1
aue,
die
;
-n/-n.
1.
›Land am Wasser, Uferland, feuchtes, wasserdurchflossenes Land, feuchte Wiese‹; in rechts- und wirtschaftsgeschichtlichen Texten teils als Flurname gebraucht, in literarischen Texten oft ütr. und bildliche Verwendung, teils in der Funktion des locus amoenus; offen zu 2; 3.
Leicht überwiegend literarische, häufig auch rechts- und wirtschaftsgeschichtliche Texte.
Bedeutungsverwandte:
brül
,
wert
.
Syntagmen:
die a. nützen
;
mit dem vieh in die a. faren, bäche durch die a. fliessen
; ˹ütr.:
jn. auf der a. weiden
˺;
anlaufung
(›Überschwemmung‹)
der a.
;
fische in der a.
;
a. der vernunft
(gen. def.);
des herzen a.
(Metapher für eine Frau);
schöne a.
;
a. bei dem wasser.
Wortbildungen:
au(en)häusler
›auf einer Aue ansässiger Häusler‹;
hinaue
(aus
hin aue
, ›stromabwärts‹; dies auch ütr.: ›mit der Strömung‹).

Belegblock:

Luther. Hl. Schrifft.
5. Mose 8, 7
(
Wittenb.
1545
):
Gott füret dich in ein gut Land [...] da beche vnd brünnen vnd seen innen sind / die [...] in den Awen fliessen.
Ebd.
Ps. 23, 2
:
Er weidet mich auff einer grünen Awen / Vnd füret mich zum frisschen Wasser.
Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica
331
(
schles. inseldt.
,
1465
):
den garthin beÿ Mechil Gotwerthczs obir der awen.
Gille u. a., M. Beheim
52a, 38
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
hin auf die aw | was in [gens] peger.
Mayer, Folz. Meisterl.
72, 6
(
nobd.
,
1517
/
18
):
Floß in die schoß | Meins herczen | Deiner genaden daw, | Durch feucht die aüv | Meiner vernünft | Mit deines heilles wage!
Matthaei, Minner. I,
1, 642
(Hs. ˹
nalem.
,
1459
˺):
ich sach die aller schoͤnste öwe | [...]. | nicht von zierd ir gebrach: | von bluͦmen, bluͤten und graß | mit allen varben bedeckt waß. | ain clares wasser dar durch ran, | da saß manger fogel an.
Thiele, Minner. II,
13, 371
(Hs. ˹
nalem.
/
sfrk.
,
1470
/
90
˺):
sie [wib] ist mynr frewdenn sal, | ein meyen insel werd, myns herczen awe.
Ebd.
32, 859
:
da sach ich beche dor auwen vliessen, | doircht gras sach ich die blomen spriessen.
Hauber, UB Heiligkr.
2, 75, 11
(
schwäb.
,
1418
):
an holtz an velde an wygern [...] an egerden an owen an werde.
Henisch
156
(
Augsb.
1616
):
Auff ein aw vnd gaw enden sich vil namen der oͤrter / Staͤtt vnd Doͤrffer / so an den thaͤlen vnd waͤssern ligen / als Burgaw / Creichgaw.
Niewöhner, Teichner
535, 20
(Hs. ˹
oschwäb.
,
1368
˺):
ez [guͦt] sol nieman hin naw tragen, | nuͦr die grozz guͦt besauzzen.
Ebd.
464, 373
(Hs. ˹
moobd.
,
1370
/
80
˺):
David spricht: ‘hin nawe | gent si all in sünden schawe’.
Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein
169b, 7
(
moobd.
,
1446
):
Dieselben aw und vischwaid wir von baiden steten [...] genüczt [...] habent.
Munz, Füetrer. Persibein
17, 7
(
moobd.
,
1478
/
84
):
pey ainr aw da floß menng pründlein kallde.
Turmair
4, 54, 10
(
moobd.
,
1522
/
33
):
das macht groß weit sê, auen und werd, künigreich und march, so man in latein insl nent.
Bretholz, Liechtenst. Herrsch.
35, 2
(
smähr. inseldt.
,
1414
):
de wis zw Mwschaw [...] niderhalb des pawngarten gegen der aw.
Thiele, a. a. O.
6, 28
;
Merk, Stadtr. Neuenb.
70, 1
;
Niewöhner, a. a. O.
535, 46
;
Weber, Füetrer. Poyt.
152, 6
;
Siegel u. a., Salzb. Taid.
330, 45
;
Winter, Nöst. Weist.
1, 503, 17
;
Rwb
1, 846/47
;
Schles. Wb.
1, 56
;
Pfälz. Wb.
1, 359
;
Bad. Wb.
1, 77
;
Schwäb. Wb.
1, 352
;
Schweiz. Id.
1, 516
;
Trübner, Dt. Wb.
1, 133
.
2.
in einem Beleg (s. u.
Turmair
) wohl ›Insel‹; in der Paarformel
zu lande und zu auen
, die auf der Bed. ›Insel‹, aber auch auf 1 beruhen könnte: ›überall‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
allenthalben
 1,
allerseits
 2.

