stab,
der
,
-(e)s/-e,
auch
und
-er
, jeweils + Uml.
– Zur Funktionsgeschichte von ,Stab‘ generell s. Lex. d. Mal.
7, 2160
 ff.
1.
›Stab, Stock generell wie als Werkzeug zu verschiedenen Zwecken und in verschiedenen Lebenszusammenhängen‹; im einzelnen: ›Stütze beim Gehen‹; ›primitive Waffe‹; ›Werkzeug der Züchtigung‹; ›Stab des Hirten, des Pilgers‹; ›stabähnliches Schmuckstück‹; ›Zeichen‹, z. B. für Frieden, Einigung (dazu Dwb
10, 2, 1, 332
), für die Entlassung aus Gefangenschaft, aus einem Dienstverhältnis); ›Stange‹ (z. B. aus Schmiedeeisen, wohl mit Tendenz zur Maßeinheit; vgl. 2); ›Stamm des Kreuzes‹ (vereinzelt); ütr.: ›Stütze, Hilfe‹; als Metonymie an ›Hirtenstab‹ anschließbar: ›Hirte‹, laut Dwb (s. o., 346) auch ›Herde‹; insgesamt vielfach in religiösen Kontexten.
Bedeutungsverwandte:
bengel
 1,
gerte
 1,
keule
,
knüttel
 1,
prügel
 1,
rute
,
stecke
 1,
stok
 1; vgl.
1
gart
,
2
geisel
,
1
stal
 1,
1
stam
 2;
stiel
 1.
Syntagmen:
den / einen s. ausrecken / nemen / schneiden / tragen, in der hand haben
, [wohin] (z. B.
in die erde
)
stecken, jm. einen s. leihen, an die hand geben
;
jm. ein s. sein
;
js. s. jn. trösten
;
mit einem s.
[wohin, z. B.
an den fels, in das mer
]
schlagen, das volk mit dem s. weiden, etw
. (z. B.
wicken
)
mit dem s. ausschlagen, sich mit einem s. auf den weg machen, jn. mit einem s. hinlassen, sich auf einen s. geleinen / steuern, sich an den s. halten, bei / an einem s. gehen
;
der s. des treibers, des kreuzes, der künste s., trostes s., der s. eisen(s), des brotes
;
der grobe / guldene / helfenbeinene / hulzene / rörene / viereckechte / weisse
(dies ein Zeichen der Entlassung)
s
.
Wortbildungen:
stabeisen
›stabförmig geschmiedetes Eisen‹,
stabeliecht
eine Art Fackel,
staben
1 ›sich mit dem Pilgerstab ausrüsten‹;
stäbespiecher
eine Art Nagel (Gw zu mhd.
spicher
 ; Lexer
2, 1086
),
stabholz
wohl ›Stammholz‹,
stabkerze
, ˹
stabmesser
,
stabschwert
, jeweils ›in den (Wander)stab eingelassener Dolch‹ (dazu bdv.:
stechmesser
,
stekmesser
,
stichmesser
 ; vgl.
aufstecher
 1,
1
basler
,
dolch
,
poignard
,
stekmez
,
stezler
,
stilet
,
weidner
)˺,
stabnez
›kleineres Fischnetz, an einem Ende an einer Stange befestigt, am anderen mittels einer Schnur zu halten und zusammenzuziehen‹ (so das Glossar zu Zingerle, s. u.),
stabschaf
›Stabschrank‹ (Gw zu
Schaff
›Schrank‹; Dwb
8, 2013
),
stabschaft
(wie das Simplex
stab
 1),
stabschlinge
›zur Verstärkung des Schwungs an einem Stock befestigte Schleuder‹,
stabstein
›Steingewicht am unteren Ende des Fischernetzes (der
stabwate
)‹ (a. 1551),
stabstreicher
›Vagabund‹ (hierher oder zu
stab
4 ›in einem Herrschaftsbezirk Umherstreichender‹; dazu bdv.: vgl.
landfarer
 2),
stabuler
(dazu bdv.:
1
betler
 ; vgl. Dwb
10, 2, 1, 374
mit Anm. zur Form),
stabulieren
,
stabwate
(Gw zu mhd.
wate
›Zugnetz‹; Lexer
3, 704
) ›Weidenholzgerte mit Fischernetz‹.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok.
2968
(
nrddt.
,
14. Jh.
):
An des vronen cruces stab, | An deme her menschlichen starb.
Ziesemer, Marienb. Konventsb.
199, 11
(
preuß.
,
1407
):
5 m. dem smede vor synteln und vor stebespicher.
Ders., Gr. Ämterb.
134, 15
(
preuß.
