gierig,
Adj.
1.
›nach etw. verlangend, gierig‹; auch: ›willens zu [...]‹; Menschen und Tieren als natürliche Eigenschaft zugeschrieben und insofern neutral gewertet, vereinzelt mit positiver, häufiger mit negativer Konnotation; die in Betracht kommenden Lebens- und Sozialbereiche sind Essen und Trinken, Erotik / Sexualität, soziales Ansehen; vgl.
1
gier
(die
) 1.Bedeutungsverwandte:
vgl. ässig
gabegierig
1
geil
geirig
geizlich
gelusterig
gögel
gogelreich
inbrünstig
leckerisch
Syntagmen:
j. g. sein / werden, j. g. sein, zu [...], j. e. S
. (Gen., z. B. des blutes / lobes, der rache, der eren
) / nach etw
. (z. B. nach der milch, nach blut
) g. sein
, [ein Tier] g. auf etw
. (z. B. auf essen
) / nach etw
. (z. B. der vogel nach der geburt
) / zu etw
. (z. B. der waldrat zu apfelsaf
) g. sein
; jn. der eren g. machen
; mit verschobener Bezugsgröße: schlafen / ruhen
[einem Tier, z. B. den gänsen
] g. sein
; der gierige adelar / bär, die gierige kur, das gierige essen
.Belegblock:
Luther, WA
23, 367, 31
(2527
): so gyrig und hytzig sind sie zu leren.
Ebd.
38, 39, 26
(1531
/3
): Sauls stam kam nicht widder zum Königreich, wie wol sie girig und vleissig darnach strebeten.
Ders. Hl. Schrifft.
1. Petr. 2, 2
(Wittenb.
1545
): leget nu ab alle bosheit [...] / Vnd seid girig
[
sehnet euch nachEmser
1527: ;
begert nachEck
1537: ]
nach der vernünfftigen lautern Milch / als die [...] Kindlin. Ebd.
Spr. 28, 15
: Ein Gottloser der vber ein arm Volck regiert / Das ist ein brüllender Lew vnd gieriger
[
hungerigerDietenberger
1534 / Eck
1537: ]
Beer. Helm, H. v. Hesler. Apok.
5943
(nrddt.
, 14. Jh.
): Durch dise girige vleisches kuer | Brachte der tuvel Criste vuer | Die zirden in der wusten.
Kehrein, Kath. Gesangb.
3, 169, 11
(Köln
1582
): Gar viel der widersacher mein, | Die bluͤts vnd rache girig sein.
Feudel, Evangelistar
116, 22
(omd.
, M. 14. Jh.
): Hutet uch vor uch selbir uf daz icht beswerit werde uwir hercze von gygeregym ezzen unde von trunkenheit unde von den sorgen uwirs lybis.
Pyritz, Minneburg Prol.
2, 14
(nobd.
, Hs. um 1400
): in wirden orden treten | lert sie ir steten | und machet sie eren girik, | ir freude stet und wirik.
Bartsch, Reinfrid
5920
(halem.
, Hs. 14. Jh.
): sô bliht er iemer dar | alsam ein giric adelar, | dâ er siht sîne weide.
Fischer, Eunuchus d. Terenz
162, 18
(Ulm
1486
): dann sie den jüngling nit allain auf / enthielt. sunder berüefft in auch in das hauß da die Junckfraw was das er dester gieriger wurd.
Dreckmann, H. Mair. Troja
51, 2
(oschwäb.
, 1393
): und der küng mit seinen sunen sazz in dem sal und waz inneclich girig ze vollfüren seinen mut, do [...].
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
140, 11
(oobd.
, 1349
/50
): er [waltratt] läuft auf den paumen reht als auf der erden und ist gar girig zuo apfelsaf.
Ebd.
150, 6
: daz tier ist sô girig auf ezzen, daz ez der visch sô vil samnet in sein hol [...], daz [...].
Ebd.
169, 12
: emzicleichen ezzen ist in [gensen] lustig und ruoen und slâfen ist in girich.
Ebd.
189, 11
: der [vogel] ist sô girig nâch seiner gepurt, daz er ê der zeit vor dem lenzen airt.
Turmair
4, 1023, 26
(moobd.
, 1522
/33
): kaiser Constantinus ist girig des lobs gewesen.
Pfeiffer, a. a. O.
254, 12
; Dietz, Wb. Luther
2, 124
.2.
›sehnsüchtig, liebend, vom Menschen, von der Seele aus auf Teilhabe am Göttlichen gerichtet‹ (teilweise als frevelhaft bewertet) sowie umgekehrt: ›von göttlicher Barmherzigkeit aus auf den Menschen gerichtet‹; teils ausgedrückt mittels der Bildlichkeit von Hunger und Durst, insofern an 1 anschließbar; vgl.
gierde
3.Texte der Sinnwelt ,Religion‘.
Belegblock:
Luther, WA
41, 30, 22
(1532
/5
): Ander leute [...] schreien Ah und weh darnach, schnappen gyrig darnach.
Reissenberger, Väterb.
3252
(md.
, Hs. 14. Jh.
): O du barmherzekeit! | Wie girecliche du bist gereit | Aller diner hantgetat.
