greinen,
V., unr. abl.;
zu
mhd.
grînen
›den Mund verziehen‹
(Kluge/S.
).1995, 337
1.
›den Mund zum Ausdruck einer Gefühlsäußerung verziehen (von Menschen gesagt)‹; speziell zum Ausdruck von Trauer, Schmerz, Hunger o. ä.: ›weinen; flennen, heulen; schreien (von Kindern)‹; zum Ausdruck von Wut oder Verzweiflung: ›(weh)klagen, jammern (auch sprachlich)‹; zum Ausdruck von Ärger oder Unmut: ›meckern, lamentieren, schimpfen, keifen (artikuliert und unartikuliert); zanken, streiten‹; auch: ›jaulen‹; beim Spielen von Blasinstrumenten: ›auf dem Mundstück herumkiefen‹.Bedeutungsverwandte:
flennen
grannen
griesgramen
hadern
heulen
klagen
schreien
weinen
zanken
zannen
zürnen
Gegensätze:
freuen
1
lachen
Wortbildungen:
greinerlich
greinhandel
greinig
greinung
Belegblock:
Oorschot, Spee. Trvtz-N.
64, 25
(wmd.
, 1634
): Dem Rauber ich mitt greinen | Hett Hertz, vnd Mut erweicht.
Frantzen u. a., Kölner Schwankb.
1, 23, 2
(Köln
um 1490
): Nu kennet yr woil mijn groisse noit. | Ich enhalt mich naulich van grynen.
Kurz, Waldis. Esopus
4, 12, 22
(Frankf.
1557
): die Fraw lieff nach vnd grein; | Sprach: „hab nur die [Kuh] vnd keine mehr!“
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mk.
10, 22
(osächs.
, 1343
): her wart betrûbit in dem worte und gînc inwec grînende
[
trawrigLuther
1545: ].
Ebd. Joh.
16, 20
: wan ir sult grînen und weinen
[
Jr werdet weinen und heulenLuther
1545: ]
, abir di werlt sal sich vrowin. Gille u. a., M. Beheim
115, 64
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): [Klage der Musikinstrumente, Rohr und Pfeife, über die Spielleute]
hart, wy sy in uns peissen | Mit greinen, czannen und griss gram | czwuschen irn scharpfen czenen, sam sy uns wellen czerreissen. Ebd.
177, 14
: Wann man nicht czurnet oder greint | und ist doch ainem haimlich veint.
Ebd.
315, 26
: da sy den man
[einen Sänger]
hort greinen, | da wart sie grymlich weinen, | schreien und ruffen ser. Voc. Teut.-Lat.
z vr
(Nürnb.
1482
): Poßer greiniger. malignus.
Mayer, Folz. Meisterl.
2, 38
(nobd.
, v. 1496
): Ob er dan lang drum greint und flant.
Sachs
13, 276, 10
(Nürnb.
1557
): Grein nit, liebs kindt.
Ebd.
15, 453, 41
(1562
): [ein weib] fürt ein kneblein an der hend, | Das grien und weynet gar ellendt.
Ebd.
17, 301, 32
(1562
): Der tag und nacht ligt bey dem wein, | Lest die alten zannen und grein | Daheim in grossem hertzenleid.
Ebd.
345, 10
(1563
): Bald fuhr sie auff [...] | Mit grossem gschrey sie schaumbt und grein.
Sachs
23, 482, 6
(1571
): Welich gest aber geren zancken und grein | Und füellen sich wie wilde schwein.
v. Keller, Ayrer. Dramen
2080, 31
(Nürnb.
1610
/18
): Malchus geht zu dem Jahn, fellt jhm vmb den halß vnd sagt gar greinerlich.
Vetter, Pred. Taulers
193, 6
(els.
, 1359
): Ob der usser mensche grinet oder och weinet, das můs man wol liden.
Bihlmeyer, Seuse
39, 19
(alem.
, 14. Jh.
): so lag er
[Seuse]
underwilent und grein und grisgramet in im selb. Adrian, Saelden Hort
10854
(alem.
, Hss. E. 14.
