ansehen,
das
;
-s/-.
1.
selten: ›Blick (als Sinnestätigkeit) auf etw.‹; meist: ›Betrachtung, Schau (im religiösen und geistigen Sinne), Vision von/auf etw.‹;
vgl.
ansehen
(V.) 1.
Religiöse Texte der Mystik; 14./15. Jh.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
anblik
 1.

Belegblock:

Quint, Eckharts Pred.
2, 265, 4
(
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
enhât der geist kein anesehen in dem êwigen lebene an got?
Steer, W. v. Herrenb. Büchl.
130
(
pfälz.
,
1436
):
wie wol ermanünge vnd üsserlich bewegnisse zu der lere geschiecht durch ansehen der geschriefft vnd gehörde der worten.
Bihlmeyer, Seuse
77, 21
(
alem.
,
14. Jh.
):
lassen den unreinen toten coͤrpel windtuͤrr werden, daz ellú dú welt, dú vúr in uf ald ab gat, des morders hab ein ansehen.
Ruh, Bonaventura
338, 8
(
oschwäb.
,
2. V. 15. Jh.
):
Ze komen zuͦ erleuchtung vnd glantz der warhait, [...] sind die nachgeschriben: verguͦnst der vernunfft, mitliden im willen, wuͦndrung in ansechen, vbergang in andachtt.
Ebd.
344, 2
:
Die uff erhebung zuͦ den obern dingen sol geschechen flyssenglich durch das ansechen der waurhait.
Ebd.
344, 16
ff.:
Die rainigung in der bitterkait, in der ist ruͤ in dem ansechen sich selbs [...]. In der ist oͮch mitlyden in dem ansechen Cristum [...]. In der ist oͮch miterbarmung in dem ansechen des nachsten.
Höver, Bonaventura. Itin. A
45
(
moobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Zuͦ dem ersten mal das ansehen des schawenden, der da merkht dy güter in in selber.
Ruh, a. a. O.
343, 30
.
2.
›Aussehen, Erscheinung, Gestalt von jm./etw.‹; Metonymie zu 1 (erstere Nuance) auf das Wahrgenommene.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
angesicht
 8,
ansicht
 2.

Belegblock:

Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
3199
(
rib.
,
1444
):
Off icht in dẽ ansien cleyne bewijse | Ind grois is bynnen ind ich dat prijse.
Köbler, Ref. Wormbs
133, 35
(
Worms
1499
):
Ob aber die habe d’ masse gestalt das strẽge vermuͦtũg des diebstals were. als kirchen gezierde. gewyhet oder ander ding die nit in gemeinẽ gepruch. oder die verkauffer oder verpfender nit des ansehens oder wesens das ym soliche dinge zuhandeln zimlich were.
Mathesius, Passionale
33r, 17
(
Leipzig
1587
):
weil seine gestalt heßlicher ist/ denn ander Leute/ vnd sein [Knecht] ansehen/ denn der Menschen Kinder.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
2, 228
(
Nürnb.
1517
):
aber reden und gaisten, wiewol sie innerlich sein, haben sie doch ein geent ansehen.
Dietz, Wb. Luther
1, 99/100
.
3.
›Angesicht (Gottes)‹, im Beleg als pars pro toto für Gott; Metonymie zu 1.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
angesicht
 7;
ansehung
 2,
ansicht
 3.

Belegblock:

Niewöhner, Teichner
603, 55
(Hs. ˹
moobd.
,
1469
˺):
do ckamen engel ane czal | und furten die sel fur gotes an sehen.
4.
›Sichtbarkeit von etw., äußere Erkennbarkeit‹.

Belegblock:

Bihlmeyer, Seuse
349, 11
(
alem.
,
14. Jh.
):
die widergeburt [...] heis ich ein widerlenken eins ieklichen dinges, daz gevellet, wider in den ursprung, ze nemenne nach dez ursprunges wise, ane alles eigen anesehen.
Maaler
25v
(
Zürich
1561
):
Den dingen ein Ansehen geben/ Ansichtig machen.
5.
›Berücksichtigung von etw., Verständnis für etw., Gehör e. S.‹;
vgl.
ansehen
(V.) 3; 5.

Belegblock:

Luther, WA
32, 399, 15
(
1530
/
32
):
wenn ers nachlesset odder aus furcht das maul nicht getrost auffthut und straffet on ansehen der person was zu straffen jst.
V. Anshelm. Berner Chron.
4, 9, 1
(
halem.
,
n. 1529
):
Hond im d’ Eidgnossen in gemeltem ansehen geben, ouch harzuͦ die keiserlich botschaft, so zuͦgegen, ankêrt.
Turmair
5, 396, 4
(
moobd.
,
1522
/
33
):
ir beger het kain ansehen bei den stenden des reichs.
Dietz, Wb. Luther
1, 99/100
.
6.
in ansehen
›im Hinblick auf etw., in Anbetracht von etw. hinsichtlich e. S.‹;
vgl.
ansehen
(V.) 4.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
angesichts
 2.

