kalt,
Adj.
1.
›kalt, wenig oder keine Wärme enthaltend, von niedriger, unter der Erwartung liegender Temperatur‹; ütr.: ›unfruchtbar; tot‹.
Phraseme:
jn. geht (es) kalt an
;
das brot in einen kalten bakofen schiessen
›eine Tote schänden‹;
bei kaltem feuer kochen
›sich umsonst bemühen‹;
kalt und warm aus einem maul blasen
›es beiden Parteien recht machen wollen‹;
etw. gibt / macht weder kalt noch warm
›etw. nützt nichts‹;
kalt stehen
›wirkungslos bleiben‹;
kalt und warm geben
›Verwandte verpflegen‹;
jm. einen kalten rok anlegen
›jn. in Ketten legen‹;
kaltes bad
›Gottesurteil in Hexenprozessen‹;
kalter markt
›Wintermarkt‹;
kalter streich
›Streich des Scharfrichters‹.
Bedeutungsverwandte:
erfroren
 1,
erkaltet
,
erstart
,
feucht
,
frisch
,
frostig
,
gefroren
,
schaurig
.
Gegensätze:
heis
(Adj.) 1,
warm
.
Syntagmen:
etw. / jn. k. machen
(›etw./ jn. abkühlen; jn. umbringen‹);
k. bleiben / werden
auch ütr. für: ›sterben‹;
kalter acker / austag / brunne / greis / keller / leib / luft / ort / schne / schweis / stein / wein / winter, kalte kost / mauer / nacht / natur / sache / schale
(Gericht aus kaltem Bier, Wein oder Milch) /
speise / stat / zeit, kaltes bad / eis / eisen / fleisch / holz
(›minderwertiges Holz‹) /
land / mus / wasser, kalte länder
.
Wortbildungen:
kaltbad
,
kaltfrässig
›hungrig vor Kälte‹ (a. 1614),
kältlich
,
kaltpfister
›Brothändler, der nicht selbst backt‹ (seit 1385),
kaltwind
›Schneewind‹.

Belegblock:

Lappenberg, Fleming. Ged.
475, 34, 1
(
1636
):
So löse dich denn nun mit deiner kalten Schalen, | die wolschmeckt nach kaneel.
Buch Weinsb.
1, 278, 30
(
rib.
,
um 1560
):
dieweil es mit den kalten winen noch zu frohe [...] war.
Kehrein, Kath. Gesangb.
2, 715, 2
(
Köln
1608
):
Es war sich heindt die kelste nacht, | Das Jesus Cristus geboren wardt.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
257, 9
(
osächs.
,
1570
/
7
):
Wo kalt land ist pflegt man die weinstocke zu decken.
Luther, WA
32, 453, 21
(
1532
):
das es sich nicht leidet zweyen ungleichen herrn zugleich dienen [...] heisst auf deudsch: ‘Den baum auff beiden achseln tragen‘ und ‘kald und warm aus einem mund blasen’.
Ebd.
33, 334, 3
(
1531
):
so muͤst es auch ein kalter Winter sein, das ein Wolff den andern fresse.
Eis, Albrants Roßarzneib.
120, 8
(
schles.
,
1361
/
6
):
wirf daz ros nedir unde beguys is mit caldym wassir.
Opitz. Poeterey
45, 6
(
Breslau
1624
):
Hernachmals / wann ich kalt
[›tot‹]
schon bin / Da wil ich Gott den rest befehlen.
Gille u. a., M. Beheim
140, 58
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Davon ir leib furbasser | wurt erseuffczen van kaltem swaiss.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
204v, 2
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1400
˺):
gluͤg jn / vff ainem ysen vnd mach jn kalt jn essich.
Thiele, Minner. II,
2, 50
(Hs. ˹
nalem.
/
sfrk.
,
1470
/
90
˺):
ein kaltes waffen gan | ducht mich durch myn versertes hercz.
Bächtold, H. Salat
57, 31
(
halem.
1540
):
uffen abend gieng mihs kalt an, hats die ganz naht.
Wiessner, Wittenw. Ring
4227
(
ohalem.
,
1400
/
08
):
ein guoten luft [...] nicht ze haisse noch ze kalt.
Schlosser, H. v. Sachsenh.
1593
(
schwäb.
,
1453
):
Brinhilt, du achst nit, ob ain huͦn | Ain kalten winter bairfuͦs gaͮt.
Koller, Ref. Siegmunds
266, 20
(Hs.
um 1474
):
dye haben woll von allen hantwercken geselschafft, das sye züsamengeen, das geyt weder kalt noch warm.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
10, 18
(
tir.
,
1464
):
[ich] lag da mit kaltem leib als ein totter mensch.
Quint, Eckharts Pred.
1, 336, 9
;
Strauch, Par. anime int.
129, 32
;
Luther, WA
47, 406, 20
;
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 238, 2
;
Asmussen, Buch d. 7 Grade
345
;
Harsdoerffer. Trichter
3, 285, 12
;
Plant u. a., Main. Naturl. 297vc,
17
;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
365, 31
;
Gajek, Seidelius. Tych.
15, 2
;
Roloff, Brant. Tsp.
1844
;
Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr.
7, 48, 31
;
Lemmer, Brant. Narrensch.
99, 80
;
Jörg, Salat. Reformationschr.
84, 6
;
Stopp, Kochbuch S. Welserin
22, 3
;
Starzer, Qu. Wien
1, 5, 5576, 160
;
Voc. inc. teut.
m vjv
;
Alberus
G jr
;
Schöpper
82a
;
Maaler
240v
;
501r
;
Volkmar
540
;
Stieler
1, 919
;
Rwb
6, 740/1
;
Schwäb. Wb.
4, 168/9
;
6, 2256
;
Schweiz. Id.
3, 239/42
;
5, 1197
.
Vgl. ferner s. v.
abschlagen
 18,
abtreiben
 12,
allein
 5,
1
alt
 5,
amacht
 2,
anhang
 3,
arm
(Adj.) 1,
1
asche
 1,
atem
 2,
ausquellen
(V., unr. abl.),
austag
 2,
auswurf
 7,
bachofen
 1,
bald
 1,
bauen
 1; 4,
bauman
 1,
beheblich
 2,
beissen
(V.) 1.
2.
zur Charakterisierung einer der vier Primärqualitäten in der Temperamentenlehre oft Bestandteil von Krankheitsbezeichnungen: ›von kalter Natur, phlegmatisch‹.
Gegensätze:
vgl.
heis
(Adj.) 2.
Syntagmen:
kalter (blut)stein / brand
(›Gangrän‹)
/ flus / husten / jachant / magen
(›Gastritis‹)
/ same / schade / siechtum / tropfen, kalte art / erde / feuchte / frucht / gicht / komplexion / krankheit / lunge
(›Bronchitis‹)
/ materie / natur
(›Phlegma‹)
/ rose / sucht, kaltes apostem / blei / ding / fieber / gebresten / geschwür / geschwulst / (ge)sücht / hirn / öl / orenwe
.
Wortbildungen:
kaltfeucht
›phlegmatisch‹,
kalt(ge)sücht
›rheumatische Krankheit‹ (seit 1474),
kältig
(a. 1611),
kältigkeit
,
kaltmutter
›Darmleiden, Kolik‹ (a. 1482; dazu bdv.:
darmgicht
,
darmsiechtag
,
grimsiechtag
), ˹
kaltpis
(a. 1469),
kaltseich(e)
,
kalte pinkel
˺ ›Harnzwang‹ (dazu bdv.:
harnstrenge
,
harnwinde
,
pinkel
),
kaltsiechtag
›Fieber‹,
kaltsüchtig
,
kalttrocken
›melancholisch‹.

