erbarmen,
V.
1.
›Mitleid mit jm. haben, jn. bemitleiden‹; ›sich mitleidig zeigen‹; speziell im Kontext von Gebeten: ›sich über jn. erbarmen, sich aus Mitleid js. annehmen‹; vgl.
barmen
.Bedeutungsverwandte:
annemen
bedauern
2
dauern
gnaden
1
leiden
lindern
Gegensätze:
1
armen
Syntagmen:
sich e., sich js
. (z. B. des dürftigen / elenden / kranken / menschen / mitgesellen, der sünder
) e
., sich e. S
. (z. B. der tat / torheit, des elendes / jamers / volkes
) e
., sich (herziglich) über jn. e
.; etw. zu e. sein
.Wortbildungen:
erbarmer
erbarmkeit
Belegblock:
Luther, WA
10, 3, 224, 21
(1522
): Er
[Gott]
sicht das wir stecken im todt, des erbarmet er sich, und gibt unns das leben. Ebd.
35, 436, 20
(1524
): kompt yhr armen, | last mich uber euch erbarmen.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
111, 2100
(Magdeb.
1608
): Da ist niemand der sich erbarm.
Chron. Köln
1, 1159
(rib.
, Hs. 1. H. 15. Jh.
): Die stat erbarmede sich deser dait.
Rosenthal. Bedencken
10, 17
(Köln
1653
): Herr erbarme dich vnser.
Froning, Alsf. Passionssp.
1953
(ohess.
, 1501ff.
): got wel sich erbarmen | uber sie und wel en geben | das hymmelrich.
Logau. Gott
156, 5
(Breslau
1644
): Gott / der du bist [...] ein Erbarmer der zuschlagnen Suͤnder.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel
8, 244, 14
(Straßb.
1466
): Der erbarmer
[bezogen auf die Vulgata-Lesart
miserator (Sir. 18, 14)]
enpfecht die lere der erbarmd. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew.
50, 34
(Straßb.
1650
): dessen man sich so lang annimmet vnd erbarmet, als lang man von ihr kan genieß vnd Vortheil haben.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 510, 18
(Hagenau
1534
): Wer in seinem eygen hause beschneyet oder beregnet / des will sich Gott auch nit erbarmen.
Anderson u. a., Flugschrr.
6, 4, 11
([Augsb.
] 1523
): Got erbarme sich diser menschen / sy seind nit zuͦ schelten / sunnder zuͦ erbarmen.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron.
45, 12
(moobd.
, 1478
/81
): so mocht er [Thasylo] nimmer mer gereiten noch geen, davon man in allen landen gross erpärmkait über in het.
Turmair
4, 230, 12
(moobd.
, 1522
/33
): Die frummen weissagen und prediger [...] warden [...] jemerlich mit aller grausamkait on alle erparmus
[sic!]
ermördt. Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
43, 33
(tir.
, 1464
): Jesu, [...], erparm dich v̈ber mich.
Luther, WA
12, 677, 12
; 12, 680, 11
; 15, 71, 19
; 15, 193, 17
; 15, 731, 30
; 17, 1, 368, 16
; Strauch, Par. anime int.
47, 32
; Päpke, Marienl. Wernher
11242
; Wickram
4, 48, 30
; Lindqvist, K. v. Helmsd.
2723
; Turmair
1, 192, 32
; Schöpper
12a
; Maaler
107v
; Henisch
903
f.; Dict. Germ.-Gall.-Lat.
141
; Schweiz. Id.
4, 1593
f.‒
Vgl. ferner s. v. ab|erbitten
1, abgus
2, alten
2, 1
armen
2.2.