Rieder, St. Georg. Pred.
141, 37
(Hs. ˹önalem.
, 1387
˺): allir núcziste, allir sichirlichist ist dú oberost gotlichú minne und ist allezan gerik gotlichiz contemplierinis.
Eichler, Ruusbr. steen
931
(els.
, sp. 14. Jh.
): so entspringet in vns ein giriger gytiger gelust, der also hvngerig vnd also tief vnd also itel ist, doch gebe got allez, [...], ane sich selber, vns enmoͤhte nút genuͤgen.
Schmidt, Rud. v. Biberach
112, 7
(whalem.
, 1345
/60
): der girig tuͥrst old hvnger der sel, die nieman gesatten mag.
Kehrein, Kath. Gesangb.
2, 711, 24
(München
1586
): Die fuͤll erweckt kein vberdruß, | [...] | Seind guͤrig, essen fruͤ vnd spat, | Essen, vnd seind doch jmmerdar saat.
Luther, WA
49, 72, 6
.3.
›raff-, hab-, beutegierig; mordlüstern‹; speziell vom Teufel gesagt: ›gierig auf das Einfangen des Menschen, seiner natur
o. ä. gerichtet‹; vgl.
1
gier
(die
) 3, gierde
4.Texte der Sinnwelt ,Religion‘.
Bedeutungsverwandte:
greitig
heftig
blutdürstig
blutrünstig
gier
Syntagmen:
j. g. sein / werden, der teufel g. sein, wie [...], j. e. S
. (Gen.) g. sein
(z. B. die geistlichen der gaben, der teufel der menschlichen naturen
), j. auf etw
. (z. B. auf reichtum
) / nach etw
. (z. B. nach gute
) / auf jn
. (z. B. auf Christum
) g. sein
; die gierige list
; des gewinstes g
.Belegblock:
Luther, WA Bibel
7, 264, 10
(1522
): Es sol aber eyn Bischoff vnstrefflich seyn, nur eynes weybes man [...], nicht weynsuchtig, nicht beyssig, nicht schendlichs gewynsts gyrig.
Ders. WA
23, 612, 26
(1527
): [die Philister] zu wuͤrgen und blut vergiessen gyrig und hefftig waren wie die leven.
Ebd.
28, 404, 34
(1529
): So girig und hefftig ist er [Teufel] auff Christum.
Helm, H. v. Hesler. Apok.
23125
(nrddt.
, 14. Jh.
): ir mut und ir herze | Ist stete bi dem erze | Mit girigen listen | Beslozzen in der kisten.
Quint, Eckharts Pred.
2, 174, 8
(E. 13.
/A. 14. Jh.
): Etlîche liute sint, die von natûre unedel sint, die sint giric ûf rîchtuom.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
261, 12
(els.
, 1362
): Daz ist Cristus gewesen der den angel des gottelichen gewaltes hette fúrborgen vnder die spise menschlicher natvren der der túfel gar girig was.
Strauch, Schürebrand
33, 10
(els.
, E. 14. Jh.
): so sú des [guͦt, wollust, ere, kunst ...] ie me hant, so sú ie minre begnuͤget und ie giriger und ie gritiger werdent ie vürbas.
Rieder, Gottesfr.
148, 28
(els.
, 1390
/1402
): wenne er gar girig waz noch irdenscheme guͦte.
Maaler
183r
(Zürich
1561
): Girig / Der vnderstat ander leüten ein guͦt an sich zeziehen. Appetens.
Sappler, H. Kaufringer
16, 447
(schwäb.
, Hs. 1464
): ja ist er [tiufel] allzeit girig zwar, | wie er der sel ain ganze schar | zesamenpring in allen kraißen.
Kurz, Waldis. Esopus
4, 30, 16
; Niewöhner, Teichner
584, 18
.4.
›geizig‹; zu
gier
(Adj.) 2.Bedeutungsverwandte:
geitig
geizig
Belegblock:
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk.
16, 14
(osächs.
, 1343
): di Pharisêi hôrten diz alliz, di da girec
[
vzwendigMentel
, Hs. F, A. 16. Jh.: ; 1466-1475
arck1
: ; 1475
geitig2
–1518 / Froschauer
1530: ;
geitzigLuther
1545: ]
wâren, und belachiten en. Voc. Teut.-Lat.
l iiijv
(Nürnb.
1482
): Gyriger geitziger geitiger. auarus cupidus auidus.
5.
›eifrig, entschlossen‹ speziell: ›kampfbegierig‹; zu
1
gier
(die
) 4.Bedeutungsverwandte:
vgl. gier
gierlich
Belegblock:
Chron. Magdeb.
2, 64, 21
(nrddt.
, 1565
/6
): sonst waren sie [die unsern] so girich, das sie sich auch die schantz [...] anzulauffen hetten dorffen understehen.
Chron. Nürnb.
3, 172, 12
(nobd.
, 1488
): do im [Huß] die bücher Wicklefs warden, do nam er sie giricklichen an.
Chron. Strassb.
1, 81, 17
(els.
, 1362
): do zoget er gar gireclichen und ungestuͤmekliche gegen den burgern [...], und wolt mit in vehten.