dulden,
V.
1.
›etw. zulassen, dulden, erlauben, gelten lassen; das Vorhandensein / die Gültigkeit einer Sache, die Anwesenheit einer Person hinnehmen, akzeptieren‹; vereinzelt auch: ›etw. genießen, sich an etwas erfreuen‹; offen zu 2.
Phraseme:
˹
etw. dulden und leiden, etw. nicht dulden noch leiden
˺ (juristische Bekräftigungsformel).
Bedeutungsverwandte:
füren
,
gestatten
 1; 2; 3,
gutheissen
,
1
leiden
(V., unr. abl.) 4,
vergönnen
; vgl.
1
dolen
 2,
gedulden
 1,
gehengen
,
gelassen
(V.) 1,
geleiden
 3,
gestehen
 13,
hangen
 7,
statten
 2,
tolerieren
.
Gegensätze:
äussern
 3,
entledigen
 1,
strafen
 1; 2,
wiedersprechen
.
Syntagmen:
jn
. (z. B.
den dieb / mörder, Jupiters kinder
)
/ etw
. (z. B.
die lere / sünde / warheit, rechtssprüche
)
d., js. natur die keuschheit nicht d
.;
den babst wie einen tyrannen d
.;
die oberkeit
(Subj.)
d., j., die tauben
[Vögel]
d., das [...], friedlich d., das [...]
;
e. S
. (Gen.obj.)
d
.
Wortbildungen:
duldung
1 ›Erlaubnis‹.

Belegblock:

Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord.
660, 26
(
preuß.
,
1437
/
8
):
Wo von mag es ime komen des sol er nit lenger tulden.
Luther, WA
1, 390, 14
(
1518
):
was zu Rom ader anderwo geschicht adder bepst dulden, kund auch ein iglicher landferrer ader kertschmer woll schwetzen.
Ebd.
2, 178, 16
(
1519
):
werden die ubirherrn geystlich und weltlich gar schwere rechnung geben, die solch mißbrauch dulden.
Ebd.
7, 431, 36
(
1521
):
Eyn Boßer bapst sey nit eyn glid der heyligen Christenheytt. wie wol man yhn dulden muß wie eynen tyrannen.
Ebd.
10, 3, 118, 17
(
1522
):
dartzu solt mann dulden die Creutze, das sie uns reytzen zu gedencken an das Creutz Christi.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
520, 424
(
Magdeb.
1608
):
[Juno] nicht kont / noch wolt dulden schlecht / | Jhres Gemahls Jupiters Kinder.
Ebd.
531, 775
:
Wolten die Tauben nicht mehr dulden / | Das die Weihen [...] | So feindlich jhnen stelten nach.
Ebd.
565, 1855
:
Ehe denn wir friedlich dulden wolten / | Das ander bey vns wohnen solten.
Reissenberger, Väterb.
39524
(
md.
, Hs. 
v. 1406
):
Wann er [der unwandelpär] dann hin gesach | Dulden erlich gemach.
Rosenthal. Bedencken
12, 14
(
Köln
1653
):
eine andere Kirch [...] welche [...] solche Lehr gefuͤrt / gutgeheissen oder geduͤldet hab.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
56, 20
(
thür.
,
1474
):
unde sint solliche rechtspruche geduldet [...] geblebin.
Ebd.
193, 12
:
daz der vater sollichs gedult unde in sollicher zcyt sich des nicht entlediget hat.
Köbler, Ref. Nürnberg
420, 8
(
Nürnb.
1484
):
wo sich begebe das yemant truͤpf oder liecht mit duldung seins nachpawrn genuͤlich her pracht hett.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
141, 36
(
Nürnb.
1548
):
Solchem zorn Gottes sol weltliche Oberkeit wehren / vñ dem Ehestand zu ehren / solches ergernuß keins wegs dulden / noch leyden.
v. Keller, Ayrer. Dramen
3007, 1
(
Nürnb.
1610
/
8
):
Dann ist das nicht ein grosse Pein, | Daß ich solt halten die Keuschheit, | Die mein Natur nicht dult noch leit?
Wickram
4, 19, 11
(
Straßb.
1556
):
Gotslesterung und andere laster geduldet er an keinem.
Päpke, Marienl. Wernher
6468
(
halem.
,
v. 1382
):
Ich
[Jesus]
han menschait an mich genomen | [...] | Das ich nút sunden dulde.
Guth, Gr. Alex.
1963
(Hs. ˹
oobd.
,
E. 14. Jh.
˺):
Sie möhten nit me | Dulden die Kriechen.
Große, Schwabensp.
89a, 11
;
Grosch u. a., a. a. O.
63, 34
;
129, 35
;
204, 30
;
271, 9
;
328, 32
;
Anderson u. a., Flugschrr.
1, 11, 19
;
Lemmer, Brant. Narrensch.
35, 31
;
Chron. Augsb.
1, 101, 21
;
Maaler
93v
;
Henisch
762
;
764
;
Rwb
2, 1149
;
Dietz, Wb. Luther
1, 460
;
Schweiz. Id.
12, 1766
 f.;
Schwäb. Wb.
2, 447
.
Vgl. ferner s. v.
abscheu
(
der/die
) 2,
1
achten
 1,
amptman
,
aufrüstig
 3,
äussern
 3.
2.
›etw. (Schmerzliches, Leidvolles) ertragen, erdulden, aushalten, hinnehmen müssen‹; auch: ›jn. ertragen‹; eng anschließbar an 1.
Phraseme:
etw. tragen und dulden
.
Bedeutungsverwandte:
erleiden
(V., unr. abl.) 3,
ertragen
 2,
1
leiden
(V., unr. abl.) 1; 2,
1
tragen
 4; vgl.
bekiesen
,
1
dolen
 1,
leben
(V.) 9,
paten
.
Wortbildungen:
duldung
2 ›Ertragen‹.

