entzucken,
entzücken
(Letzteres seltener), V.
1.
›jm. jn. / etw. entziehen, wegnehmen‹; teils im Übergang zu: ›jm. jn. / etw. gewaltsam nehmen, rauben‹; vereinzelt refl.: ›sich losreißen‹ (von Pferden gesagt); häufig in Passivkonstruktionen; zu ent-
2a.Bedeutungsverwandte:
vgl. entziehen
Gegensätze:
schenken
Syntagmen:
die hengste sich e
.; jm. jn. e
. (z. B. aus der helle gründen
), jm. etw
. (z. B. die freude / hausere / narung / sele, das brot / liecht / reich
) e., got
(Subj.) jm. den verstand e., jm
. (z. B. got, dem armen
) etw. / jn
. (z. B. die kinder
) e., jm. etw. mit gewalt / recht e
.Wortbildungen:
entzucker
entzuckung
abbruch
Belegblock:
Helm, H. v. Hesler. Nicod.
3099
(nrddt.
, 14. Jh.
): Waz ist der Crist [...] | Der uz der helle grunden | [...] | uns
[der
helle]
Lazarum entzucte. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron.
24792
(preuß.
, um 1330
/40
): al ir henggiste | wurdin von der schûre | sô gar ungestûre, | daz sî sich intzuktin.
Luther, WA
17, 1, 212, 17
(1525
): die jhenigen, die da Christlich sterben, das der trost darynnen stehet, das man [...] das hertze auff thu und sehe, wo er [der leyb] hyn gehe, nemlich, das er eyne kleyne zeyt endzuͦcket wird aus unsern augen
(offen zu 2).
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
21, 8
(Hs. ˹omd.
, 1465
˺): do mein züchtige [...] hausere mir so snelle ist enzücket, sie tot, ich witwer und meine kinder weisen worden sint!
Matthaei, Minner. I,
6, 8
(Hs. 15. Jh.
): min sin der waz verirret | in wuͦnderlicher norme, | in der sorgen forme | waz ich gar gedruͤcket, | min frewde waz mir enzuͤcket.
Schade, Sat. u. Pasqu.
2, 137, 30
(els.
1521
): die selbigen [kinder] nimpt man in der jugent, [...] enzuckt si got dem herrn und schenkt si dem teufel.
Qu. Schweiz. Gesch.
1, 150, 19
(halem.
, 1470
): Dann uns Gott allen verstandt enzukt hat.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen
417, 20
(halem.
, 1532
): im selbigen val wöllendt [...] unser gnedig herren [...] einem jheden landvogt vollkomnen gwalt gäber [...], dieselbigen ungehorsamen [...] mit abbruch oder entzuckung wyn und brots [...] zestraffen.
Bächtold, H. Salat
200, 585
(o. O. 1537
): Meng unschuldiger in angst und not, | Dem armen entzuckt sin narung und brot.
Lemmer, Brant. Narrensch.
86, 50
(Basel
1494
): Dar vmb wart jm entzuckt syn lyecht.
Henisch
1281
(Augsb.
1616
): Entfuͤrer (der) entzucker / raptor.
Luther, WA
24, 86, 10
; Sachs
8, 681, 33
; Primisser, Suchenwirt
33, 114
; Niewöhner, Teichner
564, 481
; Maaler
107r
; Rwb
3, 26
; Schwäb. Wb.
2, 744
f.‒
Vgl. ferner s. v. alphabet
1, beiderfalt
.2.
›jn. in eine andere Existenz, eine andere Zustandsweise überführen‹; stets in Verbindung mit einer übersinnlichen Erfahrung der wahren Wesenheit Gottes; mehrfach im Passiv mit Gott als Handlungsträger; teils subst.; zu ent-
2a.Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion‘, insbesondere der Mystik.
Bedeutungsverwandte:
begreifen
zücken
entrücken
Syntagmen:
den geist des erwälten e., got / Christus
(Subj.) den menschen e., der mensch / mönch entzukt sein / werden, die liebe den menschen entzukt machen
; der geist, die sele
(Subj.) jm. entzukt werden, j. aus sich selbst, aus den sinnen, diesem leben, in der andacht, im gebet / geist entzükt sein, in got, in den himmel, in das paradies entzukt werden, j. zu lange entzukt sein
.; subst.: das entzucken dem schlaf gleich sein
; das entzucken des menschen
.Wortbildungen
entzuckung
übergang
Belegblock:
Luther. Hl. Schrifft.
Apg. 10, 10
(Wittenb.
1545
): Da sie jm aber zu bereiteten / ward er [Petrus] entzückt
[
die aufsteygung des gemúts viel auf inMentel
1466: , Var. 1475
die entzuckung2
-1518: ]
/ Vnd sahe den Himel auffgethan. Ebd.
Kor. 12, 2
: Derselbige [Mensch] ward entzücket
[
gezucktMentel
1466: ; nd. Bibel 1478:
gethagen]
/ bis in den dritten Himel. [...] Er ward entzücket in das Paradis. Quint, Eckharts Pred.
1, 404, 2
(E. 13.
/A. 14. Jh.
): ob man sant Paulum hæte gerüeret in der zît, dô er enzücket was, ob er sîn hæte enpfunden.
Jostes, Eckhart
38, 18
(14. Jh.
): wirt di sel gezogen uber sich selben in ein gotlich gesiht, daz ist ein enzucken oder ein begriffen, do wirt gesehen got mit got.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
160
(Nürnb.
1517
): nimet Christus [...] den geist des erwelten vilmals gewaltiglich in sich oder entzuckt in, domit er [...] die künftigen suese fuerschmeckt.
v. d. Broek, Spiegel d. Sünders
170, 14
(Augsb.
1476
): Waͤr aber das du von eyns leichten gedancks wegen zevil lang waͤrest entzuckt gewesen in deim gebett võ guͦter andacht.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
9, 8
(oobd.
, 1349
/50
): etleich ômacht und des menschen enzucken sint dem slâf geleich.
Ebd.
445, 31
: wenn daz geschiht, sint denn hinzukig läut engegen, die werdent enzuckt auz in selber und sagent künftigeu dinch.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
107, 61
(moobd.
, 1. H. 15. Jh.
): Wenn dew uͤbertraͤtig lieb macht den menschen ettwenn entzuckt, gleich sam er sey truncken.
Drescher, Hartlieb. Caes.
98, 35
(moobd.
, 1456
/67
): von dem münch, der enzuckt was, sein aygen seel aygentleich wol sach.
Ebd.
135, 34
: In der selben enzuckung wurden ir [chlosterfraw] so grosz und manigvaltig offenbarung geweiset von der selben aller höchsten und ewigen drivaltikait.
Luther, WA
17, 2, 151, 9
; 17, 2, 151, 18
; Reissenberger, Väterb.
14258
; Asmussen, Buch d. 7 Grade
113
; Wagner, Erk. Ps.-J. v. Kastl
19, 47
; Vetter, Pred. Taulers
45, 14
; 432, 27
; Hohmann, a. a. O.
113, 45
; Drescher, a. a. O.
244, 21
; Maaler
107r
.‒
Vgl. ferner s. v. aufhenken
2, auswürfling
, begreifung
3, entrücken
2, paradies
2.3.
›jn. zu etw. (z. B. zum betrachten
) veranlassen‹; zu ent-
2a.Bedeutungsverwandte:
bewegen
Belegblock:
Luther, WA
8, 35, 24
(1521
): da der geyst yemand sonderlich bewege odder entzucke ettwas wol tzu betrachten.