geistlich,
Adj.,
geistlichen,
Adv.
1.
›geistlich, in der Sphäre des Glaubens und Denkens, spirituell, intellektuell, rational, gedanklich, geistig-seelisch‹;
vgl.
geist
 2; 3.
Vorwiegend religiöse Texte und Schriften der Mystik.
Gegensätze:
fleischlich
,
irdisch
 2,
leiblich
 1,
natürlich
 5.
Syntagmen:
der geistliche sin / streit / trost, die geistliche armut / beschwerde / freude / gabe / hoffart / kraft / lere / lust / speise / übung / unkeuschheit / weise / wonne / zucht, das geistliche befinden / berüren / ding / gut / werk
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok.
244
(
nrddt.
,
14. Jh.
):
Der in Cristes personen quam | Unde in die Gotes tougen | Mit geistlichen ougen | In dem trone schouwen liez.
Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn
378, 23
(
Wolfenb.
1594
):
hierzu wil nunmehr anders nicht gehören, als Geistliche gedult.
Luther. Hl. Schrifft. Röm. Vorr.
2255, 31
(
Wittenb.
1545
):
Das Gesetz ist geistlich [...] Wenn das Gesetz leiblich were / so geschehe jm mit wercken genug / Nu es aber geistlich ist / thut im niemand genug / es gehe denn von hertzen grund / alles was du thust.
Gropper. Gegenw.
14v
, 20 (
Köln
1556
):
Es wirdt alßdan mein Leib nit mehr ein Sterblicher / sonder ein Vnsterblicher / Vntertheniger / vn̄ Geistlicher Leib sein.
Perez, Dietzin
1, 323, 27
(
Frankf.
1626
):
also werden auch vnser innerliche Glieder vnd alles Fleisch durch die vbermaͤssige Befeuchtigung des Weins zur Geystlichen Erbawung gantz vnduͤchtig gemacht.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
25, 29
(
omd.
,
1487
):
Vngelowben adder ketzerey ist ein geÿstlicher ehbruch vor gott.
Quint, Eckharts Pred.
1, 32, 3
(
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
si [kraft der sele] vliuzet ûz dem geiste und blîbet in dem geiste und ist zemâle geistlich.
Ebd.
1, 264, 4
:
Geistlîchiu vaz und lîplîchiu vaz hânt underscheit.
Ebd.
2, 178, 3
:
allez, daz die ûzern sinne enpfâhent, daz ez geistliche wirt îngetragen, daz kumet enoben von dem engel.
Ebd.
2, 612, 7
:
Wan alliu geistlîchiu dinc sint erhaben über diu lîplîchen.
Ders., Eckharts Trakt.
296, 3
(
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
dar umbe nimet er uns dicke beidiu lîplich und geistlich guot.
Neumann, Rothe. Keuschh.
1939
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
di kuscheit ist ein geistlich lust | unnd ein paradis der wollust.
Ebd.
2327
:
ein kuscher mensche sal allezid | in geistlicher ubunge sich zubreitten.
Anderson u. a., Flugschrr.
19, 17, 34
([
Eilenb.
]
1524
):
was sol solche hoche / gantz geistliche lere dem armen groben volck?
Gille u. a., M. Beheim
80, 87
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Sein hercz in diemut naigt und went, | das er nur dester pas erkent | sein prechen uberale, | Die sein sel geistlich leidet.
Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
4, 24
(
nürnb.
,
1. H. 15. Jh.
):
Wann als das leiplich gesiht in finsternuße nichtz gesehen mag, also mag auch das geistlich gesicht, das ist die vernunft, die da ist in der vinßternuß der todsund, sich selber und das war licht, das got ist, nicht beschawen.
Lauchert, Merswin
16, 15
(
els.
,
1352
/
70
):
daz ich von nieman keines bevintliches trostes gewar wart, weder lipliche noch geisliche.
Vetter, Pred. Taulers
7, 20
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
daz Got alle tage und alle stunde wurt werlichen geistlichen geborn in einre guͦten sele.
Ebd.
13, 18
(
els.
,
14. Jh.
):
die welt vichtet dich an mit geistlicher hochfart, das du wilt gesehen sin und geachtet sin und gehoͤhet sin.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 258
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Dis sol man verstan liplich vnd geistliche.
Ebd.