Belegblock:

Turmair
4, 167, 11
(
moobd.
,
1522
/
33
):
ist auß haissen der römischen pfaffen in ein öde au verschickt worden.
Koller, Ref. Siegmunds
342, 11
(Hs. ˹
Augsb.
,
um 1440
˺):
Er soll heyssen Friderich, er soll auch alle reich zü fride bringen zü lande und zu auen.
Ebd.
343, 31
.
3.
›fruchtbares Wiesenland, Wiesenfläche, Grasland, Weidefläche; einzelnes Wiesenstück‹; auch: ›Feld‹; teils Verwendung als Flurname, in literarischen Texten Funktion als locus amoenus.
Einerseits literarische, andererseits rechts- und wirtschaftsgeschichtliche Texte.
Zur Sache:
Bader, Rechtsformen.
1973, 121
.
Bedeutungsverwandte:
1
anger
 1,
grund
 6,
lustgarten
,
weide
,
wiese
,
wiesmahd
; oft im Orientierungsfeld
1
berg
 1,
egerde
,
feld
,
1
heide
 1,
küeaue
,
tal
 1,
wald
und in poetischen Texten ohne genaue inhaltliche Bestimmbarkeit der Einzelausdrücke.
Syntagmen:
die a. brennen
;
a. klingen, grün sein, a. hinter dem anger / enhalben
[eines Baches]
liegen
;
der a. regen bringen
;
durch die a. reiten, rosen
(usw.)
durch die a. dringen
;
von der a. zinsen, auf der a. grünen, in der a. weiden
;
grüne
(oft)
/ weite / luftige / himlische / schöne a.
;
blume in der a., garten auf der a.
;
a. der anschaue
(gen. explicativus).

Belegblock:

Thielen, Gr. Zinsb. Dt. Ord.
116, 35
(
preuß.
,
1437
/
8
):
so czinset die stad von erer auen von 18 ½ huben.
Wyss, Limb. Chron.
65, 23
(
mfrk.
,
2. H. 14. Jh.
):
Ez grunet mir in dem herzen min als uf der auwen.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob
7025
(
omd.
,
1338
):
Si dringen mich uz der ouwe | Der suzlichen ane schouwe | Der ersten warheit sunder spot, | Di alleine heyzet Got.
Luther. Hl. Schrifft.
Ps. 65, 14
(
Wittenb.
1545
):
Die anger sind vol Schafen / vnd die awen stehen dick mit Korn.
Ebd.
Jer. 6, 2
:
Die tochter Zion ist / wie eine schöne vnd lustige Awe.
Gille u. a., M. Beheim
337, 16
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
ir [vagel] fradenreicher schal | Erklang durch perg und tal. | in diser grunen awen | vand ich die schönsten frawen.
Bihlmeyer, Seuse
172, 17
(
alem.
,
14. Jh.
):
Wie [...] der wald und heid und owen mit der nahtgal [...] suͤssem gesang widerhellent.
Merk, Stadtr. Neuenb.
113, 3
(
nalem.
,
1616
):
Sie sollen auch kein aw brennen, sonder, wann sie sehen oder vernehmen, daß ein aw brenne oder gebrennt were, erkundigen, wer solches geton.
Vock, Urk. Hochst. Augsb.
241, 29
(
schwäb.
,
1374
):
an holtzmarcken, an awen, an egerden, an geruͤtin.
Hauber, UB Heiligkr.
2, 76, 6
(
schwäb.
,
1418
):
mit garten mit aͤckern mit wisen mit egerden mit oͤwen mit wytraitinen.
Kummer, Erlauer Sp.
4, 330
(
m/soobd.
,
1400
/
40
):
Ja ließ ich meinen mandel in der aue, | Do wegund mich frogen meine fraue, | wo ich gewesen waͤre.
Thielen, a. a. O.
30, 37
;
Froning, Alsf. Passionssp.
1807
;
Karsten, a. a. O.
12974
;
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
10, 7
;
Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica
132, 30
;
Gille u. a., a. a. O.
333, 23
;
343, 8
;
Kehrein, Kath. Gesangb.
2, 452, 13
;
Bihlmeyer, a. a. O.
452, 6
;
Matthaei, Minner. I,
1, 681
;
Tobler, Schilling. Bern. Chron.
1, 392, 30
;
Klein, Oswald
21, 16
;
34, 14
;
100, 7
;
Munz, Füetrer. Persibein
336, 2
;
Bretholz, Liechtenst. Herrsch.
304, 29
;
Voc. Teut.-Lat.
c iiijv
;
Schöpper
73a
;
Harsdoerffer. Trichter
3, 132
;
Trübner, Dt. Wb.
1, 134
;
Öst. Wb.
1, 428/29
.
4.
›Landschaft, Gegend‹; Generalisierung zu 1 bis 3; auch als Raumbezeichnung verwendet.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
art
(
die
) 6.