Belegblock:

Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
168, 14
(
Frankf.
1535
):
auch dient es [petroleum] zu dem kalten orenwee.
J. W. von Cube. Hortus
41, 4
(
Mainz
1485
):
daz diß frucht sy kalt an dem ersten grade vñ drucken an dem anfang des andern.
Schmitt, Ordo rerum
331, 18
(
omd.
1466
):
Flecmaticus kaltfuchtiger.
Ebd.
331, 19
:
Melancolicus kalttrockener.
Mylius
C 3v
(
Görlitz
1577
):
Stranguria Die kalte pinkel.
Strauss, A. v. Villanova dt.
163v, 3
(
obd.
, Hs.
1421
):
negelin [...] sint gut für kalten gebresten.
Plant u. a., Main. Naturl. 294vd,
2
(
ohalem.
, Hs.
E. 14. Jh.
):
die svnne heiz vñ durre, d mane vñ venus fuͥhte vñ calt.
Sudhoff, Paracelsus
13, 10, 25
(
1525
/
6
):
das element ein complex an im habe, heiß oder trocken, kalt oder feucht, kalt oder trocken, heiß oder feucht.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
344, 15
(
oobd.
,
1349
/
50
):
rosa haizt ain rôs, [...] diu ist kalt in dem êrsten grâd und trucken in dem andern grâd.
Haage, Hesel. Arzneib.
1v, 11
(Hs. ˹
noobd.
/
md.
,
E. 15. Jh.
˺):
also hat es den kalten flusz von dem herczen und von dem magen.
Ebd.
3r, 2
:
Wenn der harem ist plaichv | so hat er die kalten gicht.
Belkin u. a., a. a. O.
154, 8
;
J. W. von Cube. a. a. O.
1, 8
;
Keil, Peter v. Ulm
188
;
Haage, a. a. O.
7v, 7
;
Menge, Laufenb. Reg.
1128
;
Lemmer, Brant. Narrensch.
55, 15
;
Rohland, Schäden
447
;
Pfeiffer, a. a. O.
356, 8
;
Diefenbach, Mlat.-hd.-böhm. Wb.
2, 121
;
Voc. Teut.-Lat.
p viijv
;
q ijv
;
Alberus
KK jr
;
Maaler
240v
;
Golius
255
;
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
265
;
Diefenbach
188a
;
228b
/c;
239b
;
555a
;
Brinckmeier
1, 1081
;
Crecelius
2, 494
;
Schwäb. Wb.
4, 169/70
;
6, 2256
;
Schweiz. Id.
3, 239
;
7, 139
;
288
/9;
Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib.
1989, 159
.
Vgl. ferner s. v.
abwaschen
 1,
after
(Präp.) 7,
art
(
die
) 12,
arzeteien
,
auferlösen
,
auslerung
.
3.
bezogen auf Gemütszustände des Menschen: ›gefühllos, gleichgültig, steif‹; in religiösen Texten: ›ohne Glauben, ohne Andacht, abgefallen‹; offen zu 2.
Phraseme:
es geht jm. kalt ab
›es läßt jn. kalt‹.
Bedeutungsverwandte:
faul
,
hart
(Adj.) 6,
kül
 2,
las
(Adj.) 2,
rau
 6,
schläfrig
 2,
starrig
 1,
träge
(Adj.) 2,
ungenem
,
unlauter
.
Syntagmen:
etw. k. tun; jm. / e.S. k. sein; jm. k. abgehen; an minne / schlaf, in liebe, von sünden k. sein, an jm
. (z. B. an got)
kalt werden; kalter gesang, kalte antwort / frau / liebe / welt, kaltes ding
(›etwas Gleichgültiges‹)
/ herz / recht
.
Wortbildungen:
kaltherzig
,
kaltmütig
(a. 1611),
kaltnis
.

