anstehen,
V.,
unr. – Auffallend heterogenes Bedeutungsfeld; nur 6-12 deutlich zusammengehörig; vgl. generell: Schweiz. Id. 11, 597
-610.1.
›an etw. (z. B. einem Berg) stehen‹.Belegblock:
Dietz, Wb. Luther
103
.2.
›sich in seiner Mächtigkeit sichtbar darbieten (von Erzlagerungen gesagt)‹.Belegblock:
Heinzerling/Reuter, Siegerl. Wb.
16
.3.
›ein Hindernis finden‹.Belegblock:
Schwäb. Wb.
1, 207
; Schweiz. Id.
11, 599
.4.
als Ra. es steht oben an
›j. ist betrunken‹.Belegblock:
Schwäb. Wb.
1, 267
.5.
›in Dienst treten, eine Stelle, Tätigkeit antreten, mit einer Tätigkeit beginnen; auf den Plan treten, auftreten‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. angehen
Gegensätze:
vgl. abgehen
Belegblock:
Müller, Grafsch. Hohenb.
2, 275, 21
(schwäb.
, 1458
/59
): Bentz Roff ist als Landschreiber angestanden auf 29. März 1459.
Mollwo, Rotes Buch Ulm
254, 5
(schwäb.
, 1394
): ain lernknab soll geben ain halben gulden in ir buͥchs, ee er anstand.
Chron. Augsb.
6, 59, 26
(schwäb.
, 1534
): so es [korn] hinauf kam zuͦ 27 ß d., da stunden die Fugger an und gabens irem dienstvolck [...] umb fl 3 und 2 ½ fl.
Shess. Wb.
1, 298
; Schwäb. Wb.
1, 267
; Schweiz. Id.
11, 607
; Rwb
1, 738
.6.
›an der Reihe sein, drankommen‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. anreien
Belegblock:
Herzog, Landsh. UB
303, 33
(moobd.
, 1532
): sulen wir oder die, den die stevr der vier iare versprochen [...] werdent, ansten vnd die ane alle vnderpuͤnde aufheben.
7.
›bevorstehen, drohen (von negativ bewerteten Bezugsgegenständen)‹; an das reich anstehend
›als Kaiser vorgesehen‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. 1
anliegen
künftig
Belegblock:
Kurz, Waldis. Esopus
1, 57, 8
(Frankf.
1557
): Wie er lang het gearbeit nu, | Zerran jm an Speiß vnd an Brodt, | In drang die anstehende not.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
59, 6
(osächs.
, 2. H. 14. Jh.
): wen yn anstet eyn urloge, | das volbrengin si mit gelde.
V. Anshelm. Berner Chron.
4, 72, 20
(halem.
, n. 1529
): in anstonder letsten not sant der Meylaͤndsch herzog haruss zuͦn Eidgnossen sine treffenlichste botschaft.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
533, 40
(m/soobd.
, 16.
/17. Jh.
): wo etwan dem gottshausz oder markt ain gefahr oder noth anstuende.
Roth, E. v. Wildenberg
21, 8
(moobd.
, v. 1493
): es ist auch eben zu vermercken, das die drei keiser - Julius, Octavianus und Tiberius - ir jedweder den negsten nach im an das reich ansteendt im zwͦ einem son hat adoptiert.
Schöpper
46a
; Rwb
1, 738
.8.
›unerledigt, unausgeführt sein, nicht zur Ausführung kommen, unterlassen werden (von Handlungen)‹; oft Verschiebung des Subjekts von der Handlung auf die Sache, auf die sich eine Handlung bezieht.Syntagmen:
etw.
(z. B. heu / stro / geld / schuld / gebrechen
) a.
; etw.
(z. B. die predigt / lere / strafe / steuer / das schwören / schreiben / leren
) a. lassen
; etw.
(Subj., z. B. der eid, das gelübde, die pfändung
) a. bleiben
; ungeld unbezalt a. lassen.
Belegblock:
Chron. Magdeb.
2, 67, 28
(nrddt.
, 1565
/66
): der vom Zolle schos nach S. Johans Kirchen, also das man die predigt daselbst muste anstehen lassen.
Boon, St. Prätorius
39, 24
(Ülzen
1579
): sol man das schreiben vnd leren nicht lassen anstehen / so lange die welt wehret.
Loesch, Kölner Zunfturk.
2, 586, 7
(rib.
, 1468
): etliche pandonge vurgenoimen habe, die doch up die zijt bleif anstaen.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
49, 31
(thür.
, 1474
): daz eß umbe dy register guttlichin anstehen solle biß so lange, daz schulde unde antwert met rechte gescheyden sint.
Ebd.
241, 26
: wy daz er yn vorsatczt habe vor ettlich summe geldes unde hat yn des nicht [...] erlost, sundern nach virczig gulden anstehen.
Luther, WA
41, 325, 11
(Wittenb.
1535
): Solt man nu die straff gar lassen anstehen und die barmhertzigkeit auch jnn das ampt setzen.
Mayer, Folz. Meisterl.
25, 67
(nobd.
, v. 1496
): schuld | Die gar lang zeyt an stunde.
Baumann, Bauernkr. Rotenb.
350, 26
(nobd.
, n. 1525
): das der aid, den man inen tun sollt, ansteen bleyben sollt, biß sie selbs ire rete hieher gein Rotenburg schicken wurden.
Chron. Augsb.
7, 192, 7
(schwäb.
, zu 1550
): darunter vil guͦter, armer handwercksleut waren und ires gelts wol bedorften, dann etlichs lang angestanden.
Ebd.
8, 187, 7
(schwäb.
, zu 1562
): wöliche [...] das ungelt lenger onbezalt ansten lassen.
Ebd.
346, 18
: in disem 1548. jar, wie man zue Augspurg die burgermaister gewelt und [das schweren] ain zeit angestanden - etwas lenger, [...], von des reichstags wegen und nit guet, das zů lang anstehen zuͤ lassen.
Zingerle, Inventare
136b, 14
(tir.
/vorarlb.
, 1487
): Hew vnd strew sol ansteen, vntz man bericht wurdt, ob das meinem gned. hern oder dem phleger zugehort.
Roth, E. v. Wildenberg
91, 8
(moobd.
, v. 1493
): beleib ansteen das gelübd und verheissen bischof Prunos.
Wackernell, Adt. Passionssp. Pf. I,
3, 288
(tir.
, 1486
): Lieben ritter, ier seyt so in grossen sorgen! | Lat dy red an sten huncz morgen.
Mell u. a., Steir. Taid.
14, 36
(m/soobd.
, 1568
): die steurn inmassen bishero nit ansteen und zusamen haufen lassen.
Chron. Magdeb.
2, 77, 13
; Opel, Spittendorf
56, 4
; 10
; 60, 14
; Gille u. a., M. Beheim
99, 1001
; Bernoulli, Basler Chron.
5, 253, 5
; Bachmann, Haimonsk.
34, 36
; Spiller, Füetrer. Bay. Chron.
204, 28
; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
430, 19
; 456, 32
; Maaler
27r
; Pfälz. Wb.
1, 283
; Dietz, Wb. Luther
103
; Schweiz. Id.
11, 599
-603; Rwb
1, 738
; Haltaus
44
.9.
›etw. auf sich beruhen, unbeachtet, unberücksichtigt lassen‹; ›von jm. (z. B. seiner Wahl) absehen‹.Belegblock:
Luther, WA
32, 28, 23
(Wittenb.
1530
): als liessen wir die lere von guten wercken und dem heiligen Creutz und leiden anstehen.
Ebd.
30, 2, 639, 29
(1530
): Wer mein dolmetzschen nicht wil, der las es anstehen.
Karnein, de amore dt.
188, 105
(moobd.
, v. 1440
): Daz wil ich nu lassen ansteen.
Roth, E. v. Wildenberg
144, 5
(moobd.
, v. 1493
): nun dewͦcht mich guͦt, das wir die all drei liessen ansten und der keinen erwelten zuͦ konig.
Sachs
14, 101, 3
; Heidegger. Mythoscopia
40, 25
.10.
›sich (bis zu einem bestimmten Zeitpunkt) hinziehen, dauern; etw. verzögern‹.Bedeutungsverwandte:
aufhalten
verziehen
anstellen
Belegblock:
v. d. Broek, Spiegel d. Sünders
264, 10
(Augsb.
1476
): das du ime das lehen lassest lenger anston vnd im lenger frist dartzuͦ gebest.
Chron. Augsb.
7, 485, 23
(schwäb.
, zu 1563
): stuend nit mer dann ain wochen an, da kamen fünf personen.
Ebd.
492, 40
(zu 1564
): stuend an bis auf den freitag [...], da kam der doctor und artzet und pfleger zuͤsamen.
Turmair
5, 424, 2
(moobd.
, 1522
/33
): Es bleibt nichts in die leng ungerochen, solt es halt tausent jar anstên.
Chron. Augsb.
