kalt,
Adj.
1.
›kalt, wenig oder keine Wärme enthaltend, von niedriger, unter der Erwartung liegender Temperatur‹; ütr.: ›unfruchtbar; tot‹.Phraseme:
jn. geht (es) kalt an
; das brot in einen kalten bakofen schiessen
›eine Tote schänden‹; bei kaltem feuer kochen
›sich umsonst bemühen‹; kalt und warm aus einem maul blasen
›es beiden Parteien recht machen wollen‹; etw. gibt / macht weder kalt noch warm
›etw. nützt nichts‹; kalt stehen
›wirkungslos bleiben‹; kalt und warm geben
›Verwandte verpflegen‹; jm. einen kalten rok anlegen
›jn. in Ketten legen‹; kaltes bad
›Gottesurteil in Hexenprozessen‹; kalter markt
›Wintermarkt‹; kalter streich
›Streich des Scharfrichters‹.Bedeutungsverwandte:
erfroren
erkaltet
erstart
feucht
frisch
frostig
gefroren
schaurig
Gegensätze:
heis
warm
Syntagmen:
etw. / jn. k. machen
(›etw./ jn. abkühlen; jn. umbringen‹); k. bleiben / werden
auch ütr. für: ›sterben‹; kalter acker / austag / brunne / greis / keller / leib / luft / ort / schne / schweis / stein / wein / winter, kalte kost / mauer / nacht / natur / sache / schale
(Gericht aus kaltem Bier, Wein oder Milch) / speise / stat / zeit, kaltes bad / eis / eisen / fleisch / holz
(›minderwertiges Holz‹) / land / mus / wasser, kalte länder
.Wortbildungen:
kaltbad
kaltfrässig
kältlich
kaltpfister
kaltwind
Belegblock:
Lappenberg, Fleming. Ged.
475, 34, 1
(1636
): So löse dich denn nun mit deiner kalten Schalen, | die wolschmeckt nach kaneel.
Buch Weinsb.
1, 278, 30
(rib.
, um 1560
): dieweil es mit den kalten winen noch zu frohe [...] war.
Kehrein, Kath. Gesangb.
2, 715, 2
(Köln
1608
): Es war sich heindt die kelste nacht, | Das Jesus Cristus geboren wardt.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
257, 9
(osächs.
, 1570
/7
): Wo kalt land ist pflegt man die weinstocke zu decken.
Luther, WA
32, 453, 21
(1532
): das es sich nicht leidet zweyen ungleichen herrn zugleich dienen [...] heisst auf deudsch: ‘Den baum auff beiden achseln tragen‘ und ‘kald und warm aus einem mund blasen’.
Ebd.
33, 334, 3
(1531
): so muͤst es auch ein kalter Winter sein, das ein Wolff den andern fresse.
Eis, Albrants Roßarzneib.
120, 8
(schles.
, 1361
/6
): wirf daz ros nedir unde beguys is mit caldym wassir.
Opitz. Poeterey
45, 6
(Breslau
1624
): Hernachmals / wann ich kalt
[›tot‹]
schon bin / Da wil ich Gott den rest befehlen. Gille u. a., M. Beheim
140, 58
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): Davon ir leib furbasser | wurt erseuffczen van kaltem swaiss.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
204v, 2
(Hs. ˹nalem.
, um 1400
˺): gluͤg jn / vff ainem ysen vnd mach jn kalt jn essich.
Thiele, Minner. II,
2, 50
(Hs. ˹nalem.
/sfrk.
, 1470
/90
˺): ein kaltes waffen gan | ducht mich durch myn versertes hercz.
Bächtold, H. Salat
57, 31
(halem.
1540
): uffen abend gieng mihs kalt an, hats die ganz naht.
Wiessner, Wittenw. Ring
4227
(ohalem.
, 1400
/08
): ein guoten luft [...] nicht ze haisse noch ze kalt.
Schlosser, H. v. Sachsenh.
1593
(schwäb.
, 1453
): Brinhilt, du achst nit, ob ain huͦn | Ain kalten winter bairfuͦs gaͮt.
Koller, Ref. Siegmunds
266, 20
(Hs. um 1474
): dye haben woll von allen hantwercken geselschafft, das sye züsamengeen, das geyt weder kalt noch warm.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
10, 18
(tir.
, 1464
): [ich] lag da mit kaltem leib als ein totter mensch.
Quint, Eckharts Pred.
1, 336, 9
; Strauch, Par. anime int.
129, 32
; Luther, WA
47, 406, 20
; Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 238, 2
; Asmussen, Buch d. 7 Grade
345
; Harsdoerffer. Trichter
3, 285, 12
; Plant u. a., Main. Naturl. 297vc,
17
; Williams u. a., Els. Leg. Aurea
365, 31
; Gajek, Seidelius. Tych.
15, 2
; Roloff, Brant. Tsp.
1844
; Pfeiffer-Belli, Murner. Kl. Schrr.
7, 48, 31
; Lemmer, Brant. Narrensch.
99, 80
; Jörg, Salat. Reformationschr.
84, 6
; Stopp, Kochbuch S. Welserin
22, 3
; Starzer, Qu. Wien
1, 5, 5576, 160
; Voc. inc. teut.
m vjv
; Alberus
G jr
; Schöpper
82a
; Maaler
240v
; 501r
; Volkmar
540
; Stieler
1, 919
; Rwb
6, 740/1
; Schwäb. Wb.
4, 168/9
; 6, 2256
; Schweiz. Id.
3, 239/42
; 5, 1197
.‒
Vgl. ferner s. v. abschlagen
18, abtreiben
12, allein
5, 1
alt
5, amacht
2, anhang
3, arm
(Adj.) 1, 1
asche
1, atem
2, ausquellen
(V., unr. abl.), austag
2, auswurf
7, bachofen
1, bald
1, bauen
1; 4, bauman
1, beheblich
2, beissen
(V.) 1.2.
zur Charakterisierung einer der vier Primärqualitäten in der Temperamentenlehre oft Bestandteil von Krankheitsbezeichnungen: ›von kalter Natur, phlegmatisch‹.Gegensätze:
vgl. heis
Syntagmen:
kalter (blut)stein / brand
(›Gangrän‹) / flus / husten / jachant / magen
(›Gastritis‹) / same / schade / siechtum / tropfen, kalte art / erde / feuchte / frucht / gicht / komplexion / krankheit / lunge
(›Bronchitis‹) / materie / natur
(›Phlegma‹) / rose / sucht, kaltes apostem / blei / ding / fieber / gebresten / geschwür / geschwulst / (ge)sücht / hirn / öl / orenwe
.Wortbildungen:
kaltfeucht
kalt(ge)sücht
kältig
kältigkeit
kaltmutter
darmgicht
darmsiechtag
grimsiechtag
kaltpis
kaltseich(e)
kalte pinkel
harnstrenge
harnwinde
pinkel
kaltsiechtag
kaltsüchtig
kalttrocken
Belegblock:
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
168, 14
(Frankf.
1535
): auch dient es [petroleum] zu dem kalten orenwee.
J. W. von Cube. Hortus
41, 4
(Mainz
1485
): daz diß frucht sy kalt an dem ersten grade vñ drucken an dem anfang des andern.
Schmitt, Ordo rerum
331, 18
(omd.
1466
): Flecmaticus kaltfuchtiger.
Ebd.
331, 19
: Melancolicus kalttrockener.
Mylius
C 3v
(Görlitz
1577
): Stranguria Die kalte pinkel.
Strauss, A. v. Villanova dt.
163v, 3
(obd.
, Hs. 1421
): negelin [...] sint gut für kalten gebresten.
Plant u. a., Main. Naturl. 294vd,
2
(ohalem.
, Hs. E. 14. Jh.
): die svnne heiz vñ durre, d mane vñ venus fuͥhte vñ calt.
Sudhoff, Paracelsus
13, 10, 25
(1525
/6
): das element ein complex an im habe, heiß oder trocken, kalt oder feucht, kalt oder trocken, heiß oder feucht.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
344, 15
(oobd.
, 1349
/50
): rosa haizt ain rôs, [...] diu ist kalt in dem êrsten grâd und trucken in dem andern grâd.
Haage, Hesel. Arzneib.
1v, 11
(Hs. ˹noobd.
/md.
, E. 15. Jh.
˺): also hat es den kalten flusz von dem herczen und von dem magen.
Ebd.
3r, 2
: Wenn der harem ist plaichv | so hat er die kalten gicht.
Belkin u. a., a. a. O.
154, 8
; J. W. von Cube. a. a. O.
1, 8
; Keil, Peter v. Ulm
188
; Haage, a. a. O.
7v, 7
; Menge, Laufenb. Reg.
1128
; Lemmer, Brant. Narrensch.
55, 15
; Rohland, Schäden
447
; Pfeiffer, a. a. O.
356, 8
; Diefenbach, Mlat.-hd.-böhm. Wb.
2, 121
; Voc. Teut.-Lat.
p viijv
; q ijv
; Alberus
KK jr
; Maaler
240v
; Golius
255
; Dict. Germ.-Gall.-Lat.
265
; Diefenbach
188a
; 228b
/c; 239b
; 555a
; Brinckmeier
1, 1081
; Crecelius
2, 494
; Schwäb. Wb.