,
1415
):
10 hubysen, 15 stebe ungerisch ysen.
Ebd.
145, 23
(
1441
):
1 vas ozemund, 2 schog stabeisen, 16 pflugschar.
Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden
83, 19
(
preuß.
,
1417
):
Seifert Koch, des burgermeisters son uf (der) jungen stat, tenetur 3½ ℔ von 100 stabholcz.
Toeppen, Ständetage Preußen
2, 666, 29
(
preuß.
,
1445
):
losze lewthe, beteler und stabstreicher, [...], die sich von erer arbeit muchten generen, sullen [...] nicht gehwset adir geheget werden.
Lohmeyer, K. v. Nostitz
137, 18
(
preuß.
,
1578
):
Stabelicht gibt man den redten den winter wochentlich einem idern eins, die frw zu hofe gehen mussen.
Luther, WA
10, 3, 174, 19
(
1522
):
ein berlein hueth, ein silberen stab macht keinen hirten.
Ebd.
16, 238, 30
(
1524
):
Der Stab dienet dazu, das er dem Menschen hilfft im gehen und er sich drauff lehnen koͤnne [...]. Soͤlcher Stab ist nu auch das liebe Euangelium.
Ebd.
23, 637, 25
(
1527
):
Das wol das gesetz ein stab ist, der Wehe, not und angst heisse. [...]. Es ist furwar ein starcker dicker stab.
Ebd.
23, 637, 36
(
1527
):
furet er [Christus] sie mit dem stabe Sanfft, so folgeten sie nicht.
Ebd.
45, 419, 12
(
1537
):
[Petrus] hat ein geringeß wort Jm Maul, daß ist der Angel, und hat ein weisses steblein Jn der handt, kompt und bewt frid.
Ebd.
46, 267, 9
(
1538
):
Jr solts fluchs et eilend, als qui in flucht und gehutet, gestabet ut fugientes.
Ders. Hl. Schrifft. 2. Mos.
8, 16
(
Wittenb.
1545
):
der HERR sprach zu Mose / Sage Aaron / Recke deinen Stabe
[Eck
1537
:
stecken
]
aus / vnd schlag in den Staub auff erden.
Ebd. Jes.
28, 27
:
die wicken schlegt man aus mit eim stabe
[Mentel
1466
/ Wormser Proph.
1527
/ Dietenberger
1534
/ Eck
1537
:
ruͤten
].
Ebd. Ps.
23, 4
(
1545
):
du [Herr, Hirte] bist bey mir / Dein Stecken vnd Stab trösten mich.
Quint, Eckharts Trakt.
60, 14
(
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Der einen stapschaft sihet gestôzenen in ein wazzer, den dunket der stap krump sîn.
Fischer, Brun v. Schoneb.
12486
(
md.
, Hs.
um 1400
):
si [Maria] ist den abewisigen ein weg, | si ist den schifbruchigen ein steg, | den vallenden ein stab.
Reissenberger, Väterb.
11809
(
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Daz er [Isaac] in der zite | Ein vater were und ein stab.
Chron. Köln
3, 91, 5
(
rib.
,
1. H. 15. Jh.
):
ind voir us der gerkemeren over den kor in ein staffschaf dair vele hilgidoms in stont.
Perez, Dietzin
1, 133, 26
(
Frankf.
1626
):
du wirst ein Blum deiner Freundschafft werde͂ / vnd mir / weñ ich nun fuͤr Alter nicht mehr sehen kan / mein Stab vnd Stecken seyn.
Kurz, Waldis. Esopus
4, 91, 91
(
Frankf.
1557
):
Fuͤr alter geht man bey dem Stab.
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
17, 21
(
Frankf./M.
1563
):
Moses schluͤg mit einem stab ins Meer / und so bald zertheylt sich das wasser.
Feudel, Evangelistar
101, 7
(
omd.
,
M. 14. Jh.
):
nicht sullit ir mit uch tragen uf dem wege: stap noch taschen noch brot noch phennynge.
Ehrismann, H. v. Trimb. Renner
20545
(
nobd.
,
um 1300
):
Hâstu gesprungen, lîch uns den stap.
Neubauer, Kriegsb. Seldeneck
68, 14
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
es sol auch darzu etlich hundert stabschlingen gemacht vnd geordendt werden, damit man stein werff.
Ebd.
104, 24
:
ein kwe geit man [...] dem, der [...] dem hirten sein stap zu worczeychenn nympt vnd die herrt kwe anschlecht vnd anhept zu treybenn.
Gille u. a., M. Beheim
108, 48
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
ich hon aber kain hilffe | [...] | nach ainen stab, dar auff ich mich | gelainen mög.