Belegblock:

Welti, Stadtr. Bern
244, 18
(
halem.
,
1487
):
In ansaͤchenn der merclichen wuͤstung.
V. Anshelm. Berner Chron.
4, 20, 2
(
halem.
,
n. 1529
):
Nuͤts dester minder liessen wir nach, in ansehen unser der selben vaͤter, etlich der iren in zuͦsaz zenemen.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
143, 12
(
m/soobd.
,
1579
):
in erwögung und ansechen ihrer stanthaften treu und gehorsamb.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
29, 9
(
mslow. inseldt.
, o. J.):
Jn anśehen guetter Leütt vorbitt śeiner Juegend iśt ihm gnad er Zaigt worden.
7.
›öffentliches Ansehen, Wertschätzung, guter Ruf‹;
vgl.
ansehen
(V.) 5.
Bedeutungsverwandte:
1
achtung
 4,
autorität
,
erwürde
,
schätzung
,
wirde
; vgl.
1
acht
 8,
achtbarkeit
,
annamung
.
Syntagmen:
(das) a. achten / erlangen / behalten / überkommen / verkleinern / verwerfen
;
a.
(Subj.)
abnemen, a. bringen / gelten fiel; in a. bleiben
;
eines grossen ansehens sein
;
grosses
(mehrmals)
/ kleines / schlechtes / verlorenes a.

Belegblock:

Allg. Schau-Buͤhne
50, 20
(
Frankf.
1699
):
nahmen derowegen die Koͤnigliche Witwe/ als ihre Schwieger Muter/ umb mehrern Ansehens willen/ als Ober⸗Vormuͤnderin gleichsam in ihre Gesellschafft.
Luther. Hl. Schrifft.
Sir. 11, 2
(
Wittenb.
1545
):
DV solt niemand rhümen vmb seines grossen Ansehens willen / noch jemand verachten / vmb seines geringen Ansehens willen.
Lauater. Gespaͤnste
29r, 15
(
Zürich
1578
):
München vnnd Pfaffen übel bsorgen muͦßtend / sy wurdind nach soͤlchen sachen / wie dañ beschehen ist / vil glaubens verlieren / vnnd nit mer in soͤlchem ansaͤhen syn wie bißbar.
Barack, Zim. Chron.
1, 71, 22
(
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
die auch des geschlechts Zimbern und sonder zweifel in ainem grossen ansehens gewesen sein.
Schöpper
59b
;
Serranus
7
;
Maaler
25v
;
Rot
305
;
Schwäb. Wb.
1, 259
.
8.
›Einsicht, Meinung‹;
vgl.
ansehen
(V.) 9.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
absehen
(
das
) 1,
1
acht
 3.

Belegblock:

Schwäb. Wb.
1, 259
;
Vorarlb. Wb.
1, 109
.
9.
›Verordnung, Beschluß, Verfügung‹; speziell von Gott: ›Vorsehung, Plan‹;
vgl.
ansehen
(V.) 10.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
abscheid
 5,
abschied
 5,
ansehung
 7.

Belegblock:

V. Anshelm. Berner Chron.
4, 164, 3
(
halem.
,
n. 1529
):
Ansehen gmeiner Eidgnossen und einer stat Bern wider renner und praticierer und kilchenbetler.
Ebd.
225, 18
:
Tatend wider baͤbstliche pit ein ansehen, dass man allenthalb soͤlte fuͤrnemlich die hoptluͤt [...] an lib oder guͦt annemen.
Müller, Alte Landsch. St. Gallen
81, 25
(
halem.
,
um 1550
):
keinswegs underlassen wellen, ein gleichformig ansehen und gebot in ir g. landtschaft, hoch und nider oberkeit usgon zelassen.
Chron. Augsb.
9, 82, 28
(
schwäb.
,
1544
/
45
):
Gott [...] hat durch sein göttlich ansehen sein volck mit großer antzal aus dem diensthaus Egipten in das gelopt land [...] gefiert.
10.
›Ergebnis, Resultat‹.

Belegblock:

V. Anshelm. Berner Chron.
5, 170, 20
(
halem.
,
n. 1529
):
mit semlichem ansehen, das entwedere partî si hat anders nuͤt den ein lose disputation lassen sin und bliben.