gewönlich,
Adj.
1.
›dem Herkommen, sozialen Brauch, der Gewohnheit entsprechend, gesellschaftlich, sozial eingespielt und daher als regelhaft anerkannt, Erwartbarkeit sicherstellend, üblich, zeichenhaft für eine Ordnung stehend‹; mit letzterem tendenziell auch: ›gewohnheitsrechtlich geltend‹; zu
gewon
I, 1.Phraseme:
als (etw.) gewönlich ist
o. ä. ›wie es üblich ist‹.Bedeutungsverwandte:
gangbar
gänge
ganghaft
gebräuchig
gemein
gewon
läuftig
pfleglich
recht
sitlich
üblich
Syntagmen:
etw
. (z. B. der sitte, das wandern
) g. sein, etw. von alter (her) g. sein
; etw. g. tun, etw. g. gepflogen werden, ein recht g. halten
; der gewönliche almosenstok / bachgrosche / brauch / bau / dienst / eid / grus / lon / sitte, die gewönliche banteiding / behausung / busse / gebür / münze / pflicht / steuer / stunde / tagzeit / übung / wonung / zeit / zeremonie, das gewönliche gelübde / herkommen / opfer / recht / ungeld / zeichen
.Belegblock:
Schöpper
89b
(Dortm.
1550
): Gemein gebreuchig gewoͤnlich pfleglich uͤblich gewon gepreuchlich ganghafft gangbar jm schwange leufftig gänge.
Große, Schwabensp.
109a, 5
(Hs. ˹nd.
/md.
, um 1410
˺): der richter der sal sine gewonlichen buͦzen nemen.
Dat nuwe Boych
432, 21
(rib.
, 1396
): dat hey vssgeschickt wart [...] der Stede Assijssen zo verpechten, as dat gewoinlich ys.
Wyss, Limb. Chron. U
122, 33
(mfrk.
, 1371
): unde han [...] dit vurgenante testament in eẏne uffinbar instrument gemachet unde han daz gezegent mẏt mẏme gewontlichen zechen.
Wattenbach, Urk. Czarnowanz
124, 6
(schles.
, 1448
): vor eyn iczlich solch bret wir vnde dacz Closter czu fumff heller gewanlicher moncze [...] beczalen sollen.
Wendehorst, UB Marienkap. Würzb.
42, 6
(nobd.
, 1384
): so haben wir [...] iren vormunden, buwemeistern und pflegern das vorgenant winwahs ufgegeben mit munden, mit handen und mit halmen als gewonlich ist zu tunne zu Franckenlande.
Bihlmeyer, Seuse
109, 12
(alem.
, 14. Jh.
): und meinde, er [...] woͤlti och sinen gewonlichen morgengruͦz underwegen lassen.
Köbler, Stattr. Fryburg
67, 24
(Basel
1520
): Es ist ein gewonliche uͤbung an den gerichten / das mã dem antwuͤrter eyde vfflegt.
Päpke, Marienl. Wernher
7196
(halem.
, v. 1382
): Da warent siben kruͤge berait, | Grossú, michelú wasser vas, | Als gewonlich do den juden was.
Ebd.
13102
: Und fuͦrt man sú gevangen hin | Mit banden zuͦ des todes pin; | Und volgetont vil lúte mitte, | Als gewonlich ist der selbe sitte.
Chron. Augsb.
1, 181, 43
(schwäb.
, 1375
): sol er den selen ze hilff [...] hundert kertzin tragen igleichin mit ainem pfund wachs zuͤ dem opfer und zu der par alz sitleich und gewoͤndlich ist.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 146, 31
(schwäb.
, 1473
): nach ordnung des rechten leben, wie dann gewonlich von andern gerichten an der art gepflegen wirt.
Dirr, Münchner Stadtr.
393, 3
(moobd.
, um 1365
): so ist im diu stat verpoten pey der gewonleichen puͦzz.
Rintelen, B. Walther
20, 10
(moobd.
, 1552
/8
): sie sollen auch über die gewönnliche Tagzeit zu robaten durch den Herrn nit getrungen werden.
Turmair
1, 344, 7
(Nürnb.
1541
): Es war zur selben zeit das umbziehen und wandern gewonlich und auch nötig.
Siegel u. a., Salzb. Taid.
