biegen,
V., unr. abl.
1.
›etw. in eine von der Geraden abweichende Form bringen, krumm machen‹.
Bedeutungsverwandte:
1
beugen
 1,
bucken
(V.) 1; 2,
krümmen
 1,
neigen
 1.

Belegblock:

Schöpper
40b
(
Dortm.
1550
):
inclinare. Biegen […] krümmen beugnen neigen bücken.
Tiemann, E. v. Nassau-S. Kgn. Sibille
170, 20
(
rhfrk.
,
um 1435
):
Otger sweyg vnd bouge sin glene / vnd stach yr eynen dar nider.
Päpke, Marienl. Wernher
6130
(
halem.
,
v. 1382
):
Och siner klaider lúczel was: | Allain ain rok gancz, ungenat, | Von dem da vor geschriben stat, | Und ain mantel och da mitte, | Drú egge, nach der juden sitte: | Zwo eggen warent zů gezogen. | Da mit das hǒptloch was gebogen.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
57, 27
(
tir.
,
1464
):
sein schiltt der hat sich nie verwennkht in dem streit, vnd sein sper das hat sich nie abchert oder gepogen.
Dietz, Wb. Luther
301
;
Voc. Teut.-Lat. t ijr;
Serranus
36v
;
Hulsius B ijr;
Dasypodius
296r
;
Henisch
369
;
Schmitt, Ordo rerum
647, 12
;
Maaler
68v
;
Preuss. Wb. (Z) 1, 595;
Crecelius
1, 159
;
Schwäb. Wb.
1, 1098
.
2.
›etw., bes. den Körper oder einen Körperteil, beugen, krumm machen‹.
Syntagmen:
den rücken, das genik / haupt, die finger b
.

Belegblock:

