begerung,
die
;-Ø/-e
, auch -en
;beger
, begeren
(das
).1.
›erotisches Verlangen, Begehren, Fleischeslust‹; zu
begeren
(V.) 1.Älteres und mittleres Frnhd.; gehäuft Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
1
lust
unkeuschheit
unreinigkeit
wollust
Belegblock:
Ziesemer, Proph. Cranc. Dan.
11, 37
(preuß.
, M. 14. Jh.
): den got sinir vetir wirt er nicht achten kund wirt sin in begerunge der wibe.
Neumann, Rothe. Keuschh.
167
(thür.
, 1. H. 15. Jh.
): [das ich] habe mich gehalten rein | nicht van des libes lusten alleine | sundern van bossir begerunge.
Ebd.
828
: under mannen ader wiben, | die sich reisen unnd uss smocken | unnd sich zu begerunge vorzocken.
Gille u. a., M. Beheim
21, 70
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): das in mit nicht verser | oder vach die pegerung seines fleisch.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel
2, 190, 15
(Straßb.
1466
): toͤdiget eúwer gelider die do seind auff der erd: die gemein vnkeuschung. die vnreinikeit. die gelust. die boͤß begerung. vnd die argkeit.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
246, 13
(schwäb.
, 14. Jh.
): daz sich die volhertung halte zuo den betrüebden, alse sich die chuschkeit heltet zuo der begerung der böser lüste.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
101, 42
(moobd.
, 1. H. 15. Jh.
): die lieb, die zempt vnd sittigt die wuͤttund menig der fleischleichen pegerung, dew do daz aug […] vinstert.
Karnein, de amore dt.
77, 6
(moobd.
, v. 1440
): wann kaufbar vnd gemayner weib lieb, die niemant versagt wirt, gebürn die schnell begerung.
Neumann, Rothe. Keuschh.
340
; 924
; 1190
; 3166
; Schmitt, Ordo rerum
351, 20
; Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 9
; Diefenbach
265a
; 327a
.2.
›natürliches Bedürfnis nach Essen, Hunger‹; ütr. auch für den Körper, dann in negativer Wertung; vgl.
begeren
(V.) 3.Belegblock:
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 732
(els.
, E. 14. Jh.
): Der lichame, daz ist die begerunge vnd der gelust, der wirt im sere gros, vnd der turst enminret nút.
Plant u. a., Main. Naturl.
297rb, 15
(ohalem.
, Hs. E. 14. Jh.
): Sw
s
aber erbeitet rehter zit biz dc er begerunge gewinnet zessenne der sol alzestunt essen. Ebd.
10
; Schmitt, Ordo rerum
350, 18
; Dief./Wü.
500
.3.
›natürliches Bedürfnis, Verlangen nach etw.; Besitzgier, Konkupiszenz‹; auch metonymisch für den begehrten Gegenstand; vgl.
begeren
(V.) 5.Älteres und mittleres Frnhd.; gehäuft Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Belegblock:
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mk.
4, 19
(osächs.
, 1343
): di missegenge der werlde und bezůckunge der rîchtůme und di begerunge umme andere dinc gên în und vordempfen daz wort.
Strauch, Par. anime int.
46, 1
(thür.
, 14. Jh.
): daz erste ist ein abezihin der begerunge fon allin den dingin di mugelichkeit habin des menschin herze zu inthaldine.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
30, 6
(Hs. ˹omd.
, 1465
˺): alles, das in der werlt ist, ist eintweder begerung des fleisch oder begerung der augen oder hochfart des lebens. Die begerung des fleisch zu wollust, die begerung der augen zu gut oder zu habe.
Vetter, Pred. Taulers
72, 17
(els.
, E. 14. Jh.
): smacken in liebe, in leide, in minnen, in vorhten, in trurikeit, in froͤiden, in begerungen, in jomer.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel
3, 148, 3
(Straßb.
1466
): Do du begertest zegen zů den deinen: vnd dein begerung was daz haus deins vatters.
Cirurgia H. Brunschwig
20rb, 12
(Straßb.
[1497
]): ein sanfft mũdicatiuũ da mit zů reinigen vnnd ab zů ziehenn dot fleisch vnd dz fleisch zů regieren zů begerung der wachsunge.
Quint, Eckharts Trakt.
11, 3
; 218, 3
; Fischer, Brun v. Schoneb.
2453
; Hübner, Buch Daniel
8249
; Strauch, a. a. O.
72, 24
; Gille u. a., M. Beheim
21, 65
.4.
›Erhebung einer Forderung, Verlangen von etw. oder einer Handlung, auf die man einen Anspruch zu haben meint‹; metonymisch auch für den Gegenstand der Forderung; vgl.
begeren
(V.) 6.Belegblock:
Anderson u. a., Flugschrr.
21, 4, 2
([Zwickau
] 1525
): Das aber etlich widder Christen […] wider solche anmutunge vnd begerung sich lenen.
Baumann, Bauernkr. Rotenb.
225, 34
(nobd.
, n. 1525
): so ir sölicher begerung und anfordrung der pillichait uns werdt abschlagen.
Löffler, Columella/Österreicher
1, 43, 24
(schwäb.
, 1491
): Es sol ǒch der herr nit […] hart heltig sin sins rechtes, […], als mit hoͤltzern und andern clainen zůfaͤlligen begerungen, dero sorg den puren mer beschwerung dann nutz bringt.
Mell u. a., Steir. Taid.
28, 10
(m/soobd.
, 1568
): das die armen leut mit abfordrung und begerung der hieoberzelten vererungen ferrer nit beschwert werden.
Turmair 5,
582, 28
; Voc. Teut.-Lat.
g vijv
.5.
›Bitte, Ersuchen um etw. als ein Geschenk oder Entgegenkommen‹; oft im religiösen Sinne; vgl.
begeren
(V.) 8.Gehäuft Texte religiösen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
bittung
heischung
heischen
Syntagmen:
die b. erhören
; b
. (Subj.) etw. wollen, b. unredelich sein
; jn. nach seiner b. erhören
; b. des dürftigen, des herren
(gen. subj.), b. der fürbitte
(Gen.obj.), b. an got, b. um beistand
; ersame / inbrünstige b
.Belegblock:
Bömer, Pilgerf. träum. Mönch
4904
(rhfrk.
, um 1405
): das die begeronge din | Mich nit duͤncket unredelich sin.
Hübner, Buch Daniel
3920
(omd.
, Hs. 14.
/A. 15. Jh.
): Do Adam sterben solde, | Sin begerunge wolde | Han ol der barmherzikeit.
Rosenthal. Bedencken
30, 5
(Köln
1653
): mit andaͤchtiger begehrung jhrer Fuͤrbitt vmb ein seeliges […] End.
Vetter, Pred. Taulers
399, 11
(els.
, E. 14. Jh.
): so sol man es úberwinden mit starkeme urteile und mit tieffer demuͤtekeit und mit innigem hertzelichem gebette und begerungen an Gotte.
Wolf, Norm im sp. Ma.
24, 3
(oobd.
, 1486
): mit zwtailen ein gutwilligen gunst den ersamen wegerungen der pitunden.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron.
64, 21
(moobd.
, 1478
/81
): was ihr begerung umb sölich iren ritterlichen beistandt wär.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
105, 7
(tir.
, 1464
): da erhöret mich der ersam Jeronimus genuegsamikchleichen in meinem gepët nach meiner pegerung.
Bömer, a. a. O.
3203
; Reissenberger, Väterb.
29210
; Gille u. a., M. Beheim
440, 47
; Spiller, a. a. O.
109, 11
; Bauer, a. a. O.
20, 18
; Piirainen, Stadtr. Sillein
36b, 39
; Voc. Teut.-Lat.
g vijv
.6.
›Wunsch, psychisches Verlangen nach einem erstrebten Zustand‹; vgl.
begeren
(V.) 10.Älteres und mittleres Frnhd.; gehäuft Texte religiösen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
anmutung
wunsch
Syntagmen:
die b. tun, b. aus dem kloster haben
; sich wieder die b. aufbäumen, mit b. etw. begeren
; b. des vaters
(gen. subj.).Belegblock:
Quint, Eckharts Pred.
2, 364, 3
(E. 13.
/A. 14. Jh.
): Die wîle man der dinge begert, sô enhât man ir niht. Sô man sie hât, sô minnet man sie; sô vellet begerunge abe.
Feudel, Evangelistar
23, 30
(omd.
, M. 14. Jh.
): Ir syt von dem vatere des tuveles unde dy begerunge uwirs vatirs wollet ir tun.
Gerhardt, Meister v. Prag
98, 7
(Hs. ˹nobd.
, 1477
˺): mit begerung hab ich begert die oster speis mit euch zcu essen.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
1, 344
(els.
, E. 14. Jh.
): Dan wahsent do zwene berge, das ist zweier hande begirde: […]. Dise zwene berge sint hoͤher denne der hymel, wan dise begerungen ruͤrent got sunder mittel vnd begerent siner frien miltekeit.
Rieder, St. Georg. Pred.
56, 14
(Hs. ˹önalem.
, 1387
˺): vier begerung sint in der sele, daz ist: girde, vohrt, liep und lait.
Drescher, Hartlieb. Caes.
79, 22
(moobd.
, 1456
/67
): das er hinfúr […] nicht mer begerung aus dem chloster hett.
Steer, Schol. Gnadenl.
6, 9
(moobd.
, 15. Jh.
): Gnad vnd frid, […], werden ew gemert, das ist mein wunsch vnd begerung.
Bömer, Pilgerf. träum. Mönch
6207
; Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk.