Belegblock:

Quint, Eckharts Trakt.
35, 11
(
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
daz er verre von gote ist [...] und kalt an götlîcher minne.
Helm, H. v. Hesler. Apok.
6493
(
nrddt.
,
14. Jh.
):
Doch mac der heilige geist baz | [...] | Mit siner brunst irwermen | Die kaltherzigen.
Reissenberger, Väterb.
17046
(
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Der bruoder wart an Gote kalt | Unde entbrant an boser hitze.
Hübner, Buch Daniel
5562
(
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Alzuhant wirt er andacht kalt | Von der liebe die er treit.
Neumann, Rothe. Keuschh.
1924
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
meiden unnd frauwen | [...] | sint doch in gotlicher liebe also kalt.
Luther, WA
33, 625, 26
(
1531
):
Es dunckt uns itzt ein kaldt dieng sein.
Ebd.
47, 582, 23
(
1537
/
40
):
als halte ehr etwas von Gott, und gehet yhm doch so kaldt ab, das die frommen [...] nur lachen mussen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
174, 28
(
Nürnb.
1548
):
das die leut allenthalb vber die massen kalt schlefferig / vnnd faul zu dem wort sindt.
Vetter, Pred. Taulers
137, 35
(
els.
,
1359
):
Das tuͦst du alles alsus [...] blintlichen und kaltlichen.
Schade, Sat. u. Pasqu.
2, 123, 12
(wohl ˹
schwäb.
um 1521
˺):
des Luthers lere [...] herfür zeucht, ir fraschgarei und kalt recht [...] macht inen großen neid.
Jostes, Eckhart
36, 38
;
Fischer, Brun v. Schoneb.
7230
;
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 153, 31
;
Jahr, H. v. Mügeln
127
;
Strauch, Par. anime int.
107, 11
;
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
146v, 8
;
Bauer, Geiler. Pred.
82, 9
;
Spechtler, Mönch v. Salzb.
35, 22
;
Stieler
1, 919
;
Schweiz. Id.
4, 587
;
Diefenbach
498b
.
Vgl. ferner s. v.
anhalten
 4,
arbeitsam
 1,
ärmlich
 3,
bald
 1.
4.
›stillgelegt, außer Betrieb (von den Sülzpfannen bei der Salzproduktion)‹.
Bergbaubezügliche Texte.
Syntagmen:
etw. (die pfanne) kalt legen; (die pfanne) liegt / stet kalt
.
Wortbildungen:
kaltlager
,
kaltleger
jeweils ›stillgelegte Pfanne‹.

Belegblock:

Patocka, Salzwesen.
1987, 236
(
oobd.
,
1354
):
Die habent auch gewalt kalt ze sten.
Hertel, UB Magdeb.
3, 325, 33
(
nd.
/
omd.
,
um 1485
):
so sie orer huwre uf gefallener tzid nicht vornuget [...] danne sall der radt den schuldener mit den kaltlager zewenge, bas das er seine huwre gegeben.
Opel, Spittendorf
118, 3
(
osächs.
,
um 1480
):
dasz ir unglich giesszen lasszet, davon komen auch die kaltleger her.
Ebd.
147, 18
:
umb der gefreundten willen etzlicher, wen kaltleger weren, die den klein salzz hetten, den lege man zu gutte kalt.
Ebd.
178, 30
:
ihn ward gesaget [...], das sie zur wochen solten kalt liegen im tale.