Bechstein, M. v. Beheim. Evang. L.
13, 11
(
osächs.
,
1343
):
Und sich ein wîp di da hatte einen geist der siecheit achtzcên jâr und was gebogin und inmochte alzůmâle nicht ûfwart gesehin.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
8, 19
(
osächs.
,
2. H. 14. Jh.
):
do han si [rinder] eynen hokir czweyger spannen ho und sint stark sam di elefant; si bygin ouch ir kny wen man si burdit.
Reissenberger, Väterb.
4159
(
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Daz ie wil der lute loben, | Werden die oren virschoben, | Werden die ougen gebogen | Und der munt zů gezogen.
Sachs
17, 290, 17
(
Nürnb.
1562
):
Nun kam ein armer bettelman | Hinein gangen an zweyen krucken | Mit grawem haar und bogem rucken.
Vetter, Pred. Taulers
365, 15
(
els.
,
1359
):
Nu spricht S. Paulus: ,ich búge minú knú‘ und meinde die innewendigen knú, nút die uswendigen.
Cirurgia H. Brunschwig
16
vb, 20 (
Straßb.
[
1497
]):
manchẽ der do sprach im werent die finger krump vñ lã vñ künt sie weder biegen noch streckẽ.
Barack, Teufels Netz
6359
(
Bodenseegeb.
,
1. H. 15. Jh.
):
Landstricher und stirnenstöffel | Sind tag und nacht vol: | Das tuond si armen lüten abstraiffen | Mit hinken, biegen und graiffen, | Das si vor den lüten tuond.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
1, 70
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
er pieg dir sein genikch.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
144, 27
(
oobd.
,
1349
/
50
):
des lewen hals ist ganz durch und durch, aber des halses flaisch ist kruspelot, recht als ob er sei von ainer âdern, dar umb mag er sein haupt niht gepiegen auf den ruck.
Klein, Oswald
42, 97
(
oobd.
,
1431
/
2
):
und tet, wie | ich das gefügen kunde, | zu ir rucken, | freuntlich smucken, | lieplich drucken, biegen, bucken, | ob si mir des gunde.
A. à S. Clara. Glori
39, 22
(
Wien
1680
):
wann du der Christen Gesatz woltest absagen / und den Göttern die Knie biegen / […] daß auch männiglich vor dir die Knie biegen thäte.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
92, 7
(
m/soobd.
,
16. Jh.
):
So aber ainer ainem schlug mit der faust und pueget den daumb und hat sein zeugen, so ist er nichts verfallen.
3.
›sich beugen, krumm machen‹; ütr. zu 2 ›sich fügen, unterwerfen‹.
Bedeutungsverwandte:
neigen
 1.
Gegensätze:
ebenen
 1.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Nicod.
3349
(
nrddt.
,
14. Jh.
):
Swaz uf die erde ie getrat | und in die werlt ie gekam, | daz ist uns her gehorsam | und buget vor unsem gewalt.
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 107, 25
(
Köln
1619
):
Diß soll ewer warzeichen sein, | In Windlein ist er gewunden ein, | Ein Krippen ist sein Wiegen, | Dabey ein Esel vnd ein Rindt, | Sich vor dem Schöpffer biegen.
Kurz, Waldis. Esopus
2, 31, 136
(
Frankf.
1557
):
Der reiche Mann sie doch entpfieng | Mit grosser ehr vnd Reuerentz | Mit neigen, biegen vnd Credentz.
Sermon Thauleri 9v,
34
(
Leipzig
1498
):
vñ sal sich dã williglichẽ in einer gelassẽ leidũge sich demutiglichẽ vnd […] biegẽ.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
116, 35
(
Nürnb.
1548
):
Was wil vns gebüren / das wir mit vnseren kindern thun / die von natur boͤß / vnd zur suͤnden geneygt / vnd wie ein storrichtes knorrichtes holtz sich weder biegen / noch ebnen lassen woͤllen.
Sachs
16, 447, 12
(
Nürnb.
1563
):
Kong und fürsten sich vor im schmugen, | Sich unter sein gehorsam bugen.
Vetter, Pred. Taulers
281, 32
(
els.
,
1359
):
Si och das dir dise steine an din kopf varen, búg dich und huͤt dich das du in nút wider steinest.
Fischer, Eunuchus d. Terenz
62, 13
(
Ulm
1486
):
Bugglot. Vast gebogen vor alter das er sich nit mocht auff richten.
Wolf, Norm im sp. Ma.
25, 4
(
schwäb.
,
15.
/
16. Jh.
):
Ir lieben süne in dem herren, uir haben uns gebogen und genaiget ewren milten gebetten.
Päpke, Marienl. Wernher
2789
(
halem.
,
v. 1382
):
Dú baide [esel und das rind] erkantent wol das kint | Und bugend sich uf irú knie, | Als si Got anbettend hie.
Ebd.
3793
:
War ie fůr das gesinde, | Do nigent dem kinde | Bǒme, tolden, este: | Ir kainer was so veste | Er bog sich als er bettete an | Das kindelin so lobesan.
Ebd.
6773
:
Gegen im hůb er sich enbor | Allumbe, zeruggen und vor, | Das er im wassers gab genůg | Und im úber sin hǒbet schlůg, | Das Ihesus betorfte sich biegen nút | Durch wassers dúnni als ander lút.
Bihlmeyer, Seuse
3098
(
alem.
,
14. Jh.
):
Mugend ir es an minem heren han, | Der mich ain jar hatt erzogen, | in des dienst ich mich gebogen | Han gar willenklichen.
Koller, Ref. Siegmunds
69, 30
(Hs.
Basel
,
um 1440
):
Harumb, getruwen cristen, kumt die zit, das man anslaht an die unrechten, die sich nit biegen wellent bi der hohen vermanung.
Fuchs, Murner. Geuchmat
3664
(
Basel
1519
):
Hetstu zů gaben vnd zů geben, | Als vormals fürtestu ein leben, | wer weißt, sy moͤcht sich lassen biegen | Vnd dich vmb etwas mer betriegen.
Bachmann, Haimonsk.
177, 9
(
halem.
,
1530
):
und schluog Richarden uff sin hälm, das er sich darab bog.
Maaler
68v
(
Zürich
1561
):
Sich Biegen vnd krumb werden.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
479, 5
(
moobd.
,
1473
/
8
):
Dy ors von sporenstichen sich do pugenn | gleich zwain gerevalcken.
Ebd.
562, 4
:
Dich wird vil chummer anstossen | zum jüngsten muess ir gwalt sich gen dir piegen.
Roth, E. v. Wildenberg
1, 5
(
moobd.
,
v. 1493
):
in dem namen des herrn, gegen dem sich alle knie piegen.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
50, 30
(
tir.
,
1464
):
Mein herr, dein sint alle reich vnd alle mechtikhait, vnd alle chnie die piegen sich vor dir.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
77, 28
(
oobd.
,
1349
/
50
):
wirt er dann gejagt von dem luft, sô entzünt er sich, und wâ er krenker ist, dâ peugt er sich sam ain slang.
Ebd.
267, 15
:
diu slang ist unpiegleich, wan si ist sô stärr, daz si sich niht gepiegen mag.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
33, 88
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
nu ler die siben kirchen hie, | wamit man got dien und auch wie, | dem sich mus pigen ieglich knie.
4.
›jn., etw. zu etw. bringen, veranlassen, nötigen‹.

