geraten,
V., unr. abl.
1.
›(jm.) etw. raten, anraten, einen Rat erteilen; (jm.) etw. empfehlen, Hilfe geben; etw. anordnen‹.Syntagmen:
mit Akk. d. S. und Dat. d. P.Wortbildungen:
gerätig
Belegblock:
Helm, H. v. Hesler. Apok.
13542
(nrddt.
, 14. Jh.
): Do der tuvel den mort geriet | Daz her prediger uz sante.
Reissenberger, Väterb.
25478
(md.
, Hs. 14. Jh.
): In dem sinne ich uz schiet, | Als mir daz herze geriet.
Chron. Köln
1, 42, 11
(rib.
, Hs. 1. H. 15. Jh.
): Busschoff here laist uch geraden.
Froning, Alsf. Passionssp.
5838
(ohess.
, 1501ff.
): mer mogen em leyder nit gehelffen adder geraitten.
Jahr, H. v. Mügeln
129, 2092
(omd.
, Hs. 1463
): habt gotte lip und üwer man: | nicht baß ich üch geraten kan.
Anderson u. a., Flugschrr.
22, 7, 34
([Erfurt
] 1525
): were villeicht eyner oͤberkeyt geradten.
Mayer, Folz. Meisterl.
83, 3
(nobd.
, 1517
/8
): ob er mir geratten kan | Kürzelich in disser friste.
Baumann, Bauernkr. Rotenb.
498, 25
(nobd.
, n. 1525
): Darumb ist uns von im geraten, das wir als ewer armen zu euch als zu unsern gnedigen herren eylends schicken.
Sachs
20, 238, 37
(Nürnb.
1555
): Einig on ein ehweib zu bleiben, | Mein zeit in rhu hie zu vertreiben, | Weil ich ir wol gerhaten kan.
Vetter, Pred. Taulers
256, 36
(els.
, 1359
): do dise lúte recht gerotent, do ist ir wesen úber alle die mosse wunneklich.
Karnein, Salm. u. Morolf
27, 4
(srhfrk.
, Hs. um 1470
): da truretten alle sin man, | das sie im alle nit kundent geratten | umb ein frauwe wol gethan.
Pfaff, Tristrant
20, 15
(Augsb.
1498
): Sy kunden im all nit geraten, unnd weßten auch nit wahin.
Päpke, Marienl. Wernher
6285
(halem.
, v. 1382
): Wan si vil dike allain was | Bi im und frage nút vegas, | Als ir wises hercze ir das geriet.
Primisser, Suchenwirt
39, 107
(oobd.
, 2. H. 14. Jh.
): Von Chöln wis gen Speyre | Chan dir nym geraten pas.
Kummer, Erlauer Sp.
3, 726
(m/soobd.
, 1400
/40
): ich wil euch zaigen ain man, | der euch wol geraten chan.
Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 70
; Stedtfeld, Roger-Glosse
65
; Maaler
169v
; Brinckmeier
902
; Schwäb. Wb.
3, 387
.2.
›zu einem bestimmten Ort, in eine bestimmte Situation gelangen; sich einer Situation nähern, auf etw. stoßen, zu etw. werden; mit einer Tätigkeit beginnen; sich zu etw. entwickeln‹.Phraseme:
in vergessenheit geraten
›vergessen werden‹; aneinander geraten
›in Streit kommen‹.Syntagmen:
mit präpositionalem Anschluss (an, auf, in, zu
).Belegblock:
Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. Weibe
281, 11
(Wolfenb.
1593
): Sehet euch gleichwol für, Das jhr nicht zu schaden vnd vnglück möget gerathen.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
23, 31
(Magdeb.
1608
): Daruͤber sie einander vbel geschlagen / vnd endlich fuͤr den Richter gerathen weren.
Chron. Köln
1, 161, 11
(rib.
, Hs. 1. H. 15. Jh.
): Die myt armbrusten konnen scheissen, | sy sullen vianden geraden we.
Ralegh. America
13, 16
(Frankf.
1599
): sie geriehten dardurch in grossen Mangel vnd Hunger.
Perez, Dietzin
1, 2
ß9, 23 (Frankf.
1626
): denn ich je vnnd allwegen den Vnstern gehabt / dz ich in disputationen gerathen.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
12, 9
(Hs. ˹omd.
, 1465
˺): Wart nur, das es nicht zu ungelücke gerate.
Böhme, Morg.R.
15, 32
(Hs. ˹schles.