Loose, Tuchers Haushaltb.
125, 4
(
nürnb.
,
1515
):
das confentt czu sant Clarn vereret mit 2 schün stabkerczen mit cziburgen, iede mitt 3 heiligen.
Baumann, Bauernkr. Rotenb.
479, 21
(
nobd.
,
1525
):
Den andern bawrn wurden all ire wer und harnisch genomen, weysse steblin in die hand gegeben und vor nachtz aus der statt gewisen.
Voc. Teut.-Lat. ee vjv (
Nürnb.
1482
):
Stabswert. [...] od’ stabmesser. i. gladi’ dolose recõdit’ in baculo viatoris.
Rieder, St. Georg. Pred.
197, 3
(Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
Daz erst ist ain stab, da er sich uf stúre, so er vallen wil.
Grimm, Weisth.
4, 266, 24
(
els.
,
1429
).
daz die frawen zwen steb solten han zuͦ den schoffen und einen stab zuͦ den rindern.
Goedeke, P. Gengenb.
347, 160
(o. O.
um 1509
):
Das ander Capittel sagt von Stabuliern In vnbliblich gschlecht sind Stabulern | Sie strichen alle land vszgern | Von einem helgen zuͦ dem andern.
Roder, Hugs Vill. Chron.
81, 30
(
önalem.
,
1519
):
Nam ietlicher ain steble in sin hand und [...] schrugend: „Frid, frid“!
Ebd.
150, 11
(
1525
):
36 gefangen, die wurdend ußgezogen bis in hossen [...], gab ma aim ain wis steble in sin hand, muͤßten schweren, widerumb haim zuͦ zihen.
Dasypodius
427v
(
Straßb.
1536
):
Stabe / damit man die eygen leut frey laisset.
Golius
176
(
Straßb.
1579
):
Dolon [...], ein stab darinn ein schwert verborgen / Jacobs stab.
Maaler
143r
(
Zürich
1561
):
Fridstab (der) Ein kleines weysses staͤble so die boten truͦgend wenn sy woltend frid machen.
Bremer, Voc. opt.
29022
(
wobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Sicca [...] stabswert. [...]. stechmesser
. Dazu 29020:
Pugio [...] est species armorum invasoria bis accuta et adherens lateri.
Kocher, Rechn. Schönenwerd
185, 13
(
halem.
,
1374
):
II lb pro cera ad candelas | II l ad parandum, I l um steb.
Rennefahrt, Gebiet Bern
442, 31
(
halem.
,
1424
):
Waͤre ouch, das yeman [...] mit stab watten [...] vischete [...], der sol [...] umb die vorgeschribnen buͦß verfallen sin.
Diehl, Dreytw. Essl. Chron.
39, 21
(
schwäb.
,
1548
):
Wan ich dem menschenn denn stab des brotts enzychenn werd, so wyrtt der mensche umfallenn.
Steinberger u. a., Urk. Hochst. Eichst.
386, 37
(
noobd.
,
1350
):
mit zwaien messen, mit einer gesungenn und mit einer gesprochenn, und vier stabkertzen von vier pfunt wahses.
Seemüller, Chron.
95
Herrsch. 9, 26 (
oobd.
, Hs.
1. H. 15. Jh.
):
Daz teten si und namen gerten und steͣber und vachten aber mit den knechten.
Bauer u. a., Kunstk. Rud.
2255
(
oobd.
,
1607
/
11
):
Ein geometrisch instrument, hatt ein langen viereggeten schwartzhiltzin stab, daran eine messin vergulte scheiben.
Zingerle, Inventare
32, 2, 27
(
tir.
,
15. Jh.
):
xi stabnetz. iiii stracknetz.
Rechn. Kronstadt
2, 543, 16
(
siebenb.
,
1538
):
pro una lamina ferri mediocris illuc data vulgo steb dorcz asp. 6.
Ziesemer, Gr. Ämterb.
35, 24
;
407, 29
;
Luther WA
16, 268, 23
;
16, 269, 35
;
16, 322, 30
;
34, 2, 399, 22
;
45, 343, 1
;
Ders. Hl. Schrifft. Mi.
7, 14
;
Mieder, Lehmann. Flor.
827, 12
;
Struck, Joh. Pfannstiel
150, 49
;
Froning, Alsf. Passionssp.
3272
;
Eggers, Psalter
48, 6
;
Jahr, H. v. Mügeln
109, 541
;
Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil.
20, 62, 30
;
Chron. Nürnb.
2, 255, 23
;
Sachs
17, 338, 33
;
v. Keller, Ayrer. Dramen
18, 25
;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
455, 12
;
Karnein, Salm. u. Morolf
390, 3
;
667, 1
;
Rennefahrt, a. a. O.
