giftig,
Adj.
1.
in mehreren schwach belegten, in tropischen Bezügen stehenden Verwendungen an
gift
(
die
) 1 anschließbar: ›zu geben bereit (von Personen) und in der Lage (z. B. von der
sele
); geeignet, gegeben zu werden; durch Schenkung erlangt und deshalb veräußerlich‹. Den Belegen sind Übertragungsvorschläge beigegeben.
Wortbildungen:
giftigen
1 (a. 1416).

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok.
11544
(
nrddt.
,
14. Jh.
):
Wie wart her also tugenthaft, | Er dan her worde geschaft | [...] | Daz her dem himele giftic
[›geeignet, gegeben zu werden‹]
was.
Wyss, Limb. Chron.
29, 24
(
mfrk.
, Hs.
2. H. 16. Jh.
):
want he [babest] gar milde unde giftig
[›freigiebig‹]
was den armen paffen unde scholern in rechtfertigen sachen.
Behrend, Magd. Fragen
124, 25
(
omd.
,
um 1400
):
Hiruff sprechen wir scheppin zcu Magdeburg recht: Eyn man mag syn gegebin
[Var. 15. Jh.:
giftig
›durch Schenkung erlangt‹
stand gewonnen
]
stehende erbe, gewunnen erbe unde gut unde varnde habe vor gerichte wol vorgeben.
Strauch, Par. anime int.
60, 32
(
thür.
,
14. Jh.
):
daz he ganz wesin inphahin mac fon der sele und alliz dez di sele giftic
[›zu geben in der Lage‹]
ist.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
294, 34
(
thür.
,
1474
):
Konde denne Hans Winther dyselben vorsatczunge [...] zcubrengen addir eyn sollichs met [...] sinem vorsegilten briffe, ap eß lehengud were, erwisen addir, ap eß gifftig
›veräußerlich‹
gud were, met gerichtisgeczugkeniß nach rechte volkomen.
Rwb
4, 886
;
Dief./Wü.
625
.
2.
›giftig (von Pflanzen, Substanzen, Stoffen u. ä., Gift atmenden oder speienden Tieren); gifthaltig; vergiftet‹;
zu
gift
(
die
) 4.
Bedeutungsverwandte:
hitzig
,
mördisch
,
serig
,
unheilsam
,
vergiftet
; vgl.
gelüpt
,
pestilenzisch
 1.
Syntagmen:
etw
. (z. B.
das kraut / gewächs, die wunde
)
g. sein
;
etw. so g. sein, das [...], dem menschen etw. g. werden
;
der schlange das kind giftiglich erbeissen
;
der giftige atem / bis / drache / dunst / mund / schierlingsaft / schlange / stich / trunk / wurm, die giftige arznei / kraft / krankheit / kröte / luft / natur / wunde, das giftige apostem / blut / geschwer
.
Wortbildungen:
giftigkeit
1.

Belegblock:

Luther, WA Bibel
12, 96, 5
(
1529
):
Aber deinen kindern kundten auch der gifftigen drachen zene nicht schaden, Denn deine barmhertzigkeit war dafur.
Ders. Hl. Schrifft.
5. Mose 28, 22
(
Wittenb.
1545
):
Der HERR wird dich schlahen mit Schwulst / [...] / Durre / gifftiger
[
Mentel
1466-1490:
vergiftem
; 1507-1518:
zerstoͤrtem
;
Dietenberger
1534:
vergifftigem
]
Lufft.
J. W. von Cube. Hortus
72, 7
(
Mainz
1485
):
daz der safft von dissem krude gemischet mit wyn vnd den gedru͂cken benympt den gifftigen bisch von eynem gifftigen thyer.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
78, 15
(
Frankf.
1535
):
Es ist in dem atrament ein gifftige krafft die lung drücknet also das sie villeicht einen toͤdtet.
Stambaugh, Milichius. Zaubert.
15, 18
(
Frankf./M.
1563
):
wiewol etliche Kreutter / und gewechß gifftig seind / wie auch vil gifftige wuͤrm unnd thier auff erden wohnen.
Jahr, H. v. Mügeln
1896
(
omd.
, Hs.
1463
):
der basiliseus noch sin art | dem menschen nie so giftik wart | sam falscher rum und lügen funt.
Thür. Chron.
15r, 17
(
Mühlh.
1599
):
soll ein Trache zu Rom gewesen sein / welcher mit seinem gifftigen Athem die Lufft vergifftet.
Ermisch u. a., Haush. Vorw.
80, 13
(
osächs.
,
1570
/
7
):
Vors vihe wider die giftige krankheit.
Keil, Peter v. Ulm
189
(
nobd.
,
1453
/
4
):
Die salb wirt gut zu allen giftigen vnd hitzigen dingen, wer sie dor an streicht.
Ebd.
272
:
Die gelsucht kumpt [...] des ersten von fauler kost vnd giftiger als von faulem flaisch.
Gille u. a., M. Beheim
176, 243
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Als ein giftige nater | ist des czornigen menschen mut.
Fischer, Folz. Reimp.
45, 272
(
1482
):
ein loch darein geslagen [...], do der gifftig dunst ligt, den die natur dar getryben hat.
Bihlmeyer, Seuse
77, 16
(
alem.
,
14. Jh.
):
daz ich disen langen spiess enmiten dur in rihe, als man tuͦt einer giftigen kroten, die man spisset.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
216r, 21
(Hs. ˹
nalem.
,
um 1400
˺):
Jn dem vierden manot sol man nit koͤlessen, / wan si machet gruͤnes vnd gifftig bluͦt.
Cirurgia H. Brunschwig
31ra, 24
(
Straßb.
[
1497
]):
Des gelichen duͦt es [viol oͤly] ouch so du geschossen bist mit einem büchsen klotz / so dz pulver oder sin gifftikeit darinnen bliben ist.
Dasypodius
254r
(
Straßb.
1536
):
Virulentia, giftigkeit.
Päpke, Marienl. Wernher
4426
(
halem.
,
v. 1382
):
Der selben jungen kinde ains | Ain schlange gifteklich erbais.
Broszinski, Minner. Chir. Parva
81v, 20
(
halem.
,
2. H. 15. Jh.
):
Cura der wunden, die da gifftig sint, uff dry formen.
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
213, 102
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
Do dy Juden in der wüegst von den gifftigen slangen gehekcht würden, das sew davon sturben.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
153, 3381
;
527, 640
;
Broszinski, a. a. O.
72v, 5
;
Belkin u. a., a. a. O.
194, 5
;
Ralegh. America
13, 12
;
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
392, 25
;
Schmidt, Rud. v. Biberach
182, 2
;
Heidegger. Mythoscopia
53, 13
;
Scholz, Lanfrank. Chir. Parva
227r, 4
;
Bremer, Voc. opt.
43116
;
Dict. Germ.-Gall.-Lat.
201
;
Mylius
D 7r
;
Henisch
1619
.
Vgl. ferner s. v.
atter
,
befallen
(V.) 2.
3.
›bösartig, übel, Verderben bringend; spitzzüngig, falsch‹; Ütr. zu 2;
zu
gift
(
die
) 5.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
argwönig
 1b–1f.,
bitter
(Adj.) 4,
böse
(Adj.) 5; 6; 7,
boshaftig
,
falsch
,
hellisch
 4,
ketzerisch
,
lästerlich
 1,
lügenhaft
 2,
neidig
,
schandbäre
,
verderblich
,
verräterisch
.
Gegensätze:
from
,
heilwertig
 1; 2.
Syntagmen:
j
. (z. B.
der spieler / tropf / teufel
)
g. sein, js. wille / zunge g. sein
;
g. lachen / lästern / lügen / reden
;
g. zu jm. einschlagen
;
der giftige atem / deuter / hellerache / irtum / ketzer / neid / Neidhart, lutherische bube, die giftige grundsuppe / neigung / praktik / sophisterei / wirkung / zunge, das giftige buch / furzen / herz / laster / (läster)maul / wort, die giftigen augen
;
der giftigliche wurm
.
Wortbildungen:
giftigbitter
,
giftigböse
,
giftiglich
,
giftigkeit
2.