/15. Jh.
): daz kint von hungers not | hort schrien, mayen, | grinen und grauen | der toten frowen brust.
Banz, Christus u. d. minn. Seele
59
(alem.
, 1. H. 15. Jh.
): gelt, ich mache dich grennen und grainen!
Ebd.
80
: [daz kind] vienge denn an ze grinen und grainen.
Bächtold, N. Manuel. Abl.,
123, 310
(halem.
, 1525
): Wie die seelen schrigen, loufen, grinen, zablen, | Wie man sie uf rösten pratet und glüegt.
Fuchs, Murner. Geuchmat
3309
(Basel
1519
): Stand von dynem zancken, grynen | Vor dem gatter mit den schwynen!
Maaler
53v
(Zürich
1561
): Mit weynen vnd greynen Begaͤren. Implorare.
Ebd.
405r
: Greynen das ein Traͤher den anderen schlecht. Profundere lachrymas.
Jaspers, St. v. Landskron
101r, 31
(Augsb.
1484
): Von der werrung greinu͂g zwiczuncheit vñ murmelung. [...] Je drit tochter des neydes ist verweru͂g greinen odé murmulen.
Barack, Teufels Netz
472
(Bodenseegeb.
, 1. H. 15. Jh.
): Sin sel denn ewenklichen schritt | Waffen, grinen und granen | Und von aim tüfel zem andern zanen.
Turmair
1, 194, 36
(moobd.
, 1529
): obgenant zank und greinen hat die ganz christenhait verderbt und in grosen abfall pracht.
Ebd.
4, 48, 11
(1522
/33
): [der teufl] krieg hader zanken und greinen, unainigkait und aufruer [...] zuericht.
Wutzel, Rechtsqu. Eferding
76, 10
(moobd.
, 1599
): wan zwen geseellen ainen greinhandl [...] mit ainem anderen hetten.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
280, 587
; Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
5132
; 5694
; Stackmann u. a., Frauenlob
8, 25, 19
; Kurz, a. a. O.
3, 90, 33
; Sachs
21, 213, 15
; v. Keller, Ayrer. Dramen
140, 3
; 3103, 37
; Sudhoff, Paracelsus
8, 405, 14
; Barack, Teufels Netz
2551
; Qu. Schweiz. Gesch.
1, 107, 16
; Lemmer, Brant. Narrensch.
108, 53
; Adrian, a. a. O.
885
; 2014
; Adomatis u. a., J. Murer. Abs.
1616
; Wyss, Luz. Ostersp.
3476
; Barack, Teufels Netz
9395
; 12254
; Sappler, H. Kaufringer
16, 221
; 18, 326
; Barack, Zim. Chron.
1, 174, 18
; Niewöhner, Teichner
100, 6
; 249, 46
; 265, 41
; 525, 39
; Turmair
4, 59, 23
; Winter, Nöst. Weist.
4, 352, 33
; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
505, 26
; Wackernell, Adt. Passionssp. St. II,
2123
; Wackernell, H. v. Montfort
6, 18
; Maaler
192r
; 194v
; 263r
; Henisch
1738
; Dict. Germ.-Gall.-Lat.
209
; Martin/Lienhart
1, 275
; Schweiz. Id.
2, 746
; Schwäb. Wb.
3, 821
.‒
Vgl. ferner s. v. ausnan
, pein
8.2.
›klagende oder wütende Laute von sich geben (von unterschiedlichen Tierstimmen)‹; im einzelnen z. B.: ›grunzen (vom Schwein)‹; ›wiehern (vom Pferd)‹; ›bellen; winseln (vom Hund)‹; ›brüllen (vom Bären, Kamel, Löwen)‹; ›blöken (vom Schaf)‹; ›piepsen (vom Vogel, von Mäusen)‹; ›zirpen (von der Grille)‹ usw.; auch vom Menschen im Vergleich mit Tierstimmen gesagt.Belegblock:
Chron. Mainz
1, 317, 31
(rhfrk.
, 15. Jh.