448, 20
;
Kohler, Ickelsamer. Gram.
8, 13
;
29, 21
;
Bauer u. a., a. a. O.
643
;
1936
;
Gereke, Seifrits Alex.
2018
;
Voc. Teut.-Lat. ee vjv;
Dasypodius
427v
;
Alberus c iijr;
Henisch
1522
;
Matzel u. a., Spmal. dt. Wortschatz.
1989,
S. 290;
Vorarlb. Wb.
2, 1244
;
Schweiz. Id.
9, 599
;
10, 1009
;
11, 894
;
Schwäb. Wb.
5, 1610
 f.;
1613
;
Tpma
11, 155
/6.
Vgl. ferner s. v.
abfüren
 5,
abtun
 1,
altman
,
aufkommen
 8,
beginnen
(V.) 6,
grundlos
 1.
2.
eine Maßeinheit, im einzelnen: ›Wurfweite eines Hirten- oder Schäferstabes‹, ›Meßstab für Gefäße‹, ›Maß für Stoffe‹; unter verschiedenen Aspekten ütr.: ›Maßstab (im moralischen Sinne)‹; ›Kritik; kritische Unterscheidung‹.
Wortbildungen:
stabel
,
stabelmas
ein Längenmaß (= 1,189 m) im salzburgischen und tir. Bergbau (dazu bdv.:
bergstabel
 ) (jeweils a. 1595),
staben
2 ›eichen‹,
stabmas
(a. 1627).

Belegblock:

Sattler, Handelsrechn. Dt. Orden
509, 15
(
preuß.
,
1430
):
mynem hern gesand [...] eyn gesthowbet
(hierher?)
vas mit rotem weine, do sint inne 6 sester.
Grimm, Weisth.
1, 499, 21
(
rhfrk.
,
1338
):
sall eyn gemeyner hirte nit ferner faren mit synen schaffen [...], dann er mit synem stabe gewerffen mag.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob
6074
(
omd.
,
1338
):
Daz Job alle mezlichkeit | Ken Gote hette hin geleit | Und sich zu aller bosheit gab | Sunder der rechten maze stab.
Doubek u. a., Schöffenb. Krzemienica
463
(
schles. inseldt.
,
1471
):
das czw vordern off dem garten, do Staffen Fogel ist, is seÿ fil ader wenig ader stebe ader gemasze.
Loose, Tuchers Haushaltb.
74, 25
(
nürnb.
,
1509
):
2 stuck czu eehalten leilach, hallten pede 91½ stab czu 23 ₰ 1 stab facit 6 fl. 7 ß.
Schorer, Sprachposaun
51, 10
(o. O.
1648
):
Weiter zielet mein Stab auf die Herren Dichter (Poeten).
Ebd.
72, 15
:
[die Priester] gedencken wenig dran / daß der Prophet zweyer Stabe gedenckt / des Stabs Wehe vnd des Stabs sanfft.
Welti, Stadtr. Bern
465, 25
(
halem.
,
1462
):
sollend allwegen vff die stuͤl der weber gan, wenn si bedunckt, das guͦt ze sind vnd mit dem stab ze messen die rechti breiti.
Müller, Welthandelsbr.
267, 36
(
schwäb.
,
1514
/
5
):
40 steb Genfer thun in Cattolonia als zu Barzalona 28 cannas leinbatmaß.
Dirr, Münchner Stadtr.
465, 4
(
moobd.
,
um 1365
):
Ez suͤllen die weber ie uͤber viertzehen tag [...] daz achtpfuͤndick geschirr messen mit dem eysneinn stab.
Grimm, a. a. O.
4, 536, 8
;
Patocka, Salzwesen.
1987, 113
;
304
;
Schwäb. Wb.
5, 1612
.
3.
allgemein: ›Stab als Zeichen der Gerichtshoheit, richterlichen Gewalt‹.
Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte.
Phraseme:
den stab zerbrechen
(o. ä.) ›ein Halsgerichtsurteil fällen‹;
jm. das stäbel senden
›jm. den Zugriff des Gerichts anzeigen‹;
jm. einen stab setzen
›jm. etw. drohend ansagen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
stecke
 4,
stok
 4.
Syntagmen:
den s. halten / füren, in die hand nemen, von der hand geben, in den händen
(o. ä.)
haben / heben, jm. den s. befelen / (über)geben / nemen
;
an den s. greifen, etw. an den s. aufgeben, an den s. geloben, das [...], etw. mit dem s. verbieten, mit dem s. umfragen / wältigen,
[wo]
sitzen, bei den henker gehen
;
s. des schultheissen, der s. in der hand
.
