gemüt,
das
;-es/-er
, auch -Ø
.1.
›Seele, Psyche, Herz, Gemüt; Gefühl, Empfindung, Stimmung; geistige und seelische Verfassung des Menschen‹; offen zu 2.Vielfach poetische Texte sowie Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Phraseme:
etw. get jm. zu gemüt
›etw. geht jm. zu Herzen‹.Bedeutungsverwandte:
herz
das
) 4, sele
sin
wille
Gegensätze:
1
leib
Syntagmen
das g. entzünden / erlustigen / erofnen / schänden / stärken / stillen
; Doppelformel: g. und herz; das bewegte / erhabene / gesunde / getreue / gute / menschliche / sanfte / sichere / sorgliche / traurige / unverzagte g
.Belegblock:
Helm, H. v. Hesler. Apok.
7240
(nrddt.
, 14. Jh.
): Der [...] | arm wart des gutes | Und also kranc des gemutes.
Mieder, Lehmann. Flor.
497, 17
(Lübeck
1639
): Kaͤyser Augustus hat die Menschliche Gebrechen also pflegen zu vnterscheyden / das theils von der Natur erspriessen theils vom Gemuͤth.
Pfefferl, Weigel. Gn. S.
169, 16
(Magdeb.
1615
): so er sich weiter erhebet mit dem Gemuͤthe zuschawan die Goͤttliche Dinge.
Alberus, Barf.
529, 8
(Wittenb.
, 1542
): Da bey man merckt das Franciscus ein Jungfraw an leib vnd am gemuͤte ist.
Rosenthal. Bedencken
22, 17
(Köln
1653
): Wann dann das Gemüt sich erinnert / wo des liebsten Freundes Leib begraben sey.
Schöpper
8b
(Dortm.
1550
): Voluntas. Wil hertz gemuͤt sinn meynung anmut wollgefall.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
174, 5
(Frankf.
1535
): Er [Saphir] stercket das gemuͤt in guͦten dingenn.
Ralegh. America
4, 37
(Frankf.
1599
): vnd war ein Edelmann eines wehrhafftigen vnd vnerschrockenen Gemuͤts.
Perez, Dietzin
1, 316, 11
(Frankf.
1626
): Die Daͤmpff vnd Nebell / so von dem Wein vber sich steygen verfinstern nicht allein Gesicht / sondern zugleich auch das Liecht des Gemuͤhts.
v. d. Lee, M. v. Weida. Spigell
41, 36
(omd.
, 1487
): Szal sich das weÿp mitt etlicher bitterkeit ÿres gemúttes gehorsamlich halden.
Strauch, Par. anime int.
72, 32
(thür.
, 14. Jh.
): reinekeit des herzin daz ist lutirkeit des gemudis.
Thür. Chron.
7r, 17
(Mühlh.
1599
): Hannibal [...] war seiner Sinne vnd Gemuͤhts nit gar ein Kind.
Göz. Leichabd.
182, 23
(Jena
1664
): Zwei verliebte seind ja nur ein Gemuͤht und eine Seele.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Mt.
22, 37
(osächs.
, 1343
): Du salt lîb haben den herren dînen got ûz gânczem dîme herzen und ûz ganzir dîner sêle und in ganczem dîme gemuͦte.
Sermon Thauleri
13ra
(Leipzig
1498
): Dz gebete ist nicht anders. dan eyn auffgang des gemutes yn got.
Mathesius, Passionale
39v, 10
(Leipzig
1587
): Nemet diese Prophecey wol zu Hertzen / zu gemuͦth vnd sinnen.
v. d. Broek, Suevus. Spieg.
176v, 12
(Leipzig
1588
): Das gute Freundschafft eigentlich heisset: Ein Zusammen neigung / Verknüpfung vnd Verbindung der Hertzen vnd Gemuͤter der Menschen.
v. Ingen, Zesen. Ged.
392, 2
(Breslau
1641
): Ich schertze / doch nur mein Gemüthe zu erlustigen / und den Verstand an dergleiche Sachen zu wetzen.
M. Cunitia. Ur. Prop.
148, 36
(Öls
1650
): Denn also werden deß Gestirns erscheinungen eher in dem Gemuͤth deß Menschen erkandt; als an dem Himmel geschehen.
Gille u. a., M. Beheim
82, 478
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): Also het er durch ander | menschen red senft gemut, vernunfft, | verstentnis fur ander leut.
Reichert, Gesamtausl. Messe
25, 31
(Nürnb.
um 1480
): so vil mer wechst die danckberkeyt in seiner sele oder gemuete.
Anderson u. a., Flugschrr.
8, 4, 20
([Nürnb.
] 1524
): In der ersten wirt des mensschen gemuͤte formiret zu redligkait oder vernunfft.
Trunz, Meyfart. Tub. Nov.
10, 4
(Coburg
1626
): sein Hertz vnd Gemuͤth triumphiret vor grosser Frewdigkeit.
Vetter, Pred. Taulers
20, 7
(els.
, E. 14. Jh.
): gebet ist nút anders wanne ein ufgang des gemútes in Gotte.
Ebd.
279, 7
(els.
, 1359
): Das bitten das meinet ein zuͦgekert gemuͦte mit einer inniger begerunge zuͦ Gotte.
Ebd.
348, 25
: der dritte mensche das ist das gemuͦte, das oberste teil der selen.
Karnein, Salm. u. Morolf
132, 1
(srhfrk.
, Hs. um 1470
): Morolff gedachte in dem gemüte sin.
Martin, H. v. Sachsenh. Tempel,
534
(schwäb.
, 1455
): Maria, maget und kunigin, | Der hymmel hort vol guet, | Mach rüstig min gemüt.
Chron. Augsb.
7, 288, 11
(schwäb.
, zu 1555
): weliches meinem lieben weib aus weiplicher plödigkait zuͦ gemuet gangen.
Heydn. maister
23v, 6
(Augsb.
1490
): Dieweil aber er gar eins schaͤmigen gemuͤts wz.
Ott-Voigtländer, Rezeptar
212r
(Hs. ˹nalem.
, um 1400
˺): Der vnruͤwig gemuͤt hab vnd im nahtes / swaͤr tromet, der nem betania vnd hab si nahtes by jm.
Wyss, Luz. Ostersp.
2545
(Luzern
1583
): Wir hand in vnsrem gmuͤtt allein | Erwelltt ein magtt, klar, küsch vnd rein.
Buijssen, Dur. Rat.
22, 15
(moobd.
, 1384
): Das alleluia gehort zw der frewd des gemuecz der czwelifpoten.
Hohmann, H. v. Langenstein. Quästio
185, 45
(moobd.
, 1. H. