giftig,
Adj.
1.
in mehreren schwach belegten, in tropischen Bezügen stehenden Verwendungen an gift
(die
) 1 anschließbar: ›zu geben bereit (von Personen) und in der Lage (z. B. von der sele
); geeignet, gegeben zu werden; durch Schenkung erlangt und deshalb veräußerlich‹. Den Belegen sind Übertragungsvorschläge beigegeben.Wortbildungen:
giftigen
Belegblock:
Helm, H. v. Hesler. Apok.
11544
(nrddt.
, 14. Jh.
): Wie wart her also tugenthaft, | Er dan her worde geschaft | [...] | Daz her dem himele giftic
[›geeignet, gegeben zu werden‹]
was. Wyss, Limb. Chron.
29, 24
(mfrk.
, Hs. 2. H. 16. Jh.
): want he [babest] gar milde unde giftig
[›freigiebig‹]
was den armen paffen unde scholern in rechtfertigen sachen. Behrend, Magd. Fragen
124, 25
(omd.
, um 1400
): Hiruff sprechen wir scheppin zcu Magdeburg recht: Eyn man mag syn gegebin
[Var. 15. Jh.:
giftig ›durch Schenkung erlangt‹
stand gewonnen]
stehende erbe, gewunnen erbe unde gut unde varnde habe vor gerichte wol vorgeben. Strauch, Par. anime int.
60, 32
(thür.
, 14. Jh.
): daz he ganz wesin inphahin mac fon der sele und alliz dez di sele giftic
[›zu geben in der Lage‹]
ist. Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
294, 34
(thür.
, 1474
): Konde denne Hans Winther dyselben vorsatczunge [...] zcubrengen addir eyn sollichs met [...] sinem vorsegilten briffe, ap eß lehengud were, erwisen addir, ap eß gifftig
›veräußerlich‹
gud were, met gerichtisgeczugkeniß nach rechte volkomen. Rwb
4, 886
; Dief./Wü.
625
.2.
›giftig (von Pflanzen, Substanzen, Stoffen u. ä., Gift atmenden oder speienden Tieren); gifthaltig; vergiftet‹; zu
gift
(die
) 4.Bedeutungsverwandte:
hitzig
mördisch
serig
unheilsam
vergiftet
gelüpt
pestilenzisch
Syntagmen:
etw
. (z. B. das kraut / gewächs, die wunde
) g. sein
; etw. so g. sein, das [...], dem menschen etw. g. werden
; der schlange das kind giftiglich erbeissen
; der giftige atem / bis / drache / dunst / mund / schierlingsaft / schlange / stich / trunk / wurm, die giftige arznei / kraft / krankheit / kröte / luft / natur / wunde, das giftige apostem / blut / geschwer
.Wortbildungen:
giftigkeit
Belegblock:
Luther, WA Bibel
12, 96, 5
(1529
): Aber deinen kindern kundten auch der gifftigen drachen zene nicht schaden, Denn deine barmhertzigkeit war dafur.
Ders. Hl. Schrifft.
5. Mose 28, 22
(Wittenb.
1545
): Der HERR wird dich schlahen mit Schwulst / [...] / Durre / gifftiger
[
vergiftemMentel
1466-1490: ; 1507-1518:
zerstoͤrtem;
vergifftigemDietenberger
1534: ]
Lufft. J. W. von Cube. Hortus
72, 7
(Mainz
1485
): daz der safft von dissem krude gemischet mit wyn vnd den gedru͂cken benympt den gifftigen bisch von eynem gifftigen thyer.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
78, 15
(Frankf.
1535
): Es ist in dem atrament ein gifftige krafft die lung drücknet also das sie villeicht einen toͤdtet.
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
15, 18
(Frankf./M.
1563
): wiewol etliche Kreutter / und gewechß gifftig seind / wie auch vil gifftige wuͤrm unnd thier auff erden wohnen.
Jahr, H. v. Mügeln
1896
(omd.
, Hs. 1463
): der basiliseus noch sin art | dem menschen nie so giftik wart | sam falscher rum und lügen funt.
Thür. Chron.
15r, 17
(Mühlh.
1599
): soll ein Trache zu Rom gewesen sein / welcher mit seinem gifftigen Athem die Lufft vergifftet.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
80, 13
(osächs.
, 1570
/7
): Vors vihe wider die giftige krankheit.
Keil, Peter v. Ulm
189
(nobd.
, 1453
/4
): Die salb wirt gut zu allen giftigen vnd hitzigen dingen, wer sie dor an streicht.
Ebd.
272
: Die gelsucht kumpt [...] des ersten von fauler kost vnd giftiger als von faulem flaisch.
Gille u. a., M. Beheim
176, 243
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): Als ein giftige nater | ist des czornigen menschen mut.
Fischer, Folz. Reimp.
45, 272
(1482
): ein loch darein geslagen [...], do der gifftig dunst ligt, den die natur dar getryben hat.
Bihlmeyer, Seuse
77, 16
(alem.
, 14. Jh.
): daz ich disen langen spiess enmiten dur in rihe, als man tuͦt einer giftigen kroten, die man spisset.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
216r, 21
(Hs. ˹nalem.
, um 1400
˺): Jn dem vierden manot sol man nit koͤlessen, / wan si machet gruͤnes vnd gifftig bluͦt.
Cirurgia H. Brunschwig
31ra, 24
(Straßb.
[1497
]): Des gelichen duͦt es [viol oͤly] ouch so du geschossen bist mit einem büchsen klotz / so dz pulver oder sin gifftikeit darinnen bliben ist.
Dasypodius
254r
(Straßb.
1536
): Virulentia, giftigkeit.