85, 4
(smoobd.
, 1426
): die recht der schefrecht, wie sie mit alten gewonhaiten und rechten herchomen sein und wie man si ieczund gewondleich haldunt ist.
Loesch, Kölner Zunfturk.
2, 511, 7
; Köbler, Ref. Wormbs
27, 8
; 27, 20
; v. Groote, Muskatblut
2, 62
; Anderson u. a., Flugschrr.
24, 5, 1
; v. Birken. Erzh. Österreich
69, 13
; Merk, Stadtr. Neuenb.
72, 15
; Völker, Antichrist
664
; Vock, Urk. Hochst. Augsb.
169, 15
; Grothausmann, Stadtb. Karpfen
6, 2
; Schwartzenbach
E iijr
; Rwb
4, 822
.‒
Vgl. ferner s. v. abziehen
6, almosenstok
, ampthaus
, auflage
2, bachgrosche
, arm
(Adj.) 4, bauen
8, pallium
.2.
›gewohnt, üblich(erweise), immer wieder, oft, nach seiner privaten Gewohnheit‹; im Unterschied zu 1 von nicht sozial eingespielten Handlungen; vgl.
gewon
I, 3.Belegblock:
Köbler, Ref. Wormbs
344, 6
(Worms
1499
): Were aber derselb inwoner berüchtiget gewonlicher hadery. schlagens. verletzung oder totschlagens. vnd eins boͤsen lebens.
Palm, Veter Buoch
68, 21
(schles.
, Hs. E. 14.
/A. 15. Jh.
): Ein priester gienc gewonlichen zv einem einsidele vnd segente im unsers herren lichamen.
Vetter, Pred. Taulers
295, 1
(els.
, 1359
): das du denne nút dine ufsetze, dine gewonlichen gebettelin út anhebest.
Päpke, Marienl. Wernher
8390
(halem.
, v. 1382
): [Ihesus] pflag dike úber nacht mit in | Gewonlich dar in [garte] sin.
Bauer, Geiler. Pred.
472, 30
(Augsb.
1508
): flyechen die person mit der du gewonlich / in [...] unvernü(n)ftige wort fallest.
Moscouia
C 2v, 16
(Wien
1557
): Zu Malzeiten hat er [Großfuͤrst] sich gwoͤndlichen betruncken / das er am Tisch entschlaffen ist.
3.
›gewöhnlich, normal‹; teils in Richtung auf: ›ein bestimmtes Niveau der Wertschätzung kaum erreichend‹; damit im Unterschied zu 1 und 2 ansatzweise pejorisiert.Phraseme:
die gewönliche stat
›Stelle zur Lagerung von Tierkadavern‹.Belegblock:
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
10, 19
(Frankf./M.
1568
): Von den Hochgelehrten vnd jren gewoͤnlichen Gradibus, vnd freyen Kuͤnsten / von allerley Handwercken / vom groͤsten biß zum kleinesten.
Jostes, Eckhart
105, 4
(14. Jh.
): Diz zwingt die usser dinck ze lauzend, gewonlich dinck ze mident, úber sich selber dringen und an die blozen gotheit springen.
Hoffmeister, Kuffstein. Gef.
B ijr, 26
(Leipzig
1625
): Seynd hernach bemeldte drey [Vnfall / Jammer / Schmertzen] vmb meine gewoͤnliche Speisen gegangen.
Winter, Nöst. Weist.
2, 202, 2
(moobd.
, 1450
?): als widerzems oß
[›Aas, Tierkadaver‹]
das scholl man pringen an gewonlich stet. Schweiz. Id.
16, 305
.4.
charakterisiert die außerhalb der menschlichen Verfügbarkeit stehende natürlich, religiös, medizinisch oder allgemein psychologisch, auch sozial begründete Gesetz-, Regelhaftigkeit: ›der Existenzweise e. S./ P. entsprechend, in aller Regel, von Natur aus, gottgewollt, dem Schöpfungsgesetz entsprechend, üblich(erweise), natürlich(erweise)‹; vgl. am ehesten
gewon
I, 2, gewonheit
5.Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Phraseme:
die gewönliche heimlichkeit
›Menstruationsblut‹; der gewönliche siechtag
›Menstruationstag, -zeit‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. angeboren
natürlich
onverändert
Syntagmen:
j. g
. ›von Natur aus‹ harig sein, j. g
. ›von seiner Natur getrieben‹ etw. tun, j. g. bleicher gestalt sein, j. g. js. augen an sich ziehen, etw
. (z. B. die kunst / liebe
) g. eitel sein, der geist bei js. sterben g. anfechtig sein, das leben g. im märzen hinnen faren, die creatur sich g.
