glimpfig,
glimpflich,
Adj.;
beide Bildungen mit ungefähr gleicher Häufigkeit belegt; Syntagmen auf -ig
hin normalisiert.1.
›im sozialen Verhalten / Umgang gefällig, leutselig, die Regeln des Anstandes, der Angemessenheit, des Verhaltens beachtend, auf Ausgleich bedacht‹; je nach genauem Bezug im einzelnen z. B. ›angemessen (von einem Handlungsgrund)‹; ›ohne viel Aufhebens (von geschäftlichen Umständen)‹; ›überzeugend, einsichtig (von Worten)‹; ›berechtigt, vertretbar (von Forderungen)‹; jeweils von Bezugsverhältnissen / -gegebenheiten, die im Rahmen des Üblichen, Erwartbaren liegen; mehrfach mit Tendenz zur Bewertung, dann ›gut, vortrefflich, vorzüglich‹; speziell von den Augenbrauen z. B.: ›schön geschwungen‹.Gewisse Beleghäufung für didaktische und berichtende Texte.
Bedeutungsverwandte:
bequem
bescheiden
freundlich
füglich
gefüge
gütig
leutselig
ziemlich
züchtig
Syntagmen:
etw
. (Subj., z. B. die gebärde
) / j
. (z. B. die jungfrau
) g. sein
; g. reden / lachen, sich g. beraten, etw.
(Subj.) g. geschehen / lauten, etw.
(Akk.obj.) g. anfangen, jm. etw. g. abschlagen, jn. g.
(hier Gradadv.) hart schlagen
; als präd. Attr.: sich g. halten / machen, finden lassen
›zeigen‹; etw. zum glimpfigsten tun / können
; der glimpfige abscheid / man / weg, die glimpfige ursache / heischung, glimpfige worte
(mehrmals) / augbrauen
.Belegblock:
v. Bunge, Livl. UB
4, 241, 38
(nrddt.
, 1599
): das wir nicht undirricht sint [...], was die glimpliche heischunge ader anmutunge des herrn erzbischof [...] si gewest.
Toeppen, Ständetage Preußen
5, 457, 23
(preuß.
, 1501
): sunder es het gelimpfiger gelaut, das sie m. g. h. het ausgehalten.
Loesch, Kölner Zunfturk.
1, 132, 34
(rib.
, 1495
): soverre as id sachen ind dingen weren, die gelimplich [...] gescheen moechten.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
41, 8
(omd.
, 1487
): Wen sich weÿber [...] beswertt irkennen vnd als dan von ÿren mannen vnbewust zcu bezcalu͂g ehlicher wergk gefordertt Szollen sÿe ÿre menner [...] mitt guttigen vnd glÿmpfflichen wortten abeweißen.
Gille u. a., M. Beheim
268, 22
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): sie hat zwu glimpfige agbröhnlein klein, | als het man sie gestrichen.
Baumann, Bauernkr. Rotenb.
83, 32
(nobd.
, n. 1525
): Darumb wer [...] dem ewssern rat der erlichst, glimpfigst und der sachen nutzlichst und fruchtparst weg, das [...].
Sachs
5, 324, 9
(Nürnb.
1533
): So helt man in auffricht und redlich, | Leutselig, still, glimpfig und friedlich.
V. Anshelm. Berner Chron.
4, 153, 27
(halem.
, n. 1529
): Der kuͤng von England [...] wartet nit anders den glimpfliche ursach, wider die Franzosen zekriegen.
Sappler, H. Kaufringer
24, 63
(schwäb.
, Hs. 1472
): so kan er wol gelimpfig sein | und sich erzaigen in guotes schein | gen allen leuten gemain.
Österley, Steinhöwels Äsop
50, 28
(Ulm
1474
/82
): Aber Xanthus suchet ain ursach, wie er Esopum glimpflich hart möchte schlachen.
Barack, Zim. Chron.
2, 258, 16
(schwäb.
, M. 16. Jh.
): Dem hueb er den ain langen ermel von der schauben zum glimpflgisten uf, brunzt ime denselben ermel vol.
Ebd.
4, 167, 15
: Als nun derselbig sahe, das er nit vil ussrichten, nam er ein glimpfigen abschidt.
Henisch
1651
(Augsb.
1616
): Ein glimpflich vnnd bescheiden Mann kan einem Weib vil fehle abziehen.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
1803
; Kurz, Waldis. Esopus
2, 25, 51
; Opel, Spittendorf
105, 39
; Pyritz, Minneburg
1984
; 4034
; Gille u. a., a. a. O.
301, 203
; Fastnachtsp.
692, 24
; Sachs
4, 238, 24
; 20, 76, 25
; 277, 18
; V. Anshelm. a. a. O.
4, 176, 10
; Haltaus, Liederb. Hätzlerin
1, 40, 4
; Barack, a. a. O.
1, 517, 15
; Chron. Augsb.
7, 490, 37
; Karnein, de amore dt.
