liederlich,
Adj.
1.
›nachlässig, leichtfertig (von der Haltung und den Handlungen des Menschen); seiner sozialen Verantwortung und Verpflichtung nicht nachkommend; durch Nachlässigkeit unfähig; schuldig, verantwortungslos‹; auch: ›gewöhnlichen Standes, gering‹.Bedeutungsverwandte:
ablässig
entbunden
farlässig
faul
heillos
hinlässig
las
lässig
leichtfertig
nachlässig
nichtsöllig
nichtswürdig
1
säumig
sorglos
träge
unachtsam
unfürderlich
unnüz
verachtlos
versäumlich
verachtig
vertüig
unnütze
weich
Gegensätze:
aufrecht
Syntagmen:
j. (in seinem werk) l. sein
; l. handeln / lernen, etw. l. verprassen, etw. (ein ampt) l. ausrichten, jn. l. vereren / verfüren, etw. l. wenden
›leichtfertig behandeln‹, sich l. mit jm. einlassen, l. einen krieg anfangen, sich e. S. l. verwegen
; der liederliche haushalter / meister, das liederliche gebändze / haushalten, die liederliche tat / tochter, liederliche leute
.Wortbildungen:
˹liederliche
die
), liederlichkeit
Belegblock:
Schöpper
30a
(Dortm.
1550
): Negligens. Hinlässig lässig seumig vnachtsam verachtig faarlessig liederlich verachtloß sorgloß ablessig ¶ seumling seumiger.
Ebd.
56a
: Inutile. Unnuͤtz liederlich vnfuͤrderlich nichtsoͤllig.
Luther, WA
32, 527, 38
(1530
/32
): geschihet jn ja recht, die sich so liderlich verfuren lassen.
Loesch, Kölner Zunfturk.
11, 46, 13
(rib.
, 1500
): dardurch mench minsch in verschinener zijt des lidderlichen gebentz ind versummnis der wonden halven verwarloeist ind afliffich worden ist.
Schwartzenbach
E iiijr
(Frankf.
1564
): Faul. [...]. Hinlessig. Liederlich. Ablessig. Nachlessig. Seumig. Vmfruͤtig. Vnwacker.
Lexer, Tucher. Baumeisterb.
278, 33
(nürnb.
, 1464
/75
): Als dan liderlich meister hie aufgenummen sein auf dem hantwerck der decker piß her, die den morter nit gewist haben zu bereiten.
Fischer, Folz. Reimp.
18, 179
(Nürnb.
um 1520
): Wie er zu vil lyderlich sey | Mit vil dingen, und sagst darpey | Der frawen fur, ir sey der man | Zu hert.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel
8, 49, 19
Var. (Straßb.
1466
): Der do ist linde vnd entpunden
[Var. 1475
liederlich2
- 1518: ;
faul, traagFroschauer
1530: ;
waichEck
1537: ;
lassLuther
1545, Spr. 18, 9: ]
in seim werck: der ist ein bruͦder des des seine werck seint verwust. Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew.
21, 26
(Straßb.
1650
): werden also die arme Teuffel eben schlecht gehalten vnd liederlichen verehret, da wir doch so hungerig nicht sind, daß wir alles das so man vns zuwünschet annehmen wirden.
Haas u. a., Erasmus/Jud. Klag
26, 19
(Zürich
1521
): Der nienar vff ein uffsehen hat dann uff gemeinen nutz / facht nit liederlich ein krieg an.
Maaler
273r
(Zürich
1561
): Liederlich vnnd nit aufraͤcht seyn in seinem ampt. [...]. Er ist eines Liederlichen vnnd schmaͤchlichen tods vmbkommen.
Ebd.
341r
: Sag nit das es meiner liederliigkeit schuld seye.
Rennefahrt, Zivilr. Bern
432, 11
(halem.
, 1564
): von der unnuͥtzen liederlichen lütten wegen, di ir guͦt mit merckten, tuschen, gält uffbrächen, entlenen, zeren, kouffen, verkouffen, verbürgen, versetzen, [...] verthünd.
Chron. Augsb.
5, 388, 14
(schwäb.
, um 1530
): es hett sich das auch niemandt liederlicher understeen [...].
Rot
358
(Augsb.
1571
): Vanitet, Eytelkeyt / lug [...] / liederlichkeyt.
Barack, Zim. Chron.
1, 423, 32
(schwäb.
, M. 16. Jh.
): in dem er kain mangel oder etwas befunden, darin er fürnemlich, dann allain umb sein saumnus und liederligkait in aignen sachen, zu strafen gewesen.
v. d. Broek, Suevus. Spieg. 182 r,
41
; Chron. Nürnb.
2, 371, 6
; Goedeke, Fischart Flöh Haz
3456
; Qu. Schweiz. Gesch.
1, 165, 3
; Bachmann, Haimonsk.
82, 3
; Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
157, 7
; 192, 14
; Dict. Germ.-Gall.-Lat.
307, 24
; Rwb
8, 1316
; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß
223
; Schweiz. Id.
3, 1100
.‒
Vgl. ferner s. v. 1
aufbrechen
13, bevogtung
, begschierer
.2.
›schnell, rasch; unüberlegt, übereilt, voreilig‹; offen zu 1 und 3.Bedeutungsverwandte:
schnel
unbesonnen
bald
leicht
leichtfertig
leichtiglich
Belegblock:
Sachs
18, 353, 17
(Nürnb.
1565
): Das alls kurtze zeit thut bestehn, | Gleich eim schlaff liderlich vergehn.
Ebd.
20, 299, 6
(Nürnb.
1563
): Daß sie [lieb] nit liderlich abfellt, | Weil lieb sein lieb helt trew und vest.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
2808
(halem.
, Hs. um 1435
): Er [lÿp] dring da durch aͮn allen wank | Als liederlich als ain gedank.
Turmair
1, 198, 27
(moobd.
, 1529
): er
[Papst]
ist je von himel und hell mit seiner gewalt so liederlich verstossen worden, über welche er lange zeit die schlüssel so gewaltiglich gehabt hat, im sein schwert, den ban, [...], so liederlichen [dies zu 1]
zucken lassen. Ebd.
4, 12, 22
(moobd.
, 1522
/33
): wie unbestendig [...] der ruem, [...] seie, wie es gar schnel und liederlich zergê.
Ebd.
725, 30
: Der angelt mit ainem gulden angel, der unbesunnen und liederlich sich in krieg begibt.
Chron. Magdeb.
2, 200, 10
; Bachmann, Haimonsk.
207, 15
.‒
Vgl. ferner s. v. anzäugen
1.3.
›mühelos, leicht, ohne Schwierigkeiten, auf leichte Weise‹.Bedeutungsverwandte:
leichtlich
leicht
ringlich
gering
leicht
Syntagmen:
l. davon kommen, ledig werden, etw. glauben, l. einen anfang machen, l. zu behaben
›zu erhalten‹ sein, l. vogtbar werden
(von Gütern), eine stat l. nemen, sich l. vergleichen, sich l. abweisen / bereden / überwinden lassen, etw. (ein übel) l. zerrinnen lassen, l. bedenken, das [...]
.Belegblock:
Luther, WA
41, 585, 19
(1536
); so wir sehen, wie sich die arme leute so liderlich lassen dahin reissen vom Wort.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
20, 30
(Hs. ˹omd.
, 1465
˺): was scheuzlich ist, das ist leidenlich
[Var. schwäb., um 1500:
liederlich]
zu haben. Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
2, 153, 18
(halem.
, 1508
/16
): si
[Zürcher; ...]
hatend ein guͦt sach fersumt; den si dise stat abermals liederlich hetind mogen in nemen. Unger, Richtes Stig
3, 12
(1474
): durch sölich eigenschaft
[
libeigen sein]
wer die gut liederlich vogtper. Mollwo, Rotes Buch Ulm
234, 7
(schwäb.
