kiesen,
V., unr. abl.,
gramm. Wechsel.1.
›jn. (z. B. zu einem Amt) wählen; etw. wählen, aussuchen; sich für jn. / etw. entscheiden‹.Vorwiegend älteres Frnhd.
Bedeutungsverwandte:
eligieren
erteilen
erwälen
setzen
verordnen
wälen
küren
Syntagmen:
einen abt / babst / banwarten / bischof / beisitzer / bergmeister / bürgen / bürgermeister / vogt / förster / geschworenen / hauptman / keiser / könig / (landes)herrn / pfarrer / probst / rat(man) / richter / schätzer / schirmer / schöffen / schultheissen / unterhändler / zentgrafen, eine witwe k., jn. zu einem ampt, zu(m) bischof / hofmeister / könig / prelaten / rat / verweser / vormunden k., ochsen k., auf etw.
(z. B. auf einen gang
) k.
Wortbildungen:
kieser
kiesung
auserwälung
erwälung
kür
die
, 6, wal
kieswein
Belegblock:
v. Bunge, Livl. UB
4, 74, 21
(nrddt.
, 1395
): dunket is in geraten, her kise vire man us sim gestichte, der gebitiger sal ouch vire kisen siner manne.
Große, Schwabensp.
123, 21
(Hs. ˹nd.
/md.
, um 1410
˺): Den Romeschen konigh solen keisen de papen vorsten vnde vier leyen vorsten.
Oorschot, Spee. Trvtz-N.
251, 8
(wmd.
, 1634
): O wie zartes Laub, vnd Gras! | Wer wil schöners Leben kiesen?
Chron. Köln
1, 316, 43
(rib.
, Hs. 1. H. 15. Jh.
): he [...] gaf rait darzo, do sin partie Johan Quattermart unden zo raide kiesen woulden.
Ebd.
2, 422, 1
(Köln
1499
): was noch niet gegeven of gesatzt die ordenunge zo halten in der kiessung eins roemschen koninks.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
6695
(rib.
, 1444
): Ganck mynen wech off kuys den anderen, | Wilchen dat dich lust zo wandelen.
Kehrein, Kath. Gesangb.
2, 640, 16
(Köln
1619
): Soll ich dein Reich Herr verliessen, | Ehe wolt ich der Creutz hundert kiesen.
Wolf, Norm im sp. Ma.
53, 59
(omd.
, v. 1496
): so sint phligtig dy vor genanten bruder, [...] in dem namen des heren czu kißen eyn andern czu eymen huͤter.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
62, 20
(omd.
, 1514
/8
): Die vier geschwornen des bergs werden durch die gewerckschaft [...] mit wissen und rath des berckmeisters gekorn.
Thiele, Chron. Stolle
313, 34
(thür.
, 3. Dr. 15. Jh.
): die gulden bullen, dy dann heldet, wie man eyn romischen konigk adir keyser kysen sal, unnd wo man den kessen unnd kronen sal.
Ermisch, Freib. Stadtr.
23, 6
(osächs.
, Hs. v. 1325
): daz kint mac kisen zu vurmunden, wen iz wil.
Wutke, Schles. Bergb., Cod. Sil.
21, 8, 13
(schles.
, 1529
): dass die gewergken macht haben sollen einen bergmeister und geschworn [...] zu kiessen und zu vorändern.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
25, 11
(nobd.
, 1430
): so haben die menner in dem dorfe macht, scheczer zü kiesen und zü seczen, wen sie wollen.
Dienes, E. Gros. Witwenb.
41, 4
(Nürnb.
, 1446
): Paulus sagt dor noch, das man schal kysen eyne witwe.
Bernoulli, Basler Chron.
5, 86, 8
(alem.
, 1410
): Da [...] ez dazuͦ kam, daz die kieser, die dez jares gekosen hattent, irs eydes, den sy von irs kiesendes wegen gesworn hattent, erlassen wurdent.
Lauchert, Merswin
4, 31
(els.
, 1352
/70
): so wil ich noch húte das bessere kiesen.