Wortbildungen:
stabfürer
1 ›Gerichtsvorsitzender‹ (a. 1556 f.),
stabhalter
›Vorsitzender des Gerichts oder sein Beauftragter‹,
stableiter
(dasselbe; a. 1490).
Als Metonymien dazu und im einzelnen kaum trennbar:
a) ›richterliche Gewalt, Gerichtsbarkeit‹; metonymisch: ›Vollzug der richterlichen Gewalt‹ sowie (tendenziell) ›Gerichtsbezirk‹.
Bedeutungsverwandte:
angrif
 6,
obrigkeit
.
Syntagmen:
den s. (recht) halten, s. über js. gut erlauben
;
des stabes warten
;
mit dem s
. [wohin]
gehören, unter js. s. gehören / sitzen, etw. unter dem s. haben, etw. an den s. aufgeben
; [Abgaben, z. B.:]
2 gulden von / aus dem s
.
Wortbildungen:
stabeslauft
›Brauch im Gerichtsbezirk‹,
stabreise
1 ›Auszug, Umzug innerhalb des Gerichtsbezirks‹.
b) ›Gericht; Sitzung des Gerichts; Gerichtsbeschluß‹.
Phraseme:
der niedere stab
›die niedere Gerichtsbarkeit‹.
Syntagmen:
jn. an s
. [›durch Gerichtsbeschluß‹]
entschlagen
,
etw. vor den s. ziehen, etw. vor dem s. austragen / bekennen / berechtigen / beteidingen / fertigen, vor dem s. etw. rechtlich suchen, jm. vor dem s. etw. abgewinnen, jn. vor dem s. einschreiben, die stat für einen s. gehören, sich an den s. verzeihen, etw. vor dem s. empfangen
;
s. des gerichtes, der herschaft, der von Aarau
.

Belegblock:

allgemein:
Foltz, UB Friedb.
1, 362, 21
(
hess.
,
1387
):
so sollen dıͤ budele darbıͤ geen mit irn stebin bıͤ den henckir und schuren und schirmen vor der menige des folkes.
Froning, Alsf. Passionssp.
4595
(
ohess.
,
1501 ff.
):
Ich wel der seczen einen stab, | Thustu dich (der) alden ee nicht ab | [...] | Daß du dan gancz vorlorn bist.
Chron. Nürnb.
3, 366, 19
(
nobd.
,
1440
/
4
):
auf denselben tag gab rex den stab dem edeln hern Gumprechten.
Kohler u. a., Bamb. Halsger.
95, 8
(
Bamb.
1507
):
vnd sol der Richter die vrteyler heyssen nidersitzen vnd er auch sitzen, seinen stabe in den henden haben vnd ersamlich sitzend pleyben biss zu ende der sachen.
Ebd.
117, 1
:
Wann der Richter seinen stab zuprechen sol. Jtem wann der beclagt endtlich zu peynlicher straffe geurteylt wirt, so sol der Richter seinen stab zuprechen vnd den armen den Nachrichter bevelhen.
Rennefahrt, Zivilr. Bern
808, 6
(
halem.
,
1615
):
soll erkent werden, das er dem richter wol moͤge an stab globen das [...].
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 469, 5
(
schwäb.
,
1570
):
Die herschaft [...] soll [...] dem gericht ainen taugenlichen man zu ainem gerichtsamman und stabhalter verordnen.
Winter, Nöst. Weist.
4, 381, 18
(
moobd.
,
16.
/
17. Jh.
):
der sich seczt des gericht, der ist verfallen 32 ℔ den. und soll im der richter das stäbel senten.
Dat nuwe Boych
427, 22
;
Küther, UB Frauensee
313, 23
;
Leisi, Thurg. UB
7, 1023, 25
;
Chron. Augsb.
8, 429, 18
;
Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu.
1, 741, 1
;
Vogel, Urk. Heiliggeistsp.
1, 426, 36
;
Qu. Schweiz. Gesch.
1, 26, 1
;
Köbler, Stattr. Fryburg
39, 9
;
Rennefahrt, a. a. O.
378, 27
;
Merz, Urk. Lenzb.
131, 14
;
Schib, Urk. Laufenb.
329, 1
;
Glitsch u. a., Hofger. Rottw.
39, 30
;
40, 14
;
83, 6
;
Müller, Nördl. Stadtr.
379, 15
;
Gehring, a. a. O.
277, 1
;
Dirr, Münchner Stadtr.
585, 17
;
Hör, Urk. St. Veit
121, 43
;
193, 6
;
UB ob der Enns
9, 574, 16
;
Thiel u. a., Urk. Münchsm.