2, 213
:
Mer des wines innewendiger froͤden vnd geistliches trostes beuindent sv́ kleine.
Ruh, Bonaventura
357, 21
(
orhein.
,
um 1480
):
so ist dir nott [...] daz alle din werck vnd übung, geistlich oder liplich ein gebet sy.
Morrall, Mandev. Reiseb.
74, 14
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
da sahent sie gaistlich vor in Moysen und Heliam, den propheten.
Morrall, Mandev. Reiseb.
95, 25
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
er soͤlt irdescher sach begeren und nit gaistlicher.
Bauer, Geiler. Pred.
96, 11
(
Augsb.
1508
):
Diße gaistliche froͤd nympt etwann also starck zuͦ / daz sy mit worten nit außgetrukt werden mag.
Andreae. Ber. Nachtmal
52v
, 16 ([
Augsb.
]
1557
):
In disem letsten verstandt / wirt recht vnnd wol gelehret / daß der warhafftig Leib vnd Bluͦt Christi / im̄ hailigen Nachtmal / Gaistlich / das ist / auff him̄lische vnd der vernunfft vnerforschliche weiß gegeben werd.
Schmidt, Rud. v. Biberach
100, 23
(
whalem.
,
1345
/
60
):
fvnf geislich sinne sint in dem gemuͤte, als fvnf liplich sinne vsser sint an dem libe.
Warnock, Pred. Paulis
26, 73
(
önalem.
,
1490
/
4
):
Daz wort Christi solt du gaischlich verston und nit liplich.
Enders, Eberlin
1, 63, 7
(
Basel
1521
):
offt kummen sy [baͤttel Münche] in schaffkleider vnd sind heimlich zuckent woͤlff vnd offt ist es, ye geistlicher schein ye flaischlicher sin.
Heidegger. Mythoscopia
2, 23
(
Zürich
1698
):
da er zugleich ihre geistliche und leibliche Hurey bestrafft.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
339, 15
(
oobd.
,
1349
/
50
):
si sint auch gar ain guot nütz ezzen den, die siech sint an den gaistleichen gelidern.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
1064
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
wann von dem fleischleichen vater hat er daz fleisch vnd von dem geistleichen vater den geist.
Reithmeier, B. v. Chiemsee
11, 8
(
München
1528
):
zuo aufenthalltung menschlichs lebens gibt got zwayerlay narung, nemlich geystliche vnnd leybliche speis.
Bauer, Imitatio Haller
94, 20
(
tir.
,
1466
):
Souil vnd der mensch ie geistleicher ist, souil ist im auch das gegenwürtig leben je pittrer.
Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 34
;
Weber, Oswald.
1847, 329
;
Schmitt, Ordo rerum
493, 5
;
Bremer, Voc. opt.
268
;
Voc. Teut.-Lat. k jr;
Voc. inc. teut. h jv;
Serranus
75v
;
Maaler
164v
;
Stieler
1, 640
;
Dietz, Wb. Luther
2, 55
 f.;
Brinckmeier
893
;
Pfälz. Wb.
3, 150
;
Schwäb. Wb.
3, 246
;
Schweiz. Id.
2, 492
;
Vorarlb. Wb.
1, 1100
;
Rwb
3, 1530
 f.
2.
›die Religion, den kirchlichen und gottesdienstlichen Bereich betreffend; zum Klerus gehörig; geistlich, kirchlich, religiös, klerikal, fromm‹;
vgl.
geist
 4; 5.
Urkunden, Rechtstexte, religiöses Schrifttum.
Phraseme:
geistliches gut
(vgl. auch
1
gut
 12).
Gegensätze:
weltlich
.
Syntagmen:
Mit Personenbezeichnungen, z. B.
der geistliche adelsman / bruder / einwoner / vater / feind / fürst / gelerte / herre / kurfürst / man / mensch / prälat / priester / richter, die geistliche amptsperson / begine / frau / obrigkeit / schwester, das geistliche kind / volk
; mit Sachbezeichnungen, z. B.
der geistliche hof / mantel / orden, die geistliche jurisdiktion / kleinodie / lere / ordnung / regel / sache / strafe, das geistliche almosen / buch / gebet / fasnachtspiel / gedicht / gericht / gewand / kleid / kloster / leben / lehen / lied / recht / regel / regiment / werk
; mit Abstrakta, z. B.
der geistliche trost, die geistliche acht / antwort / erleuchtung / freude / hoffart / süssigkeit / tröstung / unkeuschheit / verderbnis / würdigkeit / zucht; g. werden
›Geistlicher werden‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok.