Koppitz, Trojanerkr.
8660
(Hs. ˹noschweiz.
, 15. Jh.
˺): Was sy an fröden ee verzagtt, | Daz ward verkertt in fröde gross | Do sy den edlen ritter koss.
Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk.
1, 6, 17
(Luzern
1526
): Also fil beum kieset Markolfus, vnd wil dennocht keiner gefallen doran in gelust zuͦ erwurgen.
Graf-Fuchs, Ämter Interl./Unterseen
80, 30
(halem.
, 1385
): denne sullent die selben schidlǔte einen gemeinen obman zuͦ inen kiesen.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron.
100, 15
(moobd.
, 1478
/81
): under den ward Donatus, der graf, zu ainem haubtman erkoren.
Chron. Magdeb.
2, 108, 8
; Helbig, Qu. Wirtsch.
2, 23, 14
; Buch Weinsb.
5, 478, 13
; Kollnig, Weist. Schriesh.
305, 15
; Strauch, Par. anime int.
11, 17
; Anderson u. a., Flugschrr.
21, 4, 25
; Opel, Spittendorf
124, 14
; Bindewald, Texte schles. Kanzl.
143, 7
; Dienes, E. Gros. Witwenb.
33, 10
; Bihlmeyer, Seuse
363, 10
; Chron. Strassb.
123, 1
; Vetter, Pred. Taulers
415, 1
; Köbler, Stattr. Fryburg
123, 9
; Piirainen, Stadtr. Sillein
126b, 15
; Henisch
1450
; Dict. Germ.-Gall.-Lat.
271
; Dief./Wü.
697
; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß
194
; Schwäb. Wb.
4, 364
; Rwb
7, 802/8
; Veith, Bwb.
289
; Cirullies, Rechtsterm. Anh.
1981, 223
; Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 59
.‒
Vgl. ferner s. v. abbegeren
, abnemen
(V.) 13, achte(r)
(der
) 1, alterman
, älteste
1, ampt(s)meister
3, aufgift
1, auflaufen
8, aufrechnung
, austreiben
13, 2
ban
1, bank
16, barchent
1, beerben
3, behalten
(V.) 10, behuben
, beikiesen
, beisitzer
1, jargezeit
.2.
im Syntagma den tod / das ende kiesen
›den Tod erleiden, sterben‹.Belegblock:
Froning, Alsf. Passionssp.
2329
(ohess.
, 1501ff.
): er ich kieße widder den toid, | hilf mich lieber uß aller noit!
Henschel u. a., Heidin
368
(nobd.
, um 1300
): Vil mancher ovh von grozer not | Mvste do kiesen den tot.
Dienes, E. Gros. Witwenb.
82, 21
(Nürnb.
, 1446
): er sie die ließen vermackeln, er schölten sie den tot kyse.
Sappler, H. Kaufringer
11, 68
(schwäb.
, Hs. 1464
): so kiuß ich den pittern tot | alhie vor den augen dein.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin
2, 2, 235
(schwäb.
, 1471
): Sol ich dan mein end kiesen, | Wie künd ich ym̄er bas verliesen | Meinen leib.
Weber, Füetrer. Poyt.
10, 7
(moobd.
, 1478
/84
): Wer nach der wirbt, für war, der mŭes | kiesen den tod, dy red ist sunnder laugen.
Kummer, Erlauer Sp.
2, 315
(m/soobd.
, 1400
/40
): muͤßn all von den henden mein | chiesen den pittern toͤd.
Froning, a. a. O.
2903
; Henschel u. a., a. a. O.
1051
; Vetter, Pred. Taulers
255, 24
; Pfaff, Tristrant
89, 25
; Munz, Füetrer. Persibein
280, 1
.3.
im Syntagma zu e. S. kiesen
›auf etw. gefaßt sein, sich um etw. kümmern, sich jm. / e. S. widmen‹.Belegblock:
Helm, H. v. Hesler. Apok.
22452
(nrddt.
, 14. Jh.
