lugen,
V.;
zu
mhd.
luogen
›sehen‹
(
Lexer
1, 1987
).
1.
›sinnlich sehen, mit den Augen wahrnehmen; wohin sehen, blicken, schauen‹; als Synekdoche: ›beobachten, wahrnehmen‹, teils Tendenz zu: ›(jn. / etw.) lauernd, heimlich beobachten, (auf jn. / etw.) spähen‹, mit dieser Nuance offen zu 3.
Phraseme:
jm. unter die augen lugen
;
jm. auf die eisen lugen
›jn. scharf beobachten‹ (eigentlich: ›die Fußspur des Reiters betrachten‹) im Gegensatz zu:
jn. an einem strohhalm weisen
›jn. sanft führen‹.
Bedeutungsverwandte:
ansehen
(V.) 1,
gutzen
 2,
schauen
 1,
sehen
,
warnemen
.
Syntagmen:
abs.;
hin und wieder, hin und her, um sich l
.;
j., der teufel l. als [...]
;
js
. (z. B.
des anderen
)
l
.;
auf etw., in das grab, in den -ofen, zum fenster heraus l., j. l., ob [...] / wen [...] / wie [...] / wo [...], die schule
(Subj.)
l., wie [...]
; auch als Interjektion:
lug!
Wortbildungen:
luger
1,
luginsland
›hoch gelegener Aussichtspunkt‹.

Belegblock:

Schöpper
30b
(
Dortm.
1550
):
Videre. Sehen lugen schauwen.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
658, 4751
(
Magdeb.
1608
):
Fragt / ob er kem zur Fastnachts frewd / | Oder wolt luegen wie es thut / | Wenn durch das weiß floͤß rotes Blut.
Quint, Eckharts Pred.
1, 88, 3
(
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
noch dû geluogtest nie in disen einvaltigen grunt einen ougenblick.
Ebd.
287, 1
:
Swaz der sêle in dirre werlt ist oder in dise werlt luoget und swâ ir iht begriffen ist und ûzluoget, daz sol si hazzen.
Schützeichel, Mrhein. Passionssp.
686
(
mrhein.
,
um 1335
):
Hie sint zwei swert, lug.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
10, 3
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
In der natur würken hastu nicht gesehen, in die mischung werltlicher sachen hastu nicht geluget, in irdische verwandelung hastu nicht gegutzet.
Fastnachtsp.
633, 9
(
nobd.
,
15. Jh.
):
Sie liept mir mer, denn steigen auf den Luginslant.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
517, 15
(
els.
,
1362
):
Do von luͦget er in einen bachofen.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel
7, 220, 18
(
Straßb.
1466
):
Sich vnd luͦg
[Var. 1483-1518:
schawe
;
Luther
1545, Hiob 35, 5:
Schaw
]
an den hymel: vnd schauwe die sternen.
Cirurgia H. Brunschwig
25ra, 21
(
Straßb.
[
1497
]):
So luͦg ob das pluͦtt vsz gang oder flicsz vß den venis cappillaribus.
Fuchs, Murner. Geuchmat
4817
(
Basel
1519
):
Er laßt sich an eim strohalm wysen, | So eben luͦgt sy [frouw Venus] jm vff ysen.
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
2, 414, 14
(
halem.
,
1508
/
16
):
Als si das vernamend, woltend si nüt lenger beliben, sunder heim zuͦ dem iren luͦgen.
Wyss, Luz. Ostersp.
10481
(
Luzern
1543
):
wir wend inhin gan | vnnd luͤgen, wo er syg, der helig man!
Maaler
276v
(
Zürich
1561
):
Luͦgen. Videre. Saͤhen [...]. Sich Luͦg Luͦg. Ecce Aduerb. demonstrandi: [...]. Einem doͤrffen vnder die augen Luͦgen [...]. Hin vnd har Luͦgen. [...]. Mit den augen hin vnd wider Luͦgen. [...]. Wenn du jnen in das angesicht Luͦgst / dunckend sy einen from͂ leüt sein.
Müller, Stadtr. Ravensb.
141, 11
(
oschwäb.
,
um 1413
):
Wer dem andern nachgaut oder des andern luͦget.
Sappler, H. Kaufringer
30, 2
(
schwäb.
, Hs.
1472
):
Man sicht auf erde wunders vil, | wer des eben luogen will.
Ebd.
16
:
an den schuohen tragentz lange spitz; | die gaffent auf in solicher witz, | das sie iren herren sehent an | und luogent, wie er sei ain man.
Chron. Augsb.
2, 251, 27
(
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
die von Fridperg [...] santen ir kuntschaftleut und ließen sie luegen, ob in icht begegnen wolt, das ir fueg wär.
Ebd.
8, 406, 12
(zu
1552
):
hat man angefangen, den graben bei dem Lueginslandt [...] machen (zu) lassen.
Weitz, Albich v. Prag
146, 18
(Hs. ˹
oobd.
,
A. 16. Jh.
˺):
wolt die geschwulst also nit vergen, so schneid sy auff vnd luͦg, ob kain ledig pain dar jnn sey.
Welti, Stadtr. Bern
452, 31
(
nalem.
,
15. Jh.
):
vnd sol och enkeiner vff spil niemans luͦger sin, noch ouch nieman vff spil nuͥtzit lichen.
Turmair
4, 971, 27
(
moobd.
,
1522
/
33
):
Kaiser Probus entwich in ainen gar hohen weiten turn, [...], den het er für ain wart und lueginsland pauen lassen.
v. Maren, Marquard. Ausgabe
33, 19
(
Venedig
1483
):
wan sie [maria] begert noch luͤget nicht vmb sich vnd redt ein wort nicht mit nyemant.
Quint, a. a. O.
2, 588, 3
;
Oorschot, Spee. Trvtz-N.
57, 20
;
Goedeke u. a., Liederb.
343, 91
;
Rohland, Schäden
5, 471
;
Sappler, a. a. O.
7, 114
;
14, 380
;
Diehl, Dreytw. Essl. Chron.
60, 13
;
318, 13
;
Chron. Augsb.
5, 318, 13
;
Klein, Oswald
70, 35
;
Dalby, Lex. Mhg Hunt.
1965, 145
;
Schweiz. Id.
3, 1221
.
2.
›aufmerksam zusehen, aufpassen; auf etw. bedacht sein, achtgeben, daß [...], dafür sorgen, daß [...], sich vorsehen, daß nicht [...]‹.
Phraseme:
dem ende nicht lugen
›nicht auf das Ende achten‹;
seiner schanze, auf seine schanze lugen
›auf sein Glück, seinen Vorteil achten‹.
Bedeutungsverwandte:
achthaben
 2.
Syntagmen:
js. fal l
. ›auf js. Nachteil bedacht sein‹;
l., das [...] / wie [...] / was [...] / welcher [...]
;
auf etw
. (z. B.
auf den irsal
),
für sich, zu etw., zu sich selber l
.;
fleissig l
.

Belegblock:

Enders, Eberlin
2, 127, 34
([
Wittenb.
]
1524
):
aber luͤge, das du dir selbst nit luͤgest.
Quint, Eckharts Pred.
1, 74, 3
(
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
Daz dû ez im allez gebest eigenlîche, sô luoge, daz dû dich under tuost in rehter dêmüeticheit under got.
Gille u. a., M. Beheim
239, 90
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
lugt, wie ir mogt wider ston | den ungetafften hunden
(bezogen auf die Türken).
Mayer, Folz. Meisterl.
35, 3
(
nobd.
,
v. 1496
):
Wer heilsamkeit beger, | Der lug das er sich nit verschult.
Turmair
1, 320, 23
(
Nürnb.
1541
):
wiewol wir uns für witzig und heilig halten und achten und doch daneben ein jeder auf sein schanz luget.
Rieder, Gottesfr.
106, 15
(
els.
,
1380
):
so tuͦt not, daz ieder mensche zuͦ ime selber luͦge, wie daz er sinen sattel erwere.
Spanier, Murner. Narrenb.
29, 43
(
Straßb.
1512
):
Er [iurist] luͦgt, das er ein andern hab, | Der im die sach gewunnen geb.
Roloff, Brant. Tsp.
526
(
Straßb.
1554
):
Wen glück sefftigkich anlachen thuͦt | Der luͦg und halt sich wol inn huͦt.
Bachmann, Morgant
171, 15
(
halem.
,
1530
):
wenn ein frow etwaz inn wyllen hat zethuon, so luoget sy dem end nŭt.
Maaler
276v
(
Zürich
1561
):
Luͦg für dich / vnd tracht was du handlest. [...]. Darzuͦ wil ich Luͦgen / das wil ich versaͤhen. [...]. Du wirst zuͦ meinen dingen wol Luͦgen.
Adomatis u. a., J. Murer. Zorob.,
521
(o. O.
um 1575
):
Luͦg luͦg und goum dich vor dem wyn.
Bauer, Geiler. Pred.
473, 24
(
Augsb.
1508
):
Luͦg auch das sich nit einmüschen üppige unnutze wort.
Chron. Augsb.
3, 194, 21
(
schwäb.
,
E. 15. Jh.
):
sunst ward nichts ausgericht, dann ieder man luͦgt des andern fall.
Ebd.
4, 223, 22
(
v. 1536
):
sie wellen luͦgen, daß (sie) ires hauptguͦts und der schäden einkommen.
Baumann, Bauernkr. Oberschw.
198, 3
(
schwäb.
,
v. 1542
):
die zwen fursten lugten die nacht irer schantz und namen den forteyl ain, die die kuniglichen am abent gehant hetten.
Klein, Oswald
40, 42
(
oobd.
,
um 1426
?):
frau, ich solt lügen auf mein schanz, | das ich den warner nicht versawm.
Enders, a. a. O.
3, 32, 36
;
Schade, Sat. u. Pasqu.
2, 174, 325
;
Dedekind/Scheidt. Grob.
187, 28
;
202, 14
;
217, 19
;
Sachs
5, 248, 18
;
Lauchert, Merswin
15, 17
;
Fuchs, Murner. Geuchmat
2014
;
Schmidt, Rud. v. Biberach
11, 18
;
Wyss, Luz. Ostersp.
5134
;
7462
;
Bauer, a. a. O.
472, 7
;
Fischer, Eunuchus d. Terenz
68, 3
;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß
228
.
Vgl. ferner s. v.
irsal
 2.
3.
›auf etw. aufpassen, die Einhaltung von etw. überwachen, etw. prüfen, kontrollieren‹.
Meist obd.; Rechts- und Wirtschaftstexte, Chroniken.
Wortbildungen:
lügeln
.

Belegblock:

Koller, Ref. Siegmunds
251, 39
(Hs. ˹
Basel
,
um 1440
˺):
Nuͦ luͦge yederman, wie es umb all sachen stand, das nüt in siner ordenunge stat.
Merk, Stadtr. Neuenb.
120, 20
(
nalem.
,
1616
):
es seie ihme dann vergunnt, [...] alle nächt zue den toren zue lugen, ob die beschlossen seien.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst
1, 204, 6
(
Straßb.
1522
):
und was den gantzen Tag hin und her gelauffen und het geluͦgt, das alle Ding recht zuͦgiengen.
Tobler, Schilling. Bern. Chron.
1, 49, 7
(
whalem.
,
1484
):
da hat man lút darzuͦ geordnet, die daruf [ordnungen] luͦgen solten.
Schib, H. Stockar
101, 14
(
halem.
,
1520
/
9
):
[ich] gieng in 5 kilch(en) und lugett, war die bylder hin warend kun.
Maaler
275r
(
Zürich
1561
):
Luͤglen vnd aufsaͤhen. Inspectare.
Rennefahrt, Gebiet Bern
99, 20
(
halem.
,
1626
):
söllend unsere amptlüth unsere räben [...] besichtigen und luͦgen, ob dieselben [...] in eheren gehalten und buwen werdint.
Dirr, Münchner Stadtr.
580, 18
(
moobd.
,
1380
):
Daz ir alle kramen und chaufm(anschaft), [...], beschawt und datzu luͤgt, daz iede(m)man recht geschech.
Winter, Nöst. Weist.
3, 122, 43
(
moobd.
,
1441
, Hs.
1565
):
do sollen die richterknecht auf warten und luegen.
Lexer, Tucher. Baumeisterb.
209, 6
;
Bernoulli, Basler Chron.
6, 371, 18
;
Welti, Stadtr. Bern
484, 24
;
Chron. Augsb.
5, 20, 4
;
183, 7
;
9, 232, 6
;
Winter, a. a. O.
4, 230, 30
.
Vgl. ferner s. v.
abweisen
 3.
4.
›sich nach etw. / jm. umsehen, Ausschau nach etw. halten, etw. zu beschaffen, jn. heranzubringen suchen‹.

Belegblock:

Michels, Murner. Badenf.
17, 56
(
Straßb.
1514
):
[Das sie] daran kein zwifal druͦgen, | Got wirt in vmb belonung luͦgen.
Bachmann, Haimonsk.
37, 11
(
halem.
,
1530
):
Luogend mir umm dis guot pfert; dann enttrŭnt das mir, so wyrd ich niemmer mer frölich sin.
Ebd.
219, 27
:
so verheyssen ich ŭch, daz ich uns umm spyß luogen will.
Jörg, Salat. Reformationschr.
297, 4
(
halem.
,
1534
/
5
):
das man voran / an denen von Zürch wett vermogen / sich und den Zwinglin / uff ein unpartyig end zuͦ eyner disputatz zebegeben / dann wete er um d(octor) Eggen ouch luͦgen.
Maaler
276v
(
Zürich
1561
):
Vmb gält Luͦgen. Comparare argentum.
Schweiz. Id.
3, 1223
.
5.
›etw. überlegen, betrachten, über etw. nachdenken‹.

Belegblock:

Gille u. a., M. Beheim
195, 163
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
lugt er czu perg, da sicht er cler | das himlisch vater lande.
Reichert, Gesamtausl. Messe
8, 24
(
Nürnb.
um 1480
):
Priester lug und besich dich selbs, zu was diener du gegeben seyst durch aufflegung der hende des bischofs.
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
9r, 26
(
Zürich
1521
):
Nun laß vns luͦgen / was hat den sun gottes von dem himel vff erd gezogen.
6.
›hervor-, herausscheinen (von Edelsteinen)‹; als Ütr. zu 1 auffaßbar.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok.
8070
(
nrddt.
,
14. Jh.
):
Uzer den [cronen] sach man lugen | Manich edele gimmen.