›jn. rühren, betrüben, erweichen, js. Mitleid erregen; jm. leidtun‹.Phraseme:
˹erbarm es got; das got es möchte erbarmen
(u. Ä.)˺ ›auf erbärmliche, mitleiderregende Weise; leider‹; auch als formelhafter Ausdruck des Bedauerns (ähnlich einer Interjektion); etw. möchte einen stein erbarmen
.Bedeutungsverwandte:
bedauern
beherzigen
bejamern
berüren
bewegen
Syntagmen:
j
. (z. B. der knabe, der gute man, die kinder
) jn
. (auch: jm
.) e
., etw
. (Subj., z. B. der jamer, der tod des vaters, die not
) jn. e
., j. / etw. jn
. [wie] (z. B. hoch / ser / übel, zu fast
) e
.Belegblock:
Luther, WA
24, 141, 16
(1527
): So hoch solt uns yhr jamer erbarmen.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
132, 6
(rhfrk.
, um 1435
): jr erbarmet mich sere.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
7, 14
(Hs. ˹omd.
, 1465
˺): were icht gutes an euch, es solte euch selber erbarmen.
Lauchert, Merswin
26, 7
(els.
, 1352
/70
): Also habe ich mine zit, das es got erbarmen mvͦse, sv̇benzehen iar vertriben.
Chron. Strassb.
430, 3
(els.
, A. 15. Jh.
): do er in
[einen Brief, in dem verfügt wird, dass der Junge, der ihn überbringt, zu töten sei]
gelas, do erbarmete in der knabe. Kurz, Murner. Luth. Narr
994
(Straßb.
1522
): Also erbarmen mich die armen kind, | Die in den kloͤstern beschlossen sind.
Päpke, Marienl. Wernher
7427
(halem.
, v. 1382
): Man truͦg in ieczent zuͦ dem grab. | Ihesum wart erbarmen das.
Lauater. Gespaͤnste
13r, 7
(Zürich
1578
): Welcher vmb solche lüt ist / muͦß jren / wie übel sy jn erbarmend / offt vnd vil lachen.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
14, 3
(oobd.
, 3. Dr. 14. Jh.
): Do [...] | [...] der mensch verloren was, | das erparmet got so ser.
Klein, Oswald
11, 31
(oobd.
, um 1423
): mir erbarmt manger güter man.
Munz, Füetrer. Persibein
157, 2
(moobd.
, 1478
/84
): Ir kúenen ritter werden, | latt euch ir not erparmen!
Turmair
4, 733, 2
(moobd.
, 1522
/33
): Das arm weib erparmet zu vast irs vaters tod.
Ebd.
5, 306, 1
: der kaiser [...] zaigt an die püeberei seiner feint [...], das (es) ein herten stain erbarmen möcht.
Rieder, Gottesfr.
105, 25
; Chron. Strassb.
407, 11
; Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
111, 19
; Schöpper
12a
; Maaler
107v
; Henisch
904
; Schweiz. Id.
4, 1593
f.‒
Vgl. ferner s. v. arm
(Adj.) 10.3.
›etw. bedauern‹; semantisch verblassend: ›etw. nicht gutheißen, kritisieren‹.Phraseme:
es ist zu erbarmen, das [...]
›es ist eine Schande, höchst bedauerlich, dass [...]‹.Bedeutungsverwandte:
bedauern
bereuen
besauren
tadeln
Belegblock:
Anderson u. a., Flugschrr.
21, 7, 4
([Zwickau
] 1525
): das man vns fur yhr eygenleut gehalten habe welchs zu erbarmen ist.
Schorer, Sprach-Verd.
1, 17
(1643
): eine Schand ist es / vnd zu erbarmen / daß diese vnsere teutsche Haupt- vnd Mutter⸗Sprach [...] verunreiniget wird.
Ebd.
42, 20
: es ist zu erbarmen vnd hoch zu betawren / daß die Teutschen noch so blind seyn.
Goedeke, P. Gengenb.
122, 186
(o. O. 1516
): Worlich es zuͦ erbarmen ist | Das du so gantz beflecket bist, | Mit der vnkuscheit.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
238, 5
(oobd.
, 3. Dr. 15. Jh.
): Und ist zu erparmen, das so vil guetter lewt in dem posen krieg umb sein komen.
Meisen u. a., J. Eck
50, 3
(Ingolstadt
1526
): es sey zuͦ erbarmen, das man also spoͤtlich handlen sol.