, 1418
): als unser luͥte [...] untz her ringlich und liederlich in unser statt Ulme kommen sind.
Müller, Welthandelsbr.
130, 12
(schwäb.
, 1506
): So du dan waist, wie vil reali auf ain onz am gewicht, so magst liederlich machen, wie du ain allain nemen oder koufen solt.
Reithmeier, B. v. Chiemsee
33, 7
(München
1528
): Jme [Cristo] mit lieb, geduld vnd mitsamkait begegnen, auch dir das vbel der straff vnnd zeitlicher widerwaertigkeit liederlich zerynnen lassen, auf das du [...] selig werden moegst.
Toeppen, Ständetage Preußen
5, 620, 33
; Luther, WA
30, 2, 701, 5
; Schade, Sat. u. Pasqu.
3, 45, 37
; Franz u. a., Qu. hess. Ref.
2, 342, 4
; Chron. Nürnb.
5, 611, 3
; Sachs
14, 315, 4
; 20, 290, 28
; Bachmann, Haimonsk.
41, 6
; Brandstetter, Wigoleis
201, 28
; Reithmeier, a. a. O.
7, 9
; Dict. Germ.-Gall.-Lat.
307, 29
.‒
Vgl. ferner s. v. abweisen
5, behelfen
4.4.
›freiwillig, aus eigenem Antrieb; leutselig, gelassen‹.Bedeutungsverwandte:
s. u. Höver
; vgl. gern
gewillig
gunstwillig
gutwillig
los
Belegblock:
Höver, Bonaventura. Itin. B
392
(moobd.
, 1450
/60
): die aller hochst ausgiessung mag nicht gesein, sy sey denn [...] selbstendigkleich naturleich, willig, freymuͤtig, liederleich.
Turmair
5, 336, 20
(moobd.
, 1522
/33
): Hainrich, [...] der Lew, ist ein ernstlicher weiser fürst gewesen [...], ein milter liederlicher fürst mit allen leuten.
5.
›geringfügig‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. geringfüge
klein
kleinfüge
leicht
Syntagmen:
von liederlichen sachen, aus liederlichen ursachen, aus liederlichem wortgezänk, um liederliche dinge, um liederlicher ursachen willen
.Belegblock:
Oorschot, Spee/Schmidt. Caut. Crim. 279 a,
7
(Frankf./M.
1649
): daß man meines erachtens offt auß gar liederlichen Ursachen [...] die gefangene auff die Folter erkennet.
Koller, Ref. Siegmunds
309, 24
(Hs. ˹Augsb.
, um 1440
˺): Wir sechen dick wol, das von liderlichen sachen offt groß krig auffsten.
Müller, Alte Landsch. St. Gallen
236, 28
(halem.
, 1525
): wenn also ein biderman umb liderlich ding verclagt, das dann der vernunft und dem rechten gemäs ime der vercleger anzögt und gestellt werde.
Luther, WA
49, 612, 32
(1544
); Oorschot, a. a. O.
341a
, 23.6.
›etwa, ungefähr‹.Belegblock:
Peil, Rollenhagen. Froschm.
5917
(Magdeb.
1608
): Liederlich vmb den halben werth | Wie ein alt abgetrieben Pferd.
7.
›reizend, anmutig (von Personen, Handlungen)‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. geschöne
gnadenreich
lustsam
Belegblock:
Klein, Oswald
18, 106
(oobd.
, 1416
): In urtail, rat vil weiser hat geschätzet mich, | dem ich gevallen han mit schallen liederlich.
Ebd.
57, 18
(um 1402
?): Weiplicher weib mensch nie gesach, | so liederlich an tadels punt.
Ebd.
91, 19
(1409
?): so ich betracht und acht, | das mich liederlichen umbfacht | ermlin macht.
8.
in formaler und inhaltlicher Anlehnung an luderlich
: ›mittels eines Köders‹.Belegblock:
Sachs
13, 35, 8
(Nürnb.
1556
): er muß sterben von meiner hand; | Ich wil im wol ein luder steln, | Das ich in liderlich wil feln.