Belegblock:

Schöpper
11a
(
Dortm.
1550
):
sufferre. Erleiden duͤlden ertragen in sich trucken.
Luther, WA
8, 391, 18
(
1521
):
die andern sunde und geprechen befelhn sie tzu dulden und tzu tragen.
Ebd.
31, 1, 60, 28
(
1529
):
zeygt an, das er [Christus] allen andern glaubigen gleych foͤrmig sey in duldung der truͤbsal.
Ders. Hl. Schrifft.
Mt. 17, 17
(
Wittenb.
1545
):
wie lange sol ich euch dulden?
[
Mentel
1466:
leid ich eúch
].
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 157, 3
(
Köln
1610
):
Er duldet gar viel hon vnd spott.
Froning, Alsf. Passionssp.
560
(
ohess.
,
1501ff.
):
woldestu nit grossen schaden dolden, | ßo [...].
Pyritz, Minneburg
4950
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Ach waz ich dann dulde | Grosser not und swerer pin!
Sachs
3, 144, 1
(
Nürnb.
1542
):
Senfftmut, du bist den frawen ehnlich, | Die alle ding tregt, leidt und duld.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew.
19, 22
(
Straßb.
1650
):
sie leiden alles, sie dulden alles, vnd dannoch hat die Liebe bey ihnen kein Ende.
Thiele, Minner. II,
2, 19
(Hs. ˹
nalem.
/
sfrk.
,
1470
/
90
˺):
so weis ich das er ungemach | von mynen wegen duldet.
Chron. Augsb.
9, 355, 1
(
schwäb.
,
1541
):
Das hat Augspurg mit schmertz gedult.
Brandstetter, Wigoleis
231, 42
(
Augsb.
1493
):
wolt fraw larie [...] beyde übel vnd guot guetlich mit jm
[dem
ameis
, ihrem Geliebten]
tragen vnd dulden.
Anderson u. a., Flugschrr.
2, 4, 26
([
Augsb.
]
1523
):
Dz euangeliu͂ strebt dar wid’ lernet [...] schmach / armuͦt / vñ ellend duldñ.
Munz, Füetrer. Persibein
461, 7
(
moobd.
,
1478
/
84
):
dem sag ich, das er dullden múes mein hassen.
Froning, a. a. O.
603
;
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
19, 25
;
Pyritz, a. a. O.
5068
;
Thiele, a. a. O.
7, 283
;
11, 63
;
28, 23
;
Päpke, Marienl. Wernher
1840
;
Weber, Füetrer. Poyt.
252, 7
;
Maaler
93v
;
Henisch
762
;
764
;
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
124
;
Rwb
2, 1149
;
Dietz, Wb. Luther
1, 460
;
Schweiz. Id.
12, 1766
;
Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 45
.
Vgl. ferner s. v.
anerben
 1.
3.
›sich gedulden, warten; mit jm. Geduld haben‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
gedulden
 2,
gelassen
(V.) 11,
geleiden
 2,
patientieren
.

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron.
2248
(
preuß.
,
um 1330
/
40
):
swer dâ dult, der vint den sic; | wiltû gesigin, duldin pflic!
Sievers, Oxf. Benedictinerr.
20, 7
(
hess.
,
14. Jh.
):
Aber in den hochgeziden sollen sie dulden biz zu dische.
Maaler
93v
(
Zürich
1561
):
Duld mich / Hab gedult mit mir.
Schwäb. Wb.
2, 447
.