19292
(
nrddt.
,
14. Jh.
):
Die varn dan in dem lande | Mit geistlichen gewande.
Ziesemer, Proph. Cranc Uzl.
263, 6
(
preuß.
,
M. 14. Jh.
):
wantan sy denne gotis dyner sin und sine ammechtluyte und sine stat vorsteen kegin dem volke, beyde geistliche vursten und wertliche.
Luther, WA
10, 1, 1, 648, 8
(
1522
):
hatt der Bapst und geystlich recht yhr priuilegia, libertates, immunitates, indulta / gratias / und eytel außtzuge.
Große, Schwabensp.
235, a
, 20 (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
Swa man der ketzere inne wirt, de sol man wrogen vor geistlichem gerichte.
Fischer, Brun v. Schoneb.
11489
(
md.
, Hs.
um 1400
):
der kern, ab ich das bedute, | bezeichent uns geistliche lute.
Wyss, Limb. Chron.
51, 26
(
mfrk.
, Hs.
2. H. 16. Jh.
):
Der [babest Innocentius] hatte geregniret geistlichen unde herlichen bi zehen jar.
Aubin, Weist. Hülchrath
104, 20
(
rib.
,
1539
):
wie das siner, des graven, her vater [...] die geistliche jurisdiction us dem gedachten greflichen lande gehalden hett.
Loersch, Weist. Boppard
149, 38
(
mosfrk.
,
1611
):
das nichts ohn geistlicher obrigkeit befelch binnen dem hof sol gepfendt und angeschlagen werden.
Krebs, Prot. Spey. Domkap.
1, 3738, 4
(
rhfrk.
,
1513
):
wan ein burger umb schult an geistlich gericht gefordert, so werd er vom rat abgeheischen, mit beger, solichs an keys. mt. zubringen.
Sievers, Oxf. Benedictinerr.
32, 28
(
hess.
,
14. Jh.
):
daz man ir daz geisteliche gewant uz zie und ir selbes kledere wieder gebe.
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
5, 16
(
Frankf./M.
1568
):
Wie denn in disem Buͤchlin von allen Staͤnden [...] Geistlichen vnd Weltlichen / Sachen [...] beschreibung ist.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
15, 8
(
omd.
,
1487
):
Daráuß clerlich zcu nehmen, Szo nicht súnde were, funde wÿr keinen geistlichen orden [...] vff erden.
Ebd.
74, 18
:
Zcúm dritten hatt der ehbruch ein ander vngestaltt der súnde, als ßo eÿn person ehlich, dÿe ander geistlich.
Küther, UB Frauensee
149, 34
(
thür.
,
1365
):
daz wir vorkoft han ein phunt heller geldis jerlicher guͤlde von unsern guͤtern zcuͦ Nenchindorf der geistlichen frowen von Moͤlhusen.
Ebd.
265, 15
(
thür.
,
1491
):
Eß ist beredt unnd vorthedingeth zwischen den wirdigen unnd geistlichin hernn Herman Kyl probst zum Sehe, Katherinen eptischen unnd der gantzen samenunge.
Kisch, Leipz. Schöffenspr.
622, 10
(
osächs.
,
1523
/
4
):
Seintmal herr Casper von Schonperg [...] ein geistlich man und priester ist.
Wattenbach, Urk. Rauden
56, 12
(
schles.
,
1430
):
So mogen vnd sullen sie den obgenanten czins von den ynwonern der obgeschriben dorffer gewynnen vnd brengen mit Geystlichem rechte.
Mon. Boica, NF.
1, 573, 26
(
nobd.
,
1414
):
Zu dem [...] slosse Cadolczburg gehoren diese hernachgeschriben geistliche lehen.
Gille u. a., M. Beheim
110, 207
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Germania gaistlich weltlich | paid werden leben kristenleich.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
70, 8
(
Nürnb.
1548
):
Wir haben zweyerley stuͤck / da wir Got vmb bitten sollen. Ein geystliches / vnd ein zeitliches.
Vetter, Pred. Taulers
41, 9
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Hiebi sol man bekennen zwen die schedelichen grunde die under geistlichen lúten gesin mugent.
Ebd.