22, 15
; Joh. 8, 44
; Gille u. a., M. Beheim
161, 318
; Dietz, Wb. Luther
1, 230
; Preuss. Wb. (Z)
1, 466
.7.
›innerhalb eines geregelten Sozialbereichs, vor allem im Rechtswesen, vorgetragener Antrag auf Ausführung eines Anliegens; Willensbekundung‹; vgl.
begeren
(V.) 10.Bedeutungsverwandte:
1
bete
Belegblock:
Wyss, Limb. Chron. U
120, 57
(mfrk.
, 1371
): daz ich […] besetzen in disem testamento mẏt gantzer rechtlicher begerunge […] mẏn selegerede.
Küther, UB Frauensee
223, 1
(thür.
, 1447
): und habin or daruber nach yren begerunge zcu vormunden gegebin.
Köbler, Ref. Wormbs
67, 32
(Worms
1499
): nach gethaner Appellacion vnd begerung der apostel.
Opel, Spittendorf
492, 29
(osächs.
, um 1480
): Solche euer furstlichen gnaden […] meinunge, anbringen und begerunge sind im rathe erzalt.
Chron. Augsb.
9, 145, 5
(schwäb.
, 1544
/5
): darumbe, daß die begerungen der gmaind dester sicherer vor mencklich fürgiengen.
Köbler, Ref. Nürnberg
87, 2
; Rwb
1, 1414
.8.
›religiöse Sehnsucht, mystisches Sehnen, Verlangen‹; zu
begeren
(V.) 12.Beleghäufung im 14./15. Jh.; vor allem Texte der Mystik.
Syntagmen:
die b. erfüllen / verliesen / weiten, b. (nach jm. / zu etw.) haben
; der b. begeren / behaben
; b. etw. begeren, b. lauter / götlich sein
; von der b. ungefasset bleiben
; b. ewiger dinge, der ewigkeit / arznei / leidung, des paradieses, himlische / aufkriegende / grosse / feurige / heisse / hitzige / innewendige / liebliche / minnigliche / unmässige b., grosheit der b
.; einfältig an der b., langbeitsamkeit in der b
.Belegblock:
Quint, Eckharts Pred.
2, 304, 1
(E. 13.
/A. 14. Jh.
): Allez daz, daz diu verstantnisse begrîfen mac und daz diu begerunge begern mac, daz enist got niht.
Ebd.
363, 10
: Wille hât zwei werk: begerunge und minne.
Ebd.
567, 4
: daz wir mit ganzem herzen ûfklimmen süln mit begerunge ze dem himel.
Ebd.
615, 4
: Unmâzen grôze begerunge sölten wir haben ze der einunge unsers herren gotes.
Strauch, Par. anime int.
115, 27
(thür.
, 14. Jh.
): daz Got wirkit in der sele dru dinc: […]; daz andere ist ein ufcriginde, ein furige begerunge, mit der sal man erbeidin.
Jostes, Eckhart
95, 30
(14. Jh.
): In disem tot verleuset di sele alle begerung und alle bild.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
11, 8
(osächs.
, 2. H. 14. Jh.
): do vant man vil di durch begerunge des paradys gingen in den tod.
Vetter, Pred. Taulers
20, 17
(els.
, E. 14. Jh.
): wie man die geburt sůchen sol […] durch langbeitsamkeit in den begerungen.
Rieder, St. Georg. Pred.
11, 5
(Hs. ˹önalem.
, 1387
˺): her umb sol man louffen ân underlâss mit begerung, mit worten, mit gedaͤnken und mit allen gůten werchen.
Ebd.
266, 28
: Der fúnfte ast ist begerung, daz der mentsche únsers herren begere mit allen sinen sinnen.
Piirainen, Stadtr. Sillein
39b, 31
(sslow. inseldt.
, 1378
): der wirb mir hymelische begerung.
Quint, a. a. O.
1, 303, 7
; 2, 245, 7
; 303, 4
; 304, 2
; 492, 1
; 604, 4
; 6; 605, 8
; ders., Eckharts Trakt.
274, 2
; Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
4329
; Strauch, a. a. O.
2, 10
; 18, 8
; 34, 28
; 47, 27
; 137, 33
; Jostes, a. a. O.
20, 38
; 81, 8
; 112, 3
; Sermon Thauleri
13r, 12
; 16v, 31
; Bihlmeyer, Seuse
170, 5
; 196, 10
; 314, 9
; Vetter, a. a. O.
20, 22
; 51, 10
; 123, 4
; 220, 22
; Steer, Schol. Gnadenl.
3
A2, 312; Ruh, Bonaventura
343, 22
; Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
187, 24
; 335, 16
; Rieder, a. a. O.
18, 4
; Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
95, 82
; 103, 8
; Höver, Bonaventura. Itin. B
57
; Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
67, 1
; Kirmsse, Tauler.
1930, 30
.