mürbe,
Adj.;
zu
mhd.
mürwe
›zart, zerbrechlich‹
(Lexer
).1, 2255
1.
›ungefestigt, schwach‹ (vom Menschen und seiner Haltung); ›mürbe (ütr.), nachgiebig, wankelmütig; im Willen gebrochen‹; bei Luther
positiv konnotiert: ›selbstlos, milde‹.Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
beweglich
krank
kürre
weich
abkräftig
arm
blöde
bröde
liedweich
Syntagmen:
j
. (z. B. der mensch
), js. natur m. werden / sein, j. von furcht m. sein
; jn
. (z. B. Adam
) / etw. (das menschliche gespring) m. machen
; m. des mutes
.Belegblock:
Helm, H. v. Hesler. Nicod.
220
(nrddt.
, 14. Jh.
): wend er von mutwiller kur | also cranc und also mur | von nihte in hiez werden.
Ders., H. v. Hesler. Apok.
916
(nrddt.
, 14. Jh.
): Wen her [Got] nach sines selbes kor | Adamen machet also mur | Daz her waz bewegelich | Von art unde ervalte sich.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron.
9537
(preuß.
, um 1330
/40
): sô suntte er ôt mûtis mur | und von vrier willekur, | want andirs nicht wen wullust | zu der sundin abekust | in î schuntte unde treib.
Luther, WA
10, 1, 1, 97, 11
(1522
): [Christus] der yderman fruntlich ist, niemant voracht, niemant vorsagt unnd gantz schlachtig, merb und genietig ist.
Ebd.
53, 419, 7
(1543
): das sie [Jüden] durch jr Elend zu letzt muͤrb und gezwungen werden, zu bekennen, das Messias sey komen.
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim.
427a, 36
(Frankf./M.
1649
): so lest man sie
[eine Frau]
dennoch nicht loß. sondern legt sie in ein haͤrter Gefaͤngnuß / da sie dañ wohl ein gantz Jahr in liegen / vnd gleichsam ein beytzen muß / biß sie muͤrb werde. Gerhard, Hist. alde e
777
(omd.
, um 1340
): Sust Jacob vort uberquam, | Van grozer vorchte was er mur.
Stackmann u. a., Frauenlob
12, 5, 2
(Hs. ˹nobd.
, 3. V. 15. Jh.
˺): Vürste, ein name gewaltig, | mür si im al unstete.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
232, 21
(Nürnb.
1548
): [da] aber vnter den Juden nicht ein han vmbkame / wurde er [Pharao] kuͤrr vnnd muͤrb.
Eichler, Ruusbr. obd. Brul.
2, 385
(els.
, E. 14. Jh.
): noch dan sint sv́ [menschen] muͤrwe vnd weich vnd bedoͤrfent milche vnd weicher spisen.
Luther, WA
16, 285, 20
; Kochendörffer, Tilo v. Kulm
1681
; Helm, H. v. Hesler. Apok.
475
; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß
249
.‒
Vgl. ferner s. v. bederben
2.2.
charakterisiert Gegenstände unterschiedlichster Art als gegensätzlich zu einem jeweils angenommenen Härtegrad: ›weich, zart, milde‹ (im positiven wie negativen Sinne); im einzelnen z. B.: ›locker‹ (vom Erdreich; dazu ggs.: hart
, Adj., 1); ›brüchig‹ (vom Eis; dazu bdv.: 1
dünne
2); ›biegsam‹ (von Ästen; dazu bdv.: saftig
, weich
); ›reif, weich‹ (von Äpfeln; dazu bdv.: milte
, Adj., 5, 1
reif
, Adj., 1); ›zart, klein‹ (von einem Körperglied); ›locker‹ (vom Ackerboden); ›sanft, angenehm‹ (von der Form der Nase); ütr. z. B.: ›frei; e. S. enthoben‹ (z. B. des Lasters); ›milde, nachsichtig‹ (vom Alter); ›Gott wohlgefällig‹.Syntagmen:
etw
. (z. B. ein ast, eine materie, das eis
) m. sein, etw. m. werden, die unstäte jm. m. sein
; ˹etw. m. zu acker machen, ein hun m. braten
˺ (jeweils objektbezogenes präd. Attr.), j. m. schmecken
(subjektbez. präd. Attr.); der mürbe acker / apfel / zweig, die mürbe nase, das mürbe lied
›Glied‹.Belegblock:
Ziesemer, Proph. Cranc Ez.