Belegblock:

Mone, Adt. Schausp.
1, 1138
(Hs. ˹
omd.
,
1391
˺):
daz wir uz der betrubeten awe
[›Erde‹]
dir mussen alle volgen schir.
Bihlmeyer, Seuse
211, 11
(
alem.
,
14. Jh.
):
ach ir lebenden stein, ir wilden rein, ir liehten oͮwen.
Matthaei, Minner. I,
2, 262
(Hs. ˹
nalem.
,
1459
˺):
es ist frow Er | mit andern wainenden frowen, | die hie inder wuͤsten owen | all gar min nächbuͤrin sind.
Turmair
4, 36, 16
(
moobd.
,
1522
/
33
):
Dises land het zwô reichstet: Noremberg, Weissenburg, so in kaiserlichen briefen ‘an Norkamer au’ zue genant wird.
5.
›Hausbereich‹.

Belegblock:

Winter, Nöst. Weist.
3, 430, 25
(
moobd.
,
1660
):
daß [...] ainer ainen dieb deß nachts [...] in seiner auwe oder in seinen gemach und an seinem guet funt.
6.
in Verbindung mit genitivus definitivus oder Adjektivattribut für die Bezugsgröße bzw. den Eigenschaftsträger gebraucht, die der Genitiv bzw. das Adjektiv bezeichnen:
himlische a.
(›Himmel‹),
der augen a.
; anzuschließen an die literarischen Verwendungen von 1 und 3.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok.
7352
(
nrddt.
,
14. Jh.
):
Daz dutet sus: ich und ir | Wir suln uns sament vrowen | In den himelischen owen.
Hübner, Buch Daniel
5994
(
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Alda begund ich schoͮwen | Vor miner ougen oͮven | Schinberlichen einen ster.
Ebd.
7503
:
Do geschach daz sie gemeit | Gienc nach irre gewonheit | Dort in des gartin ouwen.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
1, 73
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
Lob aller frawen, | la dich schawen | in himels awen.
7.
als Metapher mit vorangestelltem Adjektivattribut für Maria, die Mutter Christi, gebraucht; anzuschließen an die ütr. Verwendungen von 1 und 3. - Hinsichtlich des weiteren Metapherngebrauchs für Maria vgl.
adelsarg
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok.
7949
(
nrddt.
,
14. Jh.
):
Daz die gotheit ummecleit | Nam in der gruenen owe, | Do daz wort unser vrowe | Des ewigen vater entpfienc.
Mayer, Folz. Meisterl.
82, 110
(
nobd.
,
1517
/
18
):
Mit grosser freüd | Und eügelweid | Want er pey dir, jünckfrawe, | Sam in eim küllen thaue, | Dw lüst plüende awe!
Spechtler, Mönch v. Salzb.
20, 31
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
in grüener awen | parg sich Emanuel.