227, 1
;
Mell u. a., Steir. Taid.
243, 6
;
Vorarlb. Wb.
2, 1244
;
Schweiz. Id.
1, 985
;
10, 1017
;
Schwäb. Wb.
5, 1611
.
Vgl. ferner s. v.
äbtissin
.

Zu a):

Aubin, Weist. Hülchrath
106, 42
(
rib.
,
1607
):
der richter [...] solle wol tun und halten seinen staf recht, dem reichen umb geld, den armen umb gottes willen.
Foltz, UB Friedb.
1, 454, 34
(
hess.
,
1394
):
[ich] sal sunderlichen des stabes warten und flißlichen dinen minen herren burgermeistern [...] tun waz sie mich heißen.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
61, 21
(
thür.
,
1474
):
so hat sy uff dyselbigen swester geerbet yre gerade, eß sy danne, daz in deme stabe gewonheyt sy, das man gerade nicht engebit nach nymmet.
Ebd.
170, 14
:
so hoffe ich [...], ich sy ym durch recht nicht meher phlichtig danne syn weheregelt nach stabislouffte unde im gerichte loufftig.
Mon. Boica, NF.
1, 460, 1
(
nobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
2 guldein von stabe, halb Michaelis und halb Walburgis.
Chron. Strassb.
984, 32
(
els.
,
1375
):
von allen unsern burgern und burgerin die under unserm stabe sitzend.
Köbler, Stattr. Fryburg
37, 10
(
Basel
1520
):
so sol mã im die vrteil geben / vnd demnach stab vñ angriff über des schudners guͦt erloube͂.
Geier, Stadtr. Überl.
65, 26
(
nalem.
,
um 1400
):
gesetzt, daz nieman, úber den wir ze gebieten haben, kain stabraiß, kain samnug, kainen úberzog, kain geloͤff, [...] ăn des rautz [...] urloub nit bruchen [...] sol.
Wintterlin, Würt. Ländl. Rechtsqu.
1, 582, 27
(
schwäb.
,
1615
, Hs.
18. Jh.
):
Wan ainer dem schulthaißen mit recht die frevel völlig würdt, so soll der schulthaiß und mit der staabhalter glübd von ime nemen, die frevel gleich [...] zu bezahlen.
Ebd.
699, 12
(
1558
):
der schultheys [...] mag kein ortel oder stim geben, [...], sondern allein als stabhalter beysitzen.
Vogel, Urk. Heiliggeistsp.
1, 430, 7
(
moobd.
,
1430
):
Also gab der obgenant Martein [...] die obgenanten drey jeuch aigens ackers auf an den stab vnd in gerichcz hant.
Mon. Boica, NF.
1, 466, 12
;
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 815, 21
;
196, 20
;
Wintterlin, a. a. O.
2, 693, 14
;
Müller, Grafsch. Hohenb.
1, 334, 23
;
339, 12
;
2, 169, 14
;
Hör, Urk. St. Veit
228, 40
;
Uhlirz, Qu. Wien
2, 2, 2456, 7
.

Zu b):

V. Anshelm. Berner Chron.
5, 241, 22
(
halem.
,
n. 1529
):
Der nampt zü einem vorsag Werni Salern zuͦ Soloturn [...]; entschluͦg den Zwingly an stab.
Welti, Urk. Rheinfelden
327, 128, 9
(
halem.
,
1458
):
anligender sachen halb, so sy [...] vor uͥwerm rechten vnd stabe vßzetragen vnd ze berechtigen hatt.
Rennefahrt, Staat/Kirche Bern
48, 22
(
halem.
,
1503
):
etlich fraͤvel [...], so von einem unserm mitchorherrn und caplan wider einen waͤltlichen gebrucht sind gewaͤsen, vor irem stab und dem waͤltlichen gericht gevertiget [...] abgelegt soͤllen werden.
Hauber, UB Heiligkr.
2, 363, 30
(
schwäb.
,
1484
):
was mit recht vorm stab bekennt oder betaͤdingt wirt, dem soll nach gangen werden.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 659, 13
(
schwäb.
,
1553
):
alsdann soll dieselb sach vor der herschaft stab gerichtlich und furderlich außgetragen werden.
Kläui, Urk. Kaiserstuhl
378, 7
(
halem.
,
1615
):
ehe dieser Kauf
vor dem nideren stab zue Visebach
gefertigt worden sei
.
Wopfner, Bauernkr. Tirol
77, 38
(
tir.
,
1525
):
Es wărn auch noch vil mer beswernŭssen, der ye ain stab oder oblay mer dann das annder hat, antzŭbringen.