259, 27
(
els.
,
1359
):
Nu sint einer kúnne lúte, die schinent geistlich.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 1177
(
els.
,
E. 14. Jh.
):
Ein bestraffunge al der ienren, die von geistlichem guͦte lebent vnd vngeordent sint.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel
8, 3, 12
(
Straßb.
1466
):
die man nennt die geistlichen búcher. die do ausweissen wie ein mensch sein leben ordenlich sol ausrichten.
Morrall, Mandev. Reiseb.
29, 16
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
der ist hie vor geweßen der von Arabia kayßer und bapst in gaistlichen und in weltlichen sachen.
Ebd.
143, 13
:
Ist aber das in der stat gaistlich volck ist, so komend sie im engegen mit dem crútz.
Diehl, Dreytw. Essl. Chron.
11, 12
(
schwäb.
,
1548
):
es warenn vill grosser hernn da vonn rytter und knechtenn gaystlichenn und weltlichenn.
Bauer, Geiler. Pred.
99, 14
(
Augsb.
1508
):
Als dann sind die prelaten und die obren in gaistlichem unnd in weltlichem stat. die seind schuldig ire undertonen zuͦversehen.
Rot
288
(
Augsb.
1571
):
Alcoran, des Tuͤrcken gsatzbuͦch / darinn alle jre geistliche haͤndel begriffen seind.
Banz, Christus u. d. minn. Seele
932
(
alem.
,
1. H. 15. Jh.
):
Es stat ainem gaistlichen menschen úbel an, | Das man an ainer luge finden kan.
Rennefahrt, Statut. Saanen
21, 24
(
halem.
,
1397
/
8
):
alle die personen, si sien geislich oder weltlich.
Rennefahrt, Stadtr. Bern
189, 30
(
halem.
,
1364
):
Es sol [...] nieman den andern an geislichs gerichte laden ane alein umbe e und umbe offennen wuͦcher.
Rieder, St. Georg. Pred.
94, 10
(Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
Da nach sont wir gaischlichen leben mit den lúten.
Koller, Ref. Siegmunds
295, 2
(Hs. ˹
Basel
,
um 1440
˺):
Die artzet sint halb geistlich und halp weltlich; geistlich sol ein artzet sin, als er zuͦ der welte wandelt.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
214, 10
(
oobd.
,
1349
/
50
):
der pischof schol alleu vergiftigeu tier in seinem pistuom [...] vertreiben mit seinem geschrai, daz ist mit gaistlichen strâfen.
Klein, Oswald
112, 301
(
oobd.
,
1438
):
all, die han | herschäft, land, leut, undertan, | gaistlich, weltlich wër die sind.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
199, 24
(
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
die drei geystlichn kurfursten giengen mit im.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
57, 58
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
weliche anruerung die menschen vnd grosleich die geistleichen menschen entpfindent.
Ebd.
75, 81
:
Ich han nicht sulches gelesen von den propheten oder andern geistleichen oder hailigen lewten.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron.
76, 22
(
moobd.
,
1478
/
81
):
Nu was Karolmanus gar ain gaistlicher frumer und andächtiger herr und gedacht, das gar sorglich got bei der welt zu dienen wär.
Turmair
4, 42, 4
(
moobd.
,
1522
/
33
):
Das baierisch volk [...] ist geistlich, schlecht und gerecht.
Bauer, Zist.-Pred. Haller
81, 49
(
tir.
,
1466
):
Es ist kchain mentch geporen worden [...] wie heilig er gewesen ist oder wie geistleichen er gewesen ist, der da nicht enpfhangen ist worden in den súnden.
Piirainen, Stadtr. Sillein
56, r
, 35 (
sslow. inseldt.
,
1378
):
So sol auch dy geistlyche gewalt helfen dem werltlichem gerichte.
Ebd.
143, l
, 24:
Der keyser leyt allen gaystleychen vorsten lehen.
Ders., Igl. Bergr.
37, 36, r
(
slow. inseldt.
,
16. Jh.
):
Das soll Ime der herre nicht weren, Er sey Geisstlichen oder weltlichen.
Behrend, Magd. Fragen
21, 4
;
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
165, 22
;
Eichler, Ruusbr. steen
43
;
Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu.
2, 92, 11
;
Sappler, H. Kaufringer
7, 276
;
Warnock, Pred. Paulis
9, 173
.