7, 94, 3
; 490, 10
; Ulner
422
/23; Preuss. Wb. (Z) 1, 181;
Rwb
1, 738
.11.
›anhalten, ruhen, stille halten‹.Belegblock:
Mayer, Folz. Meisterl.
3, 59
(nobd.
, v. 1496
): Des ir gemüt er kracht | In alltem neit, der nie stund an.
Schwäb. Wb.
1, 267
; Rwb
1, 738
.12.
›in etw. (im Beleg: im Gebet) verharren, anhalten‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. anhalten
Belegblock:
Kurrelmeyer, Dt. Bibel
2, 49, 3
(Straßb.
1466
): Frewet euch mit zuͦuersicht: seyt gefridsam mit dem durechten: anstet dem gebet.
13.
›mit jm. abrechnen‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. abrechen
Belegblock:
Chron. Augsb.
6, 22, 15
(schwäb.
, 1516
): wardt mir geben zum voraus hundert und fünftzigk gulden; darnach stunde ich mit inen an.
14.
›eine Forderung an jn. richten‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. ansprechen
Belegblock:
Siegel u. a., Salzb. Taid.
28, 21
(smoobd.
, Hs. 1625
): täte er des nit und stiend inne mit gerichtswillen nit an.
Rwb
1, 738
.15.
›sich auf etw. richten, nach etw. trachten‹.Belegblock:
Goldammer, Paracelsus
6, 215, 24
(1530
): am selbigen ort, do er gestanden ist, do wollen wir ihn anbeten. das ist: all unser herzen durch die ganze welt standen an dasselbige ort Effrata [...] und gedenken an sein wandlen auf erden.
16.
›bei etw. (z. B. einem Kauf) mitmachen, mittun, mitbezahlen‹.Belegblock:
Schwäb. Wb.
1, 267
.17.
›jn. zu stehen kommen, kosten‹.Belegblock:
Lemmer, Brant. Narrensch.
74, 10
(Basel
1494
): Keyn hasen / repphuͦn / vohet man | Es statt eyn pfundt den jaͤger an.
18.
›jm. in bestimmter Weise anstehen, zu jm. passen, sich für jn. geziemen (von Haltungen und Verhaltensweisen gesagt); js. Stellung entsprechen (von Konkretem gesagt)‹; phrasematisch: jm. stehet etw. nicht an
›etw. ziemt sich nicht für jn.‹.Bedeutungsverwandte:
gebüren
gezemen
ziemen
zubehören
zustehen
angehören
Syntagmen:
jm. wol / übel
(jeweils mehrmals) / erlich / scheuslich / wirs a.
; jm. a., zu [...] / das [...]
; etw.
(z. B. haus / tanz
) jm. wol
(usw.) a.
Belegblock:
Große, Schwabensp.
58a, 10
(Hs. ˹nd.
/md.
, um 1410
˺): daz den vrowen wirs an stet, sulen se nach almusen gan.
Henschel u. a., Heidin
982
(nobd.
, um 1300
): Ich wil evch geben einen rat | Der eweren eren wol anstat.
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 129, 5
(Nürnb.
1631
): Ein schoͤn Hauß stund mir auch wol an, | Gib daß ich eins bekommen kan.
Sudhoff, Paracelsus
8, 238, 40
(1530
): wiewol inen erlicher anstünd, die zeit von got zulesen.
Thiele, Minner. II,
16, 253
(Hs. ˹wobd.
, 15. Jh.
˺): denn kain fröw sol sich nieman an | das sú úber krieg kain män, | wen es in gar úbel an stät.
Lemmer, Brant. Narrensch.
21, 13
(Basel
1494
): Es stat eym lerer vbel an | [...] | Wann er das laster an jm hat | Das vbel ander lüt an stat.
Maaler
27r
(Zürich
1561
): Thuͦn das einem weysen mañ nit Anstadt.
Primisser, Suchenwirt
41, 1539
(oobd.
, 2. H. 14. Jh.
): Jch wuͤnsch, daz es ir wol behag, | Di unser suͤnd vertilgen mag, | Als ir genaden wol an stat.
Kehrein, a. a. O.
2, 503, 10
; Sachs
17, 232, 23
; Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 194, 31
; Banz, Christus u. d. minn. Seele
20
; 1883
; Chron. Augsb.
7, 273, 13
; Klein, Oswald
78, 12
; Turmair
4, 761, 5
; 1018, 3
; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
377, 34
; Schöpper
104a
; Dietz, Wb. Luther
103
; Rwb
1, 738
; Schweiz. Id.
11, 603
-606.