[wie] stellen, der oberen natur etw. g. sein, die sonne g. liecht sein
; der gewönliche lauf (des gestirnes), der gewönliche zwek, die gewönliche stimme / zuneigung
.Belegblock:
Luther, WA
49, 155, 25
(1540
): Die Creaturn sich anders stelleten denn gewonlich und damit bezeugeten, das [...].
Quint, Eckharts Trakt.
43, 13
(E. 13.
/A. 14. Jh.
): daz unmügelich ist der undern natûre, daz ist gewonlich und natiurlich der obern natûre.
Göz. Leichabd.
165, 14
(Jena
1664
): Weinen ist unsere gewoͤhnliche erste Stimme.
Ebd.
188, 11
: Mortuus est. Jst so viel gesagt: Er hat den Lauff seiner Jahre vollendet / ist zum gewoͤhnlichen Zwekk gelanget.
M. Cunitia. Ur. Prop.
148, 35
(Öls
1650
): es wolle dann GOTT der einige Schoͤpffer [...] deß beweglichen Gestirnes / [...] / gewoͤhnliche und ohnveraͤnderte Laͤuffe / haͤmmen.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
3, 13
(nürnb.
, 1. H. 15. Jh.
): die andern künst, die sein gewonleich vierbicz, eitel und aufplasent den menschen.
Gille u. a., M. Beheim
246, 70
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): Der mensch ist gwunlich harig, rauch | an den prüsten.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
4, 189
(Nürnb.
1517
): Enteuserung von den gewonlichen zuneigungen ist ein würkung widerwertiger gewonheit.
Thiele, Minner. II,
13, 418
(Hs. ˹md.
/rhein.
, 1. V. 15. Jh.
˺): so sich myn leben krencket | und hynnen fert die sell mit schneller flucht, | als andern alten gewonlich in dem merczen.
Fuchs, Murner. Geuchmat
5270
(Basel
1519
): Gewonlich, wie do ist ein gemeyn, | Also handt sy der prediger eyn.
Päpke, Marienl. Wernher
548
(halem.
, v. 1382
): Dú sunne zwúrend liechter wart | Denne sú gewonlich ist von art.
Anderson u. a., Flugschrr.
23, 5, 25
([Augsb.
] 1525
): So seyn die Fürsten Prelaten / vnd herren / gwonlich von angeborner tugent.
Fischer, Eunuchus d. Terenz
103, 31
(Ulm
1486
): Wann gewonlich so ain mensch ufmercken hat zuͦ aim andern. was dann das selb ansicht dar uff wirt es auch sehen.
Bauer, Geiler. Pred.
104, 15
(Augsb.
1508
): das solliche menschen die sich aines schauwennden lebenns understonnd / gewonlich gantz thorechte menschen werden.
Strauss, A. v. Villanova dt.
162v, 2
(obd.
, Hs. 1421
): Kichern [...] machent bruntzen vnd den frauwen iren gewonlichen sichtagen tzu vier wochen eynes kommen.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
417, 25
(oobd.
, 1349
/50
): welheu frawe ir gewonleich haimleichait well pringen oder des kindes pälgel her für well pringen [...] oder die tôten purt von ir treiben well, diu trink rautensaf.
Drescher, Hartlieb. Caes.
86, 1
(moobd.
, 1456
/67
): die anhaͤbigen und ungestúmen poͤsen geiste, die pey der gerechten menschen sterben gewóndleich anfechtig sind.
Ebd.
242, 6
: das sy [lieb in Got] allzeit von natur oder villeicht von arbait, von mássikait trinckhens und essens gewonleich plaicher gestalt was under augen und magers leibs.
Quint, Eckharts Pred.
2, 539, 14
; v. Birken. Erzh. Österreich
70, 44
.‒
Vgl. ferner s. v. anfechten
7.