besinnen,
V., unr. abl.,
auch (seltener) regelmäßig; im Part. Prät. häufiger besint
als besonnen
(Adj.), beides ansatzweise lexikalisiert.1.
›etw. überlegen, bedenken, nach allen Seiten abwägen, gedanklich prüfen‹.Bedeutungsverwandte:
bedenken
beherzigen
betrachten
ermessen
erwegen
gedenken
nachtrachten
überlegen
überschlagen
Syntagmen:
etw.
(z. B. den lon, einen punkt / umstand, die not, das ende, übel und gut
) b., etw. gründlich b., b., das [...] / wie [...]; jm. b.
(subst.) machen; das gute b.
(dazu bdv.: vorbetrachtung
).Wortbildungen
besinnung
fürsehung
prüfung
vernemung
Belegblock:
Schöpper
6a
(Dortm.
1550
): Expendere. Bedenken betrachten erwegen ermessen behertzigen besinnen uberlegen uberschlahen.
Luther, WA
49, 115, 23
(1540
): besinnet euch nicht lang, ob jr sunder seid.
Ders. Hl. Schrifft.
Apg. 10, 19
(Wittenb.
1545
): Jn dem aber Petrus sich besinnet
[
gedachtMentel
: ;
nach trachtetFroschauer
1531: ]
vber dem Gesichte / sprach der Geist zu jm. Chron. Köln
2, 454, 3
(Köln
1499
): mit wat groisser upmirkunge soulden dese punten besunnen ind overdacht werden.
Chron. Mainz
1, 22, 6
(rhfrk.
, 15. Jh.
): da besunen unser frunde von dem alden rade und betrachten, wie sie die sune gehilden.
Jahr, H. v. Mügeln
2174
(omd.
, Hs. 1463
): es ist kein not, das du besinst, | wie dri in einem wesen stan.
Euling, Kl. mhd. Erz.
225, 3
(nobd.
, E. 15. Jh.
): seit einig und besint der armen not | und besint den lon der darnach got.
Voc. Teut.-Lat.
i vijr
(Nürnb.
1482
): Furseeung prufung besynnu͂g od’ vernemu͂g. perpendium.
Mayer, Folz. Meisterl.
2, 12
(nobd.
, v. 1496
): Auch er das end nie psan.
Klein, Oswald
12, 43
(oobd.
, 1431
/2
): Als ichs besinn, | so ist mein frau hoch für si alle mit klügem list | geworcht nach adeleicher art.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
893
(moobd.
, A. 15. Jh.
): wie wol nach gemainem besinnen daz haubet pezzer ist denn der fuez.
Luther, WA
52, 233, 36
; 52, 768, 26
; Kochendörffer, Tilo v. Kulm
6004
; Lappenberg, Fleming. Ged.
356, 6
; Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
8
; 773
; 1498
; Jahr, a. a. O.
260
; 450
; Neumann, Rothe. Keuschh.
2847
; Mollwo, Rotes Buch Ulm
141, 16
; Sappler, H. Kaufringer
26, 2
; Voc. Teut.-Lat.
d vr
; Ulner
57
; Dietz, Wb. Luther
1, 275
; Schweiz. Id.
7, 1062
.‒
Vgl. ferner s. v. anseilen
.2.
›sich besinnen, mit sich zu Rate gehen, in sich gehen, sich über etw. klar werden, Klugheit walten lassen‹; tendenziell resultativ: ›sich entschließen, hinsichtlich einer Alternative entscheiden‹; trans.: jn. b.
›jm. etw. klar machen; jn. zur Vernunft, zu einer Erkenntnis bringen‹.Phraseme:
sich eines anderen besinnen
.Bedeutungsverwandte:
bedenken
betrachten
condiderieren
entrichten
1
entscheiden
erkennen
erwägen
gedenken
nachsinnen
scheiden
trachten
Syntagmen:
sich e. S.
(z. B. der märe
) b.; sich anders / bas / lange / recht b., sich mit fleis b.; sich b., was [...]; jn. b
.Belegblock:
Chron. Magdeb.
2, 153, 22
(nrddt.
, Hs. 1601
): rief und schlug so viel, daß die rumorischen Leute widder besinnet wurden.
Froning, Alsf. Passionssp.
605
(ohess.
, 1501ff.
): das radden ich allen luden glich, | daß yederman besynne sich | und losß em dit nit syn eyn traum.
Thiele, Chron. Stolle
190, 17
(thür.
, 3. Dr. 15. Jh.