Belegblock:

Luther, WA
8, 269, 2
(
1521
):
bis daz sie [des teuffels getzicht] dieselben [kinder der mutter] mit yhren gifftigen leren vorgifftigen.
Ebd.
41, 529, 21
(
1536
):
Ideo ex grosser gyfftigkeit und bosheit.
Anderson u. a., Flugschrr.
12, 7, 34
(
Wittenb.
1522
):
Du darffest dir nit furnhemen / das wir vnß / vor deyne͂ gifftige͂ otem vñ furtzen endsetzen.
Luther. Hl. Schrifft.
Ps. 64, 4
(
Wittenb.
1545
):
Welche jre Zungen scherffen wie ein schwert / Die mit jren gifftigen worten zielen wie mit Pfeilen.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
228, 5648
(
Magdeb.
1608
):
Biß der Wolff seine zeen zusam / | Vnd fieng gifftig zu lachen an.
Kehrein, Kath. Gesangb.
3, 127, 1
(
Köln
1582
):
SElig zuͦpreisen ist der mann, | Der sich enthelt von den gotlosen, | [...] | Noch sitzt bei gifftigboͤsen rotten.
Ebd.
169, 7
:
Du hast zuͦm raub vns werden lassen | Den die vns hassen, | Daß sie mit gifftigbitterm muͦt | Kleglich ausplundern vnser guͦt.
Jahr, H. v. Mügeln
2499
(
omd.
, Hs.
1463
):
gar giftik ist sin [mensche] arger will. | sin blik ist mortlich unde schil.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
144v, 2
(
Leipzig
1588
):
ob gleich gifftige Neidharten diss Buͤchlein mit schelen Augen ansehen.
Gille u. a., M. Beheim
118, 667
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
die hailwertig gaistlich ercznei, | die da weret der leczen | Gifftigenn naigung ringen.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
156
(
Nürnb.
1517
):
des teufels rede, als do sein: ligen. murmeln. got. den priestern. erbarn frauen [...]. lesterlich. unverschampt. frauenwirtisch und dergleichen giftig reeden. davon die unvolkumen selen sterben.
Franck, Decl.
339, 15
(
Nürnb.
1531
):
Ist nit der kuͤn spiler / zaͤnckisch / gifftig / bissig / trawrig / ein feindt seines guts?
Reichmann, Dietrich. Schrr.
167, 7
(
Nürnb.
1548
):
es sey [...] die suͤnd so mechtig / Der Teuffel so boͤß vnnd gifftig er ymmer woͤlle / da haben wir Gottes Heyland.
Henisch
1619
(
Augsb.
1616
):
Gifftig Hertz / gifftiger Mensch. [...]. Ein gifftig Hertz vnnd boͤse Zunge verderbet aller richtigkeit vnd einigkeit. [...]. Gifftig Maul / gifftige Zung.
Klein, Oswald
24, 46
(
oobd.
,
1427
):
all mein sinn vertust, | das ich nicht wil verschrenken | den gifftiklichen wurm
[bildlich].
Luther, WA
6, 580, 12
;
6, 668, 5
;
8, 188, 24
;
8, 552, 14
;
15, 94, 6
;
17, 2, 144, 8
;
41, 458, 24
;
Peil, a. a. O.
235, 5871
;
589, 2620
;
Gropper. Gegenw. V,
3
;
Harms u. a., Alberus. Fabeln
77, 12
;
Roloff, Naogeorg/Tyrolff. Pamm.
451, 4470
;
Schorer, Sprachposaun
11, 4
;
Henisch
1619-1621
;
Dietz, Wb. Luther
2, 125
f.;
Schwäb. Wb.
3, 655
f.
Vgl. ferner s. v.
amächtig
 2,
argwönig
 2.