4, 169/70
; 6, 2256
; Schweiz. Id.
3, 239
; 7, 139
; 288
/9; Gleinser, Anna v. Diesb. Arzneib.
1989, 159
.‒
Vgl. ferner s. v. abwaschen
1, after
(Präp.) 7, art
(die
) 12, arzeteien
, auferlösen
, auslerung
.3.
bezogen auf Gemütszustände des Menschen: ›gefühllos, gleichgültig, steif‹; in religiösen Texten: ›ohne Glauben, ohne Andacht, abgefallen‹; offen zu 2.Phraseme:
es geht jm. kalt ab
›es läßt jn. kalt‹.Bedeutungsverwandte:
faul
hart
kül
las
rau
schläfrig
starrig
träge
ungenem
unlauter
Syntagmen:
etw. k. tun; jm. / e.S. k. sein; jm. k. abgehen; an minne / schlaf, in liebe, von sünden k. sein, an jm
. (z. B. an got) kalt werden; kalter gesang, kalte antwort / frau / liebe / welt, kaltes ding
(›etwas Gleichgültiges‹) / herz / recht
.Wortbildungen:
kaltherzig
kaltmütig
kaltnis
Belegblock:
Quint, Eckharts Trakt.
35, 11
(E. 13.
/A. 14. Jh.
): daz er verre von gote ist [...] und kalt an götlîcher minne.
Helm, H. v. Hesler. Apok.
6493
(nrddt.
, 14. Jh.
): Doch mac der heilige geist baz | [...] | Mit siner brunst irwermen | Die kaltherzigen.
Reissenberger, Väterb.
17046
(md.
, Hs. 14. Jh.
): Der bruoder wart an Gote kalt | Unde entbrant an boser hitze.
Hübner, Buch Daniel
5562
(omd.
, Hs. 14.
/A. 15. Jh.
): Alzuhant wirt er andacht kalt | Von der liebe die er treit.
Neumann, Rothe. Keuschh.
1924
(thür.
, 1. H. 15. Jh.
): meiden unnd frauwen | [...] | sint doch in gotlicher liebe also kalt.
Luther, WA
33, 625, 26
(1531
): Es dunckt uns itzt ein kaldt dieng sein.
Ebd.
47, 582, 23
(1537
/40
): als halte ehr etwas von Gott, und gehet yhm doch so kaldt ab, das die frommen [...] nur lachen mussen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
174, 28
(Nürnb.
1548
): das die leut allenthalb vber die massen kalt schlefferig / vnnd faul zu dem wort sindt.
Vetter, Pred. Taulers
137, 35
(els.
, 1359
): Das tuͦst du alles alsus [...] blintlichen und kaltlichen.
Schade, Sat. u. Pasqu.
2, 123, 12
(wohl ˹schwäb.
um 1521
˺): des Luthers lere [...] herfür zeucht, ir fraschgarei und kalt recht [...] macht inen großen neid.
Jostes, Eckhart
36, 38
; Fischer, Brun v. Schoneb.
7230
; Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 153, 31
; Jahr, H. v. Mügeln
127
; Strauch, Par. anime int.
107, 11
; v. d. Broek, Suevus. Spieg.
146v, 8
; Bauer, Geiler. Pred.
82, 9
; Spechtler, Mönch v. Salzb.
35, 22
; Stieler
1, 919
; Schweiz. Id.
4, 587
; Diefenbach
498b
.‒
Vgl. ferner s. v. anhalten
4, arbeitsam
1, ärmlich
3, bald
1.4.
›stillgelegt, außer Betrieb (von den Sülzpfannen bei der Salzproduktion)‹.Bergbaubezügliche Texte.
Syntagmen:
etw. (die pfanne) kalt legen; (die pfanne) liegt / stet kalt
.Wortbildungen:
kaltlager
kaltleger
Belegblock:
Patocka, Salzwesen.
1987, 236
(oobd.
, 1354
): Die habent auch gewalt kalt ze sten.
Hertel, UB Magdeb.
3, 325, 33
(nd.
/omd.
, um 1485
): so sie orer huwre uf gefallener tzid nicht vornuget [...] danne sall der radt den schuldener mit den kaltlager zewenge, bas das er seine huwre gegeben.
Opel, Spittendorf
118, 3
(osächs.
, um 1480
): dasz ir unglich giesszen lasszet, davon komen auch die kaltleger her.
Ebd.
147, 18
: umb der gefreundten willen etzlicher, wen kaltleger weren, die den klein salzz hetten, den lege man zu gutte kalt.
Ebd.
178, 30
: ihn ward gesaget [...], das sie zur wochen solten kalt liegen im tale.