Belegblock:

Reissenberger, Väterb.
8703
(
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Wir wollen den strit biegen | Und endeliche criegen.
Ebd.
14234
:
Und er danne widerstrebe | In im dem criege, | Sine herze daran biege | Mit guten worten die er habe.
Ebd.
30730
:
Idoch wart sin junger sin | Von dem vatere uberzogen, | Daz er mit volge wart gebogen, | Als vater, muter baten.
Ebd.
32562
:
Sich wie der tuvel sich erblet, | Als er sie wolle betriegen | Und von dir [Gott] zu im biegen.
Tittmann, Schausp. 
16
. Jh. (
Nürnb.
16. Jh.
):
für solch kinder Got allzeit sorgt, | die in gotsforcht werden erzogen, | von jugend auf zum guten bogen.
Gille u. a., M. Beheim (
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Dez hend füss czu der wiegen | werden verbunden und gelegt, | daz sich unser hend auff geregt | czu guten werken piegen.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 182, 6
([
Augsb.
]
1548
):
Es ist nicht gůt die person des gotlosen achten / zů biegen den gerechten im gericht.
Maaler
68v
(
Zürich
1561
):
Biegen vnd zů eim ding bringen. Consuadere, Inducere, Inclinare.
5.
›sich in eine bestimmte Richtung wenden, zu etw. hinwenden‹ mit präp. Anschluß.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok.
8855
(
nrddt.
,
14. Jh.
):
Der truc an sins selbes mugent | Alle die sechz houbttugent | […] Als alle die tuen muzen | Die von diser werlde biegen | und in den himel wollen vliegen.
Ebd.
13485
:
Do daz an ein ende quam, | eines arnes stimme ich vornam | Kegen dem himle biegen | Und enmitten da durch vliegen.
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 144, 1
(
Köln
1619
):
Laßt vns diß Kindlein wiegen, | Das hertz zum Kriplein biegen.
Hübner, Buch Daniel
6784
(
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Alle priestre ich meine, | Sulche die sich hie reine | Halden in Gotis ougen, | zu bosheit sich nicht bougen.
Gille u. a., M. Beheim
311, 49
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
nun müssen wir uns scmmiegen | und gen dem leben piegen.
Sappler, H. Kaufringer
30, 43
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
groß leiden habent die käpplein: | sie piegentz hin und krümments her.
Schöpper
73b
.
6.
›etw., z. B. Gesetze, Schrifttum, umdeuten, verändern, verdrehen, verfälschen‹.
Bedeutungsverwandte:
1
beugen
 4.
Syntagmen:
die lere / schrift, das recht b
.

Belegblock:

Anderson u. a., Flugschrr.
12, 7, 2
(
Wittenb.
1522
):
Jr solt auch die schrifftẽ nit mit den horen tzihen / vnd sie bigen / wie ein wichße naßen.
Hübner, Buch Daniel
7106
(
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Liegen en entzwischen gat | Steteclich uf betriegen, | Ir zweier sinne biegen | Hin unde her die valscheit.
Ruh, Bonaventura
329, 16
(
oschwäb.
,
2. V. 15. Jh.
):
im weg der erleuchtung da ist zemergken, wie der glantz der verstantnuß durch betrachtung ist wider zepiegen.
Lemmer, Brant. Narrensch.
103, 6
(
Basel
1494
):
So fynd ich noch die rechten knaben | Die by dem narren schiff vmb traben | Wie sie sich / vnd sunst vil betriegen | Die heilig gschrifft krümmē / vn̄ byegen.
Jörg, Salat. Reformationschr.
347, 19
(
halem.
,
1534
/
5
):
wie Zwinglij / jmm gschrifftt nit wot lan gellten / die leerer eintweders verwarff / oder jre wortt und leer / uff sin meynung boug.
Reithmeier, B. v. Chiemsee
3, 1
(
München
1528
):
Solch wort woellen guoter werch feind vnrecht auslegen vnd piegen auf jren verkerten syn.
Ebd.
13, 13
:
thuon sy doch soehls mit aebichem verstand vnd falser auslegung vnd piegen die schrift auf jren aigen syn.
Ebd.
42, 11
:
Aber erstockhtem willen, der sich weder ziehen noch piegen laesst, ist vorlawffende gnad entzogen.
Klein, Oswald
112, 124
(
oobd.
,
1431
/
2
):
das recht hat gar ain wechsin nas, | es lat sich biegen als der has, | so in der hund pringt in den wanck.
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
86
(
Genf
1636
):
biegen / beugen […] Das Recht biegen.