Päpke, Marienl. Wernher
4426
(halem.
, v. 1382
): Der selben jungen kinde ains | Ain schlange gifteklich erbais.
Broszinski, Minner. Chir. Parva
81v, 20
(halem.
, 2. H. 15. Jh.
): Cura der wunden, die da gifftig sint, uff dry formen.
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
213, 102
(moobd.
, 1. H. 15. Jh.
): Do dy Juden in der wüegst von den gifftigen slangen gehekcht würden, das sew davon sturben.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
153, 3381
; 527, 640
; Broszinski, a. a. O.
72v, 5
; Belkin u. a., a. a. O.
194, 5
; Ralegh. America
13, 12
; Williams u. a., Els. Leg. Aurea
392, 25
; Schmidt, Rud. v. Biberach
182, 2
; Heidegger. Mythoscopia
53, 13
; Scholz, Lanfrank. Chir. Parva
227r, 4
; Bremer, Voc. opt.
43116
; Dict. Germ.-Gall.-Lat.
201
; Mylius
D 7r
; Henisch
1619
.‒
Vgl. ferner s. v. atter
, befallen
(V.) 2.3.
›bösartig, übel, Verderben bringend; spitzzüngig, falsch‹; Ütr. zu 2; zu
gift
(die
) 5.Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
argwönig
bitter
böse
boshaftig
falsch
hellisch
ketzerisch
lästerlich
lügenhaft
neidig
schandbäre
verderblich
verräterisch
Gegensätze:
from
heilwertig
Syntagmen:
j
. (z. B. der spieler / tropf / teufel
) g. sein, js. wille / zunge g. sein
; g. lachen / lästern / lügen / reden
; g. zu jm. einschlagen
; der giftige atem / deuter / hellerache / irtum / ketzer / neid / Neidhart, lutherische bube, die giftige grundsuppe / neigung / praktik / sophisterei / wirkung / zunge, das giftige buch / furzen / herz / laster / (läster)maul / wort, die giftigen augen
; der giftigliche wurm
.Wortbildungen:
giftigbitter
giftigböse
giftiglich
giftigkeit
Belegblock:
Luther, WA
8, 269, 2
(1521
): bis daz sie [des teuffels getzicht] dieselben [kinder der mutter] mit yhren gifftigen leren vorgifftigen.
Ebd.
41, 529, 21
(1536
): Ideo ex grosser gyfftigkeit und bosheit.
Anderson u. a., Flugschrr.
12, 7, 34
(Wittenb.
1522
): Du darffest dir nit furnhemen / das wir vnß / vor deyne͂ gifftige͂ otem vñ furtzen endsetzen.
Luther. Hl. Schrifft.
Ps. 64, 4
(Wittenb.
1545
): Welche jre Zungen scherffen wie ein schwert / Die mit jren gifftigen worten zielen wie mit Pfeilen.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
228, 5648
(Magdeb.
1608
): Biß der Wolff seine zeen zusam / | Vnd fieng gifftig zu lachen an.
Kehrein, Kath. Gesangb.
3, 127, 1
(Köln
1582
): SElig zuͦpreisen ist der mann, | Der sich enthelt von den gotlosen, | [...] | Noch sitzt bei gifftigboͤsen rotten.
Ebd.
169, 7
: Du hast zuͦm raub vns werden lassen | Den die vns hassen, | Daß sie mit gifftigbitterm muͦt | Kleglich ausplundern vnser guͦt.
Jahr, H. v. Mügeln
2499
(omd.
, Hs. 1463
): gar giftik ist sin [mensche] arger will. | sin blik ist mortlich unde schil.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
144v, 2
(Leipzig
1588
): ob gleich gifftige Neidharten diss Buͤchlein mit schelen Augen ansehen.
Gille u. a., M. Beheim
118, 667
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): die hailwertig gaistlich ercznei, | die da weret der leczen | Gifftigenn naigung ringen.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
156
(Nürnb.
1517
): des teufels rede, als do sein: ligen. murmeln. got. den priestern. erbarn frauen [...]. lesterlich. unverschampt. frauenwirtisch und dergleichen giftig reeden. davon die unvolkumen selen sterben.
Franck, Decl.
339, 15
(Nürnb.
1531
): Ist nit der kuͤn spiler / zaͤnckisch / gifftig / bissig / trawrig / ein feindt seines guts?
Reichmann, Dietrich. Schrr.
167, 7
(Nürnb.
1548
): es sey [...] die suͤnd so mechtig / Der Teuffel so boͤß vnnd gifftig er ymmer woͤlle / da haben wir Gottes Heyland.
Henisch
1619
(Augsb.
1616
): Gifftig Hertz / gifftiger Mensch. [...]. Ein gifftig Hertz vnnd boͤse Zunge verderbet aller richtigkeit vnd einigkeit. [...]. Gifftig Maul / gifftige Zung.
Klein, Oswald
24, 46
(oobd.
, 1427
): all mein sinn vertust, | das ich nicht wil verschrenken | den gifftiklichen wurm
[bildlich].
Luther, WA
6, 580, 12
; 6, 668, 5
; 8, 188, 24
; 8, 552, 14
; 15, 94, 6
; 17, 2, 144, 8
; 41, 458, 24
; Peil, a. a. O.
235, 5871
; 589, 2620
; Gropper. Gegenw. V,
3
; Harms u. a., Alberus. Fabeln
77, 12
; Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm.
451, 4470
; Schorer, Sprachposaun
11, 4
; Henisch
1619-1621
; Dietz, Wb. Luther
2, 125
f.; Schwäb. Wb.
3, 655
f.‒
Vgl. ferner s. v. amächtig
2, argwönig
2.