, 1612
˺): Es sind aber auch diejenigen [...] nicht wenig daran schuldig / das so eine unzehlbahre menge ins verderben geraͤth.
M. Cunitia. Ur. Prop.
147, 44
(Öls
1650
): Biß ich endlich in dz Studium Astronomicum gerathen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
119, 19
(Nürnb.
1548
): wie ein Vater sein kind straffet / das es nit mutwillig werde / vn̄ ins verderbē gerathe.
Ebd.
143, 36
: es gereth solches fuͤr nemen sehr vbel.
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 22, 2
(Nürnb.
1631
): Du hast mich schon viel Tag vnd Jahr, | Bewahrt fuͤr Leibs vnd Seelen Gfahr, | In welch ich gwiß gerathen wer, | Wo dus nicht verhuͤtet trewer HERR.
Vetter, Pred. Taulers
37, 17
(els.
, E. 14. Jh.
): O kinder, die in dise porten wol und recht geroten weren, wie ein minnenklich ding das were.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 213, 2
(Hagenau
1534
): Reycher / grosser / weiser leutte kinder / geradten selten wol.
Eschenloher. Medicus
17, 26
(Augsb.
1678
): Damit aber solches herrlich vnd Goͤttliche Miracul [...] nit so leichtlich in vergessenheit geriethe.
Ebd.
66, 12
: ist sie in schwere Melancholey gerathen.
Lindqvist, K. v. Helmsd.
2376
(halem.
, Hs. um 1435
): Do er ze non zÿt verschied, | Sin sel hin zuͦ der helle griet | Verainet mitt der gotthait.
Klein, Oswald
41, 42
(oobd.
, 1428
): an allen jamer in sein kamer ich geriett.
Turmair
5, 104, 30
(moobd.
, 1522
/33
): damit der mächtigist und geweltigist damalen fürst in Frankreich, herzog Thessel aus Baiern und der künig sein vetter nit aneinander gerieten.
Winter, Nöst. Weist.
3, 565, 4
(moobd.
, 1628
): das etlich unserer burger zu Pechlarn [...] in abschlag und verderben gerathen.
Qu. Brassó
4, 224, 8
(siebenb.
, 1633
): in diesem selben Jahr bin ich in ein gross Unfall durch einen Hundebiss geraden.
Ebd.
4, 226, 16
(siebenb.
, 1635
): den 10. Sonntag Trinitatis ist mein liebes Ehegemahl Rosa [...] in ein schwere Krankheit geraden.
3.
von Geschehnissen, Tätigkeiten: ›zu einem Erfolg werden, glücklich ausgehen, gelingen; geschehen, passieren, sich begeben‹; von Pflanzen, Bäumen, Sträuchern: ›gedeihen, gut wachsen, Erträge bringen‹.Belegblock:
Mieder, Lehmann. Flor.
807, 2
(Lübeck
1639
): Versuchen ist kein Schand / geraͤhts nicht so schadts nicht.
Peil, Rollenhagen. Froschm.
257, 15
(Magdeb.
1608
): So greth es doch nicht solcher arth / | Wie es zuvor gemeinet ward.
Luther, WA
33, 403, 17
f. (1531
): eichene oder eigene anschlege geraten selten wohl.
Beckers, Bauernpr.
50, 27
(Köln
1515
/18
): Garden frucht geraidt woll.
Thiele, Chron. Stolle
443, 6
(thür.
, 3. Dr. 15. Jh.
): das selbige jar gered das korn wol.
Küther, UB Frauensee
302, 19
(thür.
, 1506
): ab Got die gnade gebe, das der wynn gerate, sal der obgenant hoffman dem probst 1 thun wynß gebenn.
Chron. Nürnb.
4, 237, 4
(nobd.
, 15. Jh.
): desselben jars ward ein dürrer herbst und geriet wol der wein.
Turmair
1, 321, 34
(Nürnb.
1541
): wann alle frücht sein alle jar wol geraten und überflüssiglich gewachsen.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
146, 5
(Nürnb.
1548
): des Teuffels anschlag geredt nicht.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 455, 23
(Hagenau
1534
): Geret es nicht eyn mal / so geret es das ander mal.
Karnein, Salm. u. Morolf
777, 7
(srhfrk.
, Hs. um 1470
): sie wuhste nit, wie es geriet.
Chron. Augsb.
2, 327, 16
(schwäb.
, Hs. 16. Jh.