): mit grosser arbeit unnd undersagunge besynnete man on kume, das ditte nicht eer ge schege, wann zu deme jungesten tage.
Opitz. Poeterey
17, 21
(Breslau
1624
): Hier mußen wir vns besinnen / in was fuͤr einem
genere carminis
[...] wir zue schreiben willens sein. Stackmann u. a., Frauenlob
9, 5, 7
(Hs. ˹nobd.
, 3. V. 15. Jh.
˺): Ir sult iuch vor besinnen, | den rechten schaz sult minnen | und ouch da bi nach ritterlichen eren streben.
Voc. Teut.-Lat.
d vr
(Nürnb.
1482
): Besynnen entrichten entscheiden schaiden erkenne͂.
Mayer, Folz. Meisterl.
23, 29
(nobd.
, v. 1496
): der mere | Will ich mich, liber vater, pas pesinnen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
66, 13
(Nürnb.
1548
): Keiner ist / wenn er zu eim Fuͤrsten [...] gehen will / der jhm die sach nicht liesse angelegen sein / vnd sich zuuor nicht etwas darauff besinne.
Ebd.
96, 1
: Der zorn hat solches wort herauß gedrucket / das es entfaren ist / ehe sie sich recht besonnen hat.
Rot
300
(Augsb.
1571
): Consyderirn, [...], bedencken / besinnen / betrachten / erwegen.
Ebd.
328
: Meditirn, Trachten / gedencken / nachsinnen / ein ding wol besinnen.
Schlosser, H. v. Sachsenh.
245
(schwäb.
, 1453
): Ich schwaig ain wil und sach in an, | Biß das ich mich besinnet baß.
Henisch
314
(Augsb.
1616
): Sich eines andern besinnen / animum, sententiam mutare [...]. Wer sich recht thut besinnen / Der wirt kein thorheit beginnen. Besinne dich erst was deine schulter tragen koͤnnen.
Guth, Gr. Alex.
2178
(Hs. ˹oobd.
, E. 14. Jh.
˺): Dez wil ich dich besinnen | Umb waz sach daz | Beschach.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
1, 152
(oobd.
, 3. Dr. 14. Jh.
): Toren vichtet torhait an: | seind der erst man sich nicht besan, | wie kan der mensch dann widerstan | der werlt.
Turmair
4, 720, 6
(moobd.
, 1522
/33
): kan man das übrig nit mêr wol lesen, dan es wöll sich ainer lang darauf besinnen und wol nachlesen.
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
560
; Froning, a. a. O.
370
; 559
; Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 49, 2
; 232, 16
; Reichmann, a. a. O.
108, 17
; Roloff, Brant. Tsp.
1187
; Qu. Schweiz. Gesch.
1, 37, 10
; Maaler
62r
.3.
›sich an etw. erinnern‹.Bedeutungsverwandte:
erinnern
Belegblock:
Peil, Rollenhagen. Froschm.
221, 5446
(Magdeb.
1608
): Darauff solt sie jtzt sich besinnen / | Vnd mir auch danckbarkeit beweisen.
Bachmann, Haimonsk.
189, 25
(halem.
, 1530
): Do er daz ersach, do besintt er sich eines krutz, so er einest ǔber mer brǎcht hat.
Maaler
62r
(Zürich
1561
): Jch Besinn mich desse wol / Jch bin deß hãdels eingedenck. Redit animo haec res, Memini.
Henisch
314
(Augsb.
1616
): sich eines dings besinnen / reminisci, recordari, memoria repetere. [...] Ich kan mich nicht besinnen.
Schweiz. Id.
7, 1064
.4.
›etw. ausdenken, erdenken, im Geist entwerfen; etw. erachten; etw. geistig Konzipiertes realisieren‹; insofern: ›jn. schaffen; etw. anstiften‹.Gehäuft Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Wortbildungen:
besan
Belegblock:
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron.
15903
(preuß.
, um 1330
/40
): waz er schutzin hête, | dî schikte er an stete, | dâ er nutze sî besan.
Kurz, Waldis. Esopus
4, 2, 39
(Frankf.
1557
): Will euch erzelen seltzam gschicht, | Die nit auß meinem Ghirn erticht, | Auch nit auß meinem gedenck besunnen.
Mayer, Folz. Meisterl.
7, 10
(nobd.
, v. 1496
): was figur | Hie dis mein red besinnet.
Ebd.
34, 341
: Die ander durch ein mane | An weib der herr besane, | Das was Eva.
Ebd.
58, 28
(um 1480
): Wan du [jungfrow] wert die | Die er dar zu besane.