68, 35
; Wedler, W. Burley. Liber
72r
; Winter, Nöst. Weist.
3, 267, 21
; Leidinger, A. v. Regensb.
595, 41
; Voc. Teut.-Lat.
k vijr
.2.
›einer anderen Person gegenüber wohlwollend, nachsichtig, verständnisvoll; etwas beschönigend; gemäßigt, kompromißbereit (in Glaubenssachen)‹; bei Verschiebung auf eine begünstigte Person: ›milte behandelt‹; von Sachen: ›erträglich‹; vgl.
1
glimpf
5; 6.Rechts- und Wirtschaftstexte, Chroniken.
Bedeutungsverwandte:
freundlich
gelind
gnädig
gütig
läslich
leise
Syntagmen:
j. (gegen jn., in etw.) g. sein, g. handeln, g. ab dem gericht kommen, jm. eine schuld glimpflichen anstehen lassen
; etw. g
. (präd. Attr.) machen
; der glimpfige ausgang / gehorsam / wille, die glimpfige ableinung / antwort / gnade / bescheidenheit
.Wortbildungen:
glimpflichheit
Belegblock:
v. Bunge, Livl. UB
4, 817, 40
(nrddt.
, 1412
): do alle scelinge zwissen dem bischoffe uns an eme, und in am anderen teile, in gelimplicheit hen geleget mochten werden.
Luther, WA
10, 3, 240, 6
(1522
): also sollen wir uns auch stellen zum naͤchsten und gegen seinen sünden freüntlich und glimpflich.
Ebd.
19, 326, 10
(1526
): fuͤrcht, er [ein herr] moͤchte zornen, da schnitze ich die wort duͤnne, machs glimpffig.
Chron. Nürnb.
5, 585, 15
(nobd.
, E. 15.
/A. 16. Jh.
): das markgraf Fridrich so glimpfig und gutwillig gegen uns auf dem tag was zu Anspach.
Sachs
20, 548, 18
(Nürnb.
1562
): Ein sach hat offt ein schrecklichn anfang, | Und doch gar ein glimpflichen außgang.
Welti, Stadtr. Bern
604, 16
(halem.
, 1539
): Ob aber iemants [...] darumb, dz er dennzmal glimpfflich ab dem gricht keme, an erbar lüt zuge, [...], der hat sin sach verloren.
Jörg, Salat. Reformationschr.
120, 27
(halem.
, 1534
/5
): Wil doch nüt dest minder / [...] / all ding ane raachsal und zorn zum glimpflichsten begryffen.
Chron. Augsb.
5, 379, 7
(schwäb.
, um 1530
): aber die von Nürmberg waren ettwas mit dem sacrament und suͦnst glimpfiger.
Brunner, Rechtsqu. Krems u. Stein
92, 26
(moobd.
, 1443
): wann menig irer mitburger uns etwevil jar schuldig beleiben, den wir gelimphlichen nach den zaltaͤgen solich ir geltschuͤld haben ansteen lassen.
Turmair
4, 9, 9
(moobd.
, 1522
/33
): Das ich aber die wârhait auf das glimpflichest anzaig und im nit zu viel tue, find ich in allen alten geschichten.
Winter, Nöst. Weist.
4, 106, 12
(moobd.
, 1578
): obgleich solche verbrecher [...] oftermahlen mit glimpfiger beschaidenheit angeredet und gebetten werden männiglichen ohne schaden zu sein, so [...].
Luther, WA
17, 2, 435, 1
; Chron. Nürnb.
1, 160, 10
; Welti, a. a. O.
658, 32
; Chron. Augsb.
7, 324, 19
; Dietz, Wb. Luther
2, 137
f.; Schwäb. Wb.
3, 696
f.3.
›passend, geeignet (von der Zeit)‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. komlich
Belegblock:
v. Bunge, Livl. UB
4, 818, 35
(nrddt.
, 1412
): zu vorsuchen, ap sie icht vruntliche tage mit uns halden willen zur Narwe, of gelimplichen zieten, das die koufman, [...], do zu komen moge.
Schmidt, Rud. v. Biberach
30, 24
(whalem.
, 1345
/60
): dar vmbe dvͥ gelinpfiguͥ zit gandes (zu gotte) ist nvͥ.
Ebd.
17, 2
; 30, 17
.4.
›für etw. (z. B. Feuer) empfänglich (von der Materie)‹.Belegblock:
Schmidt, Rud. v. Biberach
122, 16
(whalem.
, 1345
/60
): als das fuͥr niemer hirmt noch ab lat an wuͥrkende, die wil es glinphig materie het, [...], vnd ir guͦtat hant enhein ende an wurkende, die wil si glinpfig matterie [...] hant.
5.
›biegsam, geschmeidig, weich‹.Bedeutungsverwandte:
lind
Syntagmen:
etw
. (z. B. eine binde / wunde
) g. sein
; etw
. (z. B. den hals, eine wunde
) g. machen
.Belegblock:
Schweiz. Id.
2, 628
(a. 1557ff.
).