): der ist diser gloggen maister auch gewesen, aber sie ist nit geratten, das ist sein schad.
Henisch
229
(Augsb.
1616
): (Wol) bedacht / gerath offt vbel.
Koller, Ref. Siegmunds
315, 3
(Hs. ˹Basel
, um 1440
˺): In einem land gerot es ettewan basz den in dem andren.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
78, 11
(oobd.
, 1349
/50
): der erden früchte niht sô wol gerâtent sam andreu jâr.
Klein, Oswald
16, 47
(oobd.
, 1407
?): den [aubent stern] sëh ich gern; möcht mir der wunsch geräten.
Turmair
4, 16, 25
(moobd.
, 1522
/33
): Nun weiter heb ich in gottes namen, das es wol gerat, das werk an.
Qu. Brassó
5, 505, 27
; Schmid, Pilgerreisen.
1957, 413
; Voc. Teut.-Lat.
l viijr
; Dasypodius
393
; Maaler
169v
; Henisch
1506
; Dict. Germ.-Gall.-Lat.
187
; Dietz, Wb. Luther
2, 82
f.; Schwäb. Wb.
3, 385
; Schweiz. Id.
6, 1605
.4.
›einer Person, Sache entbehren, darauf verzichten; jn. / etw. vermissen‹.Bedeutungsverwandte:
entberen
entraten
felen
gebrechen
1
mangeln
Syntagmen:
mit Gen. d. S., vereinzelt auch mit Akk.Belegblock:
Luther, WA
30, 2, 311, 30
(1530
): so kan auch die Christenheit wol solcher Bisschove und Bepste geraten.
Ebd.
32, 38, 3
(1530
): Denn so wenig wir essens und trinckens geraten koͤnnen, so wenig konnen anfechtung und leidens geraten.
Schöpper
55a
(Dortm.
1550
): Carere. Entberen fälen gebrechen gerathen mangeln entrathen.
Kurz, Waldis. Esopus
1, 40, 40
(Frankf.
1557
): Kein mensch so mechtig oder Reich, | [...] Der in worten oder thaten | Seins nehsten huͤlffe kan gerathen.
Lemmer, Amman/Sachs. Ständeb.
37, 2
(Frankf./M.
1568
): Hieher / wer Fleisch nit kan gerathen / | Zu Sieden / Kochen vnd zu Brahten.
Dinklage, Frk. Bauernweist.
40, 37
(nobd.
, 1413
): als des not geschehe, wolte es anders eyn apte oder dye synen nit enbern oder geraden.
Chron. Nürnb.
2, 125, 27
(nobd.
, 1449
/50
): daz der kaufman bei in seins gewerbs über lant nicht geraten mocht.
Baumann, Bauernkr. Rotenb.
333, 11
(nobd.
, n. 1525
): das ir unser hilf nit geraten oder empern möcht.
Bell, G. Hager 3 Vorrede,
7
(nobd.
, 1600
): Dann das Hausshalten darff so vil sorg vnd mühe, das man das Tichten vnd Singen wol gerathen kundte.
Lexer, Tucher. Baumeisterb.
220, 24
(nürnb.
, 1464
/75
): dardurch der pach nit gehindert wert; dann man sein nit geratten mag in der stat.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
72, 11
(Nürnb.
1548
): Sonderlich wenn die not dermassen fuͤrfelt / das wir des betens nicht koͤnnen gerathen.
Sachs
14, 277, 8
(Nürnb.
1553
): Ir seidt im schuldig 40 ducaten, | Der kün er lenger nit geraten.
Ebd.
19, 287, 10
(Nürnb.
1563
): Dargegen meid und thu gerhaten | Aller unart, dorheit und laster.
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst
2, 7, 11
(Straßb.
1533
): Nun war der Meister mit vil Arbeit uͤberladenn, [...] das er des Knechts nit geraten mocht.
Auer, Stadtr. München
259, 6
(moobd.
, 1347
): der sol dem chlager daz gelt guot machen, in dem dinckhaus, ob er sein nicht geraten wil.
Siegel u. a., Salzb. Taid.
214, 28
(smoobd.
, 1624
): soll man ainem seinen werchzeuch nit angreifen [...] es wurt dann ain uberflus befunden, dës er zu seiner hantierung woll geraten möcht.
Chron. Augsb.
7, 316, 7
; Karnein, de amore dt.
179, 747
; Henisch
1505
; Bad. Wb.
2, 369
.