): Bi ime findet man allen dag | [...] | Die schaff gestochen, daz sie grinen, | Die kelber und die lemer, daz sie blaren.
v. Groote, Muskatblut
77, 6
(nobd.
, 1. H. 15. Jh.
): si grynet als eyne grille!
Sachs
23, 240, 22
(Nürnb.
1563
): Ich, beer, pin rachgirig vol zorn, | Thue stet gron, greinen und rumorn.
Thiele, Minner. II,
18, 309
(Hs. ˹wobd.
, 15. Jh.
˺): du tůst glich als ain alter guͤl, | der grint und doch nit bissen wil.
Vetter, Pred. Taulers
100, 19
(els.
, E. 14. Jh.
): der widerwertige vigent get umbe also ein grinender lowe.
Kurz, Murner. Luth. Narr
4639
(Straßb.
1522
): Sie greinet, grannet wie die schwein, | Die gern am gatter weren ein.
Barack, Teufels Netz
1079
(Bodenseegeb.
, 1. H. 15. Jh.
): So er nimpt das swin | Das es it mug grinen.
Turmair
1, 425, 19
(Augsb.
1517
): grunire sive grundire ,kirren, greinen als die sew‘.
Fischer, Eunuchus d. Terenz
189, 8
(Ulm
1486
): Die aigenschafft der wassermaus ist das sie heller susend oder greinend dann die andern meüß.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
124, 23
(oobd.
, 1349
/50
): sein [kämel] weip hât sô grôzen gelust zuo im, daz si vor gelust greint.
Ebd.
136, 6
(oobd.
, 1349
/50
): stellt ain greindez swein für in [elephant], sô verleust er alle sein manhait.
Ebd.
208, 26
: [der vogel] singet wider übel, aber daz singen hieze paz greinen und wainen.
Ebd.
268, 22
: er [Tracke] greint und ginet mit dem maul, aber er schatt mit den zenden niht vil.
Klein, Oswald
115, 102
(oobd.
, n. 1438
): Stillen sol man fraidigen hund, | das er nicht grein zu aller stund.
Gereke, Seifrits Alex.
5615
(oobd.
, Hs. 1466
): mit langen und mit scharffen zenden | sy [fledermeus] muetten sew an allen enden, | mit greynen und mit peyssene.
Niewöhner, Teichner
140, 2
(moobd.
, 1360
/70
): Ein herr het hunt grozz und chlain. | dw teten an ein ander grain.
Bächtold, H. Salat
95, 185
; Morrall, Mandev. Reiseb.
156, 1
; Österley, Steinhöwels Äsop
52, 4
; Chron. Augsb.
4, 189, 9
; Drescher, Hartlieb. Caes.
369, 5
; Gereke, a. a. O.
5555
; Niewöhner, a. a. O.
43, 3
; Voc. inc. teut.
k ijv
; pp iiijr
; Martin/Lienhart
1, 275
; Schmidt, Hist. Wb. Elsaß
156
; Schweiz. Id.
2, 746
; Schwäb. Wb.
3, 821
; 6, 2066
; Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb.
1991, 214
.‒
Vgl. ferner s. v. a|schwing
, grannen
.3.
›jm. nachstellen, gegen etw. kämpfen, streiten‹.Belegblock:
Gille u. a., M. Beheim
187, 119
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): ab Luciver, das helle swein, | wider mein armen sele grein.
4.
phras.: mit (den) zänen greinen
›die Zähne fletschen (zum Zeichen der Bedrohlichkeit; von Menschen und Tieren gesagt)‹.Belegblock:
Anderson u. a., Flugschrr.
19, 18, 5
([Eilenb.
] 1524
): [die mast sewen] das seint alle vngetrewe falsche gelerten / [...] / greyne͂ mit scharpffen tzehnen wie die hunde / wenn man yn ein wort widderspricht.
Sachs
5, 57, 4
(Nürnb.
1533
): Die fraw schlecht inn die hend und greynet mit den zeenen.
5.
vom Tropfen des Saftes aus den angeschnittenen Zweigen der Weinreben.Belegblock:
Schweiz. Id.
2, 746
(16. Jh.
).