17, 22
(preuß.
, M. 14. Jh.
): ich wil nemen von dem marke des hoen cedirs und wil legen von dem wippele siner zwige eynen moryn
[
die múrbeMentel
1466: ; Var. 1475
zarten2
-1518 / Luther
1545: ]
zwig. Strehlke, Nic. Jerosch. Chron.
20175
(preuß.
, um 1330
/40
): hîvon dô der Memlen is | was murwe unde dunne.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
133, 20
(osächs.
, 1570
/7
): Der saffran will haben ein geil mürb erdreich.
Ebd.
138, 36
: Rasenfeld soll im Jacobsmonden [...] gar wohl murbe zu acker gemacht [werden].
Stackmann u. a., Frauenlob
5, 74, 16
(Hs. ˹nobd.
, 3. V. 15. Jh.
˺): tu uf die tür, | des lasters mür; | sich in den spiegel, darzu spür, | ob sich kein meil darin erbür.
Ebd.
12, 5, 2
: Vür-ste, ein name gewaltig, | mür si im al unstete.
Vetter, Pred. Taulers
313, 5
(els.
, 1359
): loͮf durch senfmuͤteclichen mit getult, so wurstu so wunderliche múrwe und smackest denne unserm herren úber alle masse wol.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
212r, 8
(Hs. ˹nalem.
, um 1400
˺): Múrwi huͤnr mit pfeffer / oder lembrin flaisch [...]; die zway súllent gesotten sin.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel
1, 94, 3
(Straßb.
1466
): so sein [feigbaum] asst ietzund ist múrbe
[nd. Bibel 1478:
week;
weichLang
1521: ;
safftigLuther
1545, Mt. 24, 32: ]
vnd die leúber geborn. so wisst das der sumer ist nachent. Adrian, Saelden Hort
1645
(alem.
, Hss. E. 14.
/15. Jh.
): und ez [kint] dur dich da liden | nach der e besniden | im sinú jungen murmen lider.
Maaler
296r
(Zürich
1561
): Murb / Weich. Vescum. Ein Murb ring erdtrich / daß sich geleych wie pulffer zermalen laßt. [...]. Murb / teig vnd matt werden von elte. Fracescere. Reyff vnd Murb werden. Mitescere. Murb oͤpffel / milt / reyff. Mitia poma.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
324, 21
(oobd.
, 1349
/50
): und ist zwischen zwain röcken ain kriezlohteu materi, diu ist gnuog mürb oder mar, aber si ist gar hert.
Ermisch u. a., a. a. O.
130, 27
; Adrian, a. a. O.
1689
; Stopp, Kochbuch S. Welserin
126, 1
; Klein, Oswald
22, 105
.3.
von Gegenständen gesagt, die einem angenommenen Qualitätsstandard nicht entsprechen; im einzelnen: ›bröckelnd‹ (von gummi
); ›morsch‹ (von einem Strang, von Holz).Bedeutungsverwandte:
faul
schmätterig
Belegblock:
Schöpper
74a
(Dortm.
1550
): Putre. Muͤrb faul ¶ wurmstichig.
J. W. von Cube. Hortus
77, 22
(Mainz
1485
): Das gumme ist nit guͦt daz sich balde lesset brechen vnd hoell vnd muͦrbe vnd fast styncket.
Bell, G. Hager
610, 2, 6
(nobd.
, 1609
): es jst je der strang ent zweÿ gerissen, | [...] | er war gar merb!
Maaler
357v
(Zürich
1561
): Schmaͤtterig / Das inn vil stucke zerfalt / Als murb erstickt holtz.
Schmitt, Ordo rerum
461, 42
; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß
249
.