Euling, Kl. mhd. Erz.
457, 8
(nobd.
, E. 15. Jh.
): hat es aber an dem tag ein wint, | das dewt: ein streyt man do besint.
Bihlmeyer, Seuse
342, 6
(alem.
, 14. Jh.
): der dingen, die man besinnen alder gewoͤrten mag.
Rieder, Gottesfr.
177, 18
(els.
, 15. Jh.
): Disen vorgeschribenen brieff besinnte und besorgete [...] der vorgenante brůder Cůnradt.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin
2, 1, 9
(schwäb.
, 1471
): Als gott geschůff all creatur, | Yeglichs gestalt nach ir vigur, | Als es sein götlich will besan.
Ebd.
1, 21
: Der hailig Crist mit seiner güt | Besan es wol in kurtzer zeitt, | Das aller trost an frawen leitt.
Niewöhner, Teichner
280, 2
(moobd.
, 1360
/70
): Der heilig gaist mit seim ganch | ist an end und anvanch | aller guter werch besan.
Wackernell, Adt. Passionssp. Pf. III,
1481
Var. (tir.
, 1495
/1514
): Dan was der tewfl nit west zw besinnen, | Das khundt aber ich zw wegn pringen.
v. Groote, Muskatblut
1, 4
; Mayer, a. a. O.
11, 77
; Schwäb. Wb.
1, 919
.5.
›etw. entsprechend seinem Ausmaß erfassen, den Sinn von etw. verstehen, etw. erkennen‹.Gehäuft Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Belegblock:
Luther, WA
28, 563, 15
(1529
): wenn das Brot uns genomen wird, so sterben wir hungers. Aber langsam besinnen sie das: wenn uns aber das Wort genomen wird, so [...].
Meisen, Wierstr. Hist. Nuys
1682
(Köln
1476
): Then ys nyet zo besynnen, | Wat wunderlychs kruytz wart gesucht | Zo gemoessz.
Hübner, Buch Daniel
733
(omd.
, Hs. 14.
/A. 15. Jh.
): daz alle clugen | In meisterlichen vugen | Dinen troum nicht besinnen | Mugen.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob
4574
(omd.
, 1338
): Ir antwurten ist anders nicht | Wan daz der mensch besinnet icht | An den creaturen daby.
Neumann, Rothe. Keuschh.
54
(thür.
, 1. H. 15. Jh.
): da man ir reinen togend ynne | eychentlichen wol mach besynne.
Pyritz, Minneburg
4753
(nobd.
, Hs. um 1400
): Min ruwe clegliche not | Niemant reht besynnen kan.
Mayer, Folz. Meisterl.
15, 26
(nobd.
, v. 1496
): Die nümer leffcz, munt, gum noch zung | Auß spricht noch mag besinnen clar, | Dar von ich menschlich hie erzel.
Trunz, Meyfart. Tub. Nov.
55, 7
(Coburg
1626
): die Frewde vnd Herrligkeit des ewigen Lebens / mag nicht mit Worten außgesprochen / nicht mit Gedanken gnugsam besonnen werden.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
37, 129
(oobd.
, 3. Dr. 14. Jh.
): sölch freud chains menschen herz besinnt.
Luther, WA
28, 651, 20
; Kochendörffer, Tilo v. Kulm
5954
; 6114
; Meisen, a. a. O.
1422
; Neumann, a. a. O.
666
; Primisser, Suchenwirt
34, 40
; Spechtler, a. a. O.
10, 124
.6.
›seine Aufmerksamkeit auf etw. richten‹.Belegblock:
Froning, Alsf. Passionssp.
1089
(ohess.
, 1501ff.
): des raubes woln mer myt ernste besynnen! | wer woln auch nyt vorließen darann.
Hübner, Buch Daniel
6758
(omd.
, Hs. 14.
/A. 15. Jh.
): Swen der mensche besinnet | Hie dirre werlde wollust.
7.
›sich mit etw. versehen, ausstatten, ausrüsten; etw. bereit machen‹.Belegblock:
Gille u. a., M. Beheim
327, 125
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): sie waz gar wal pesunnen | mit armbrüst, puchsen gut.
Qu. Brassó
4, 22, 29
(siebenb.
, 1603
/20
): nachdem sie sich zuvor mit allerlei Notdurft wohl besonnen hatten.
Ebd.
5, 450, 42
(1603
): Haben derowegen 6 schöne grawe Ross [...] und etliche Paar Geschirr besunnen und dem Nagj Andras [...] geschicket.