Merk, Stadtr. Neuenb.
104, 7
;
121, 17
;
Rennefahrt, Stadtr. Bern
468, 10
;
ders., Zivilr. Bern
7, 18
;
Merz, Urk. Lenzb.
88, 5
;
ders., Urk. Wildegg
54, 15
;
Boos, UB Aarau
279, 30
;
Müller, Nördl. Stadtr.
350, 7
;
Hauber, UB Heiligkr.
2, 227, 26
;
Welti, Urk. Rheinfelden
638, 230, 1
.
4.
›Stab als Zeichen der Allmacht Gottes, als Zeichen weltlicher Herrschaft, auch niederer Amtgewalt, als Zeichen geistlicher Würde und Herrschaft, vereinzelt als Zeichen der Machtanmaßung‹; teils tropisch; mehrfach mit genitivus explicativus.
Phraseme:
der krumme stab
›die geistliche Herrschaft‹.
Syntagmen:
den s. füren / halten / tragen / weihen / lassen, aus der hand geben, in das gras stossen, jm. den s. reichen, den s. in das grab legen
;
St. Peters s., der s. des abtes, des gewaltes, der gerechtigkeit
;
der königliche / weltliche s
.
Wortbildungen:
stabeampt
wohl eine für einen Kirchenangestellten eingerichtete wohltätige Messe,
stäbelmeister
›einen Stab als Herrschaftszeichen tragender Angehöriger des Hofes‹,
stabfürer
2 ›Präsident des Rates in Zug‹ (a. 1608),
stäblach
(
-lach
hier wohl diminuierend; Lexer
1, 1807
),
stäbleinsherre
›obrigkeitlich Beauftragter für die Steuerfestsetzung‹ (dazu bdv.:
steurer
 1),
stäbler
I ›geringhaltige Pfennigmünze (dem Angster gleich) mit dem Stab als bischöflichem Attribut in der Prägung‹ (zur Sache: Schweiz. Id.
10, 1060
-1065; Maag u. a., Habsb. Urbar
2, 2, 303
; Lex. d. Mal.
7, 2163
),
stäbler
II ›Inhaber der von der (Konstanzer) Dompropstei vergebenen sog. Sal- oder Laienpfründe‹ (so Krebs, Prot. Konst. Domkap. Anm. 
5
zum u. a. Beleg), ˹
stäblermünze
,
stäblerpfenning
wie
stäbler
I (a. 1367 ff.)˺,
stäblet
›mit einem Stab versehen‹ (von der Münzprägung; a. 1360),
stabpräbende
eine Unterhaltsleistung (vgl.
präbende
 1),
stabreise
2 ›Kriegszug; Auszug eines Einzelnen zum Kampf‹ (dazu bdv.:
gefärte
(
das
) 7,
kriegszug
,
landzug
 1).

Belegblock:

Ziesemer, Marienb. Ämterb.
123, 9
(
preuß.
,
1394
):
1 gancz bischofgerete alz ynfele und stab und waz dorczu gehoͤret.
Luther, WA
37, 389, 36
(
1534
):
Das Euangelium das ist sein scepter, koniglicher stab, quem furt per totum mundum et regirt da mit.
Ebd.
41, 421, 3
(
1535
):
Sonst macht der Huth und Stab keinen Bisschoff.
Hilliger, Urb. St. Pantaleon
307, 36
(
rib.
,
1423
):
hatte uns Abt Johann [...] zugesagt
viere mlr. roggen vur eyne stafproevende drij jair lank.
Schmidt, St. Kastorst.
2, 404, 25
(
mosfrk.
,
1451
):
duo perpetua stabilariorum officia vulgariter stabeampt, que congnominati quondam Kellerhenne et Ruczsche.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob
12848
(
omd.
,
1338
):
Wi groz sy wesn, sy slet sin [Got] stab | Und wen er wil, gar unvertzayt.
Ebd.
14984
:
Sprich ouch nicht me ken dem stabe | Miner [Got] hoen gerechtekeit!
Jürges u. a., Waldecker Chron.
351, 23
(
wmd.
,
1546
):
1 kolve von des apts stabe uberguldt.
v. Keller, Ayrer. Dramen
535, 31
(
Nürnb.
1610
/
8
):
der Marggraf ist Kämmerer, | Tregt ein gulten Stab vor jhm her.
Chron. Strassb.
307, 6
(
els.
,
A. 15. Jh.
):
das du mir hest gesant einen gebogen stap und einen syneweln ballen und ein güldin kennelin: bi dem gebogen stabe merke ich, das sich die gewaltigesten kunige vor mir biegende werdent.
Lemmer, Brant. Narrensch.
63, 59
(
Basel
1494
):
Eyn yeder narr yetz sprechen wil | Vnd tragen staͤblin ruch vnd glatt.
Krebs, Prot. Konst. Domkap.
2026
(
nalem.
,
1504
):
soll
der cust. den stäblern ir wachs an zeltlin geben wie von alter her.
Fuchs, Murner. Geuchmat
258, 1
(
Basel
1519
):
Das üch ein wyb mit jrer witz | Hat bracht vmb üwer regiment, | Das ir den stab gabt vß der hendt!
Geier, Stadtr. Überl.
532, 25
(
nalem.
,
1552
/
1609
):
Nach sant Martins tag [...] soll durch beede stiblinßherrn [...] die steur durch ditz ganz statt angeschrriben werrden.
Geier, Stadtr. Überl.
249, 36
(
nalem.
,
1584
):
dieselbigen sollen durch die unbawschawer sambt dem herren zunftmaistern im Wolf, so derselben zeit im ambt ist und den stab halten, soll gestraft werden.
Merk, Stadtr. Neuenb.
98, 32
(
nalem.
,
1588
):
fürhin allweg jedes pfund desselben mast fleischs umb feünf rappen oder zehen stebler geben.
Kocher, Rechn. Schönenwerd
234, 64
(
halem.
,
1382
):
vendidit X malt. avene pro quibus recepit V lb. den. dictorum stebler.
Koppitz, Trojanerkr.
20193
(Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Lenger ward hie nit gespartt | Sin hertte stab raisse.
Boner, Urk. Brugg
192, 12
(
halem.
,
1412
):
fuͥr ie die march sechs pfunt pfennigen genger stebler muͥntz.
Bernoulli, Basler Chron.
5, 26, 12
(
alem.
, Hs.
um 1500
):
Anno 1373 gieng zuͦ Basel die múntz usz mit steben.
Argovia
4, 245, 36
(
halem.
,
1535
):
da sollen die fergen ein jeckliche person, so da überfaren will, überfüeren vmb einen stebler.
Wyss, Luz. Ostersp.
3, 172, 60
(
Luzern
1596
/
7
):
Die Cämmerling Sond ouch zierlich vnd stattlich gekleidt sin in Hoff Röcklinen [...] vnd sol ieder in der hand haben ein kurtz versilbert scepterlin oder stäblin.
Koppitz, Trojanerkr.
20183
(Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Lenger ward ie nitt gespartt | Sin hertte stab raisse.
Kottinger, Ruffs Etter Heini
3165
(
ohalem.
,
1538
):
verzychung aller miner sünd | mit minem dienst erlangt ich hab | vom bäpstlichen g’wallt und sinem stab.
Koller, Ref. Siegmunds
287, 10
(Hs. ˹
Augsb.
,
um 1440
˺):
das man vor ainem idlichen ritter ainen stab tragen sol zu ainem zaichen, was er gepiet in des kaysers namen, das auch das krafft haben solt.
Chron. Augsb.
4, 269, 1
(
schwäb.
,
v. 1536
):
Endris Ungnad, stäbelmaister.
Ebd.
281, 11
(zu
1530
):
da hat der kaiser die 3 herold mit iren steblachen und 12 trumether [...] hie zuͦ Augsburg laussen reitten.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 122, 23
([
Augsb.
]
1548
):
Under dem krummen Stabe | unnd under den Graven ist guͦt wohnen. Die Bischofe und Epte seind der krumme stab.
Niewöhner, Teichner
320, 17
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
als ungreiffig ist der stab | der daz ellement auf hab.
Moscouia E ijr,
37
(
Wien
1557
):
vnnd raicht jme sein stab de͂ sy Vossoch nennen / vnnd vbergibt Jm͂e sein Ambt.
Buch Weinsb.
2, 219, 25
;
255, 15
;
Kollnig, Weist. Schriesh.
261, 35
;
Stoltzius, Chym. Lustg.
77, 6
;
Karnein, Salm. u. Morolf
190, 5
;
Thiele, Chron. Stolle
486, 15
;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel
7, 165, 9
Var.;
Krebs, a. a. O.
536
;
Merz, Urk. Lenzb.
8, 4
;
Argovia
4, 321, 34
;
Boos, UB Aarau
115, 28
;
Auer, Stadtr. München
457, 9
;
Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
145, 19
;
Schweiz. Id.
1, 985
;
5, 1138
;
6, 1296
;
10, 1065
;
Schwäb. Wb.
5, 1612
.
Vgl. ferner s. v.
aufheben
 1,
babst
 1.