): iz steit nicht stillen | An des menschen willen | Wider her wil oder enwelle | Kiesen hin zu der helle.
Kurz, Waldis. Esopus
2, 17, 38
(Frankf.
1557
): Solst lieber zu der arbeit kiesen | Vnd zu eim muͤheseligen leben, | Denn das dich jung in todt must geben.
Karsten, Md. Paraphr. Hiob
2093
(omd.
, 1338
): Ich [...] also zu dem tode koz | Daz ich diser pyne loz | Gar aller dinge wurde.
Mone, Adt. Schausp.
1, 3119
(Hs. ˹omd.
, 1391
˺): sal her uch mit stormen gewynnen an, | soͤ muͤst ir alle dar czuͤ kysen, | dy helfe muͤst ir vorlysen.
Neumann, Rothe. Keuschh.
3920
(thür.
, 1. H. 15. Jh.
): hir ynne wirt auch besachet | ein magit di zu Cristo had gekorn.
4.
›etw. kosten, prüfen‹; auch: ›als Ergebnis einer Prüfung eine Entscheidung treffen‹.Bedeutungsverwandte:
besehen
2
kosten
versuchen
Syntagmen:
beren / tuch / wein / wolle, einen trank, eine wunde k.
Wortbildungen:
kieser
kiesung
Belegblock:
Ermisch, Freib. Stadtr.
276, 30
(osächs.
, 1350
/79
): Kisen denn dyͤ burger mit den meistirn, daz dyͤ tuch valsch unde ungerecht sint, so sal man dyͤ tuͤch vorbuͤrnen.
Bindewald, Texte schles. Kanzl.
19, 33
(schles.
, 1330
): wo wir abir daz nicht inhildin, daz ire man vn̄ vnse kurin, daz wir gebrochin hettin, so sullin di phant ir sin.
Ukena, Luz. Sp.
4337
(halem.
, 1575
): Den wyn zuͦ kiesen keiner weyßt / Dann ich allein.
Schwäb. Wb.
6, 2293
; Schweiz. Id.
3, 524
.5.
›etw. erkennen, wahrnehmen, unterscheiden‹.Belegblock:
Holtzmann, Gr. Wolfdietrich
242, 4
(Hs. A. 15. Jh.
): ich küse an uwer farwe, | der wehter hat nit gelogen.
Hübner, Buch Daniel
6050
(omd.
, Hs. 14.
/A. 15. Jh.
): do wart er loz | Des hornis, daz man e koz | Mitten an der stirnen sten.
Schönbach, Adt. Pred.
13, 40
(osächs.
, 1. H. 14. Jh.
): alsus machtu kiesen daz du hart bist an dime herzen.
Koppitz, Trojanerkr.
14916
(Hs. ˹noschweiz.
, 15. Jh.
˺): Ir wisshaitt was och also grosz | Daz sy an dem gestirnne kos | Waz wunders söltte geschechen.
Plant u. a., Main. Naturl.
293ra, 6
(ohalem.
, Hs. E. 14. Jh.
): div erde [...] ist kvgeleht dc mac man kiesin dabi wā so der mane verleschit.
Sappler, H. Kaufringer
19, 52
(schwäb.
, Hs. 1472
): Man mag der welt unhail auch kiesen | in den natürlichen sachen.
Primisser, Suchenwirt
25, 67
(oobd.
, 2. H. 14. Jh.
): Ein chnauf von aim rubeine | Chos ich auf dem gezelde chluͦg.
Drescher, Hartlieb. Caes.
289, 26
(moobd.
, 1456
/67
): Daraus mag man kyesen das der priester ein unkewscher gewesen sey.
Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
507, 4
(moobd.
, 1473
/8
): Sy zaigt‘ in die unminne | das man wol pluetvar kiesen mocht ir spor.
Hübner, a. a. O.
5997
; Gille u. a., M. Beheim
119, 150
; Matthaei, Minner. I,
9, 57
; Plant u. a., a. a. O.
298
vd, 5; 299v
, c9; Primisser, a. a. O.
24, 113
; Rwb
7, 801
.