. 14. Jh.
˺): warer got gedriet, | din ewicheit genade mir.
Ebd.
8, 26, 18
: genade im, süze trinitat, | [...] | ich meine Conrat, | den helt von Wirzeburc.
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 292, 27
(Mainz
, 1605
): Erbarm dich vnser o Herre Gott, | Und gnade vns in aller noht.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
32, 31
(omd.
, 1487
): Szo es eÿm manne darzcu kompt (vornÿm das, das er solch weÿp hatt) als dan gnade Jm gott.
Küther, UB Frauensee
161, 11
(thür.
, 1369
): Johansis unsirs brudir Apeln kinder, dem Got gnade.
Eggers, Psalter
52, 6
(thür.
, 1378
): Durch dinene namen here, gnades dv minen sunden.
Ebd.
56, 3
: Abir ich ben vnschuldig ingegen; erlose mich vñ gnade mir.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
66, 34
(thür.
, 1474
): wir habin Hanßen von Obirnitcz, deme god gnade, unde Heinrich [...] daz sloß [...] vorkoufft.
Sachs
14, 283, 8
(Nürnb.
1553
): Ey, ey, es was ein fein person | Die götter wöllen im genaden.
Ebd.
16, 68, 2
(1559
): Gott wöll in jener welt im gnaden, | Und den jungn fürstn behütn vor schaden!
v. Keller, Ayrer. Dramen
3004, 3
(Nürnb.
1610
/18
): Ich wolt viel lieber Stein tragen, | Dann nemen ein alten kartzer, | Ein kreister vnd Gseßleinfartzer, | Ein reisperer vnd Gnad-dir-Gott.
Bihlmeyer, Seuse
361, 13
(alem.
, 14. Jh.
): Owe, du morderin! Dar umbe adi, ade, got genade dir hút und ieme me!
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
172, 17
(oobd.
, 1349
/50
): wenne si widerwärtichait habent, sô kêrent si sich ze got mit vlêhen und mit piten und hoffent, daz in got genâde.
Primisser, Suchenwirt
16, 225
(oobd.
, 2. H. 14. Jh.
): Nu gnad im got durich seinen tot | Daz er di sel vor aller not | Wewar.
Hör, Urk. St. Veit
71, 5
(moobd.
, 1351
): wan her Magens, dem got genad, ein guͤt hinder im lazzen hat.
Valli, Baldemann
280
; Wyss, Limb. Chron. U
124, 39
; Grosch u. a., a. a. O.
178, 36
; Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 310, 45
; Chron. Augsb.
9, 223, 2
; 321, 21
; 315, 8
; Sappler, H. Kaufringer
1, 330
; Klein, Oswald
2, 40
; Primisser, Suchenwirt
3, 201
; Rwb
4, 974
.2.
›jm. wohlgesonnen sein; jm. seine Gunst erweisen (vom Menschen gesagt)‹; zu
gnade
9.Belegblock:
Sachs
17, 458, 35
(Nürnb.
1557
): Vor solchem undanckbaren gschlecht, | Von dem nur kombt spot, schand und schaden, | Den sol ein weiß mann nit genaden, | Sonder ir müssig gehn allzeit.
Klein, Oswald
18, 55
(oobd.
, 1416
): [ich] dient zu willen ainer frauen, des ich hil, | die wolt mein nie genaden ainer nussen vil.
Adomatis u. a., J. Murer. Hest.
1066
.3.
›Erbarmen, Mitleid mit jm. haben (im Unterschied zu 1 vom Menschen gesagt)‹; speziell: ›jn. verschonen; jn. begnadigen, jm. eine Strafe nachlassen‹; vgl.
gnade
11; 12.Belegblock:
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
147, 25
(rhfrk.
, um 1435
): Lieber herre erbarmet uch myn / vnd gnadent mir myns libes / dann es mochte die zyt kommen / das ir myn wol bedorffent.
Ebd.
169, 3
: Lieber herre gnadent mir / Dann er meynt / es were eyner / der yne wölde doden.
Thiele, Chron. Stolle
169, 21
(thür.
, 3. Dr. 15. Jh.
): gnadet mir des libes, gnedige frowe!
Chron. Augsb.
3, 41, 11
(schwäb.
, E. 15. Jh.
): des ward der rat gewar hie und verprant ir fünf, die andern gnadet man.
Guth, Gr. Alex.
215
(Hs. ˹oobd.
, E. 14. Jh.
˺): Her, du genad mich.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron.
15, 6
(moobd.
, 1478
/81
): Diser Tyberius erslueg all teutsch fürsten und genadet der kainem.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
31, 29
(mslow. inseldt.
, 1534
): [Hans Stiml] het śollen durch Göttlich vnnd Weltlich Recht, am leben geśtrafft werden, doch in anśehen göttlicher barmhertzigkeit [...] Iśt auf heütigen tag des lebens mit nachfolgen condicion vnd vnterśchaidn gegnadt worden.
Rwb
4, 974
.4.
›jn. mit einem Recht, Privileg ausstatten‹; zu
gnade
10.Belegblock:
Toeppen, Ständetage Preußen
4, 155, 17
(preuß.
, 1453
): Und hat darauff geantwurt, das wir die ritterschafft und stett von solichs geschosz wegen inn sunderhait gefreyet und gnadent haben.
5.
›Dank sagen‹; offen zu 6; vgl.
gnade
8.Belegblock:
Bächtold, H. Salat
152, 20
(Freiburg
, 1537
): Von gedachts buren rat [...] ward Nicolaus der fromm bewegt, gieng in sich selbs, gnadet und danket dem buren siner gůttat und früntlichen meinung.
V. Anshelm. Berner Chron.
3, 47, 6
(halem.
, n. 1529
): hat der kuͤng [...] inen frůntlich gnadet und urlob geben.
Bachmann, Haimonsk.
186, 8
(halem.
, 1530
): Do Rengnold die mere vernam, do sprang er uff von fröuden und gnadet den buoben.
Wyss, Luz. Ostersp.
724
(Luzern
1583
): Ach vatter, gnad mir der můtter min! | Danck ir für mich, vmb das sy hatt | Vil surer arbeitt [...] | Mitt mir geheptt.
Gereke, Seifrits Alex.
3557
(oobd.
, Hs. 1466
): sy gnadten im gar ser.
Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb.
1991, 354
.6.
›Abschied nehmen (häufig in Bezug auf den endgültigen Abschied vor dem Tod)‹; auch verkürzt zur Interjektion des Abschieds: gnad
; auch ütr.; vgl.
gnade
17.Bedeutungsverwandte:
grüssen
Syntagmen:
jm.
(z. B. dem bapsttum / herren, dem heiligen land, der erde / fraue / freude
) g., jm. mit worten g.; zu jm. g
.Belegblock:
Schade, Sat. u. Pasqu.
2, 79, 13
(um 1520
/30
): wolan gnad herr, ir lieben herrn! ich arms beuerlein ich far darvon. alde, alde!
Schib, H. Stockar
1, 11
(halem.
, 1519
): Uff den dag gnadett ich dem halgen land und dem fatter gardion.
Adomatis u. a., J. Murer. Ufferst.
1579
(Basel
1567
): Der eerenbietung danck ich beiden | ich aber wird jetz von üch scheiden | Will üch hiemit ouch gnadet han.
Kottinger, Ruffs Adam
2535
(Zürich
1550
): das Kain und ’s wyb sind darvon, | keins iren nit zuo uns ist kon, | das uns hett gnadet, d’ ursach g’sagt, | wär sy vertriben hett.
Pfaff, Tristrant
155, 6
(Augsb.
1498
): Piloys gnadet der frawen, und hůb sich aus Curnewelischen landen.
Barack, Zim. Chron.
1, 418, 17
(schwäb.
, M. 16. Jh.
): haben derhalben ainandern gnadet und mit gutem willen von ainander geschiden.
Ebd.
3, 618, 16
: Als der [Hundt] sahe sein herren in seinem grösten anligen und schmerzen und ime graf Johan [...] mit worten gnadet, [...] als ob er die wort verstanden oder seinen todt wiste, wolte er lenger nit bleiben.
Adomatis u. a., J. Murer. Bab.
3050
; Fuchs, Murner. Geuchmat
5411
; Wyss, Luz. Ostersp.
3, 284
; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß
151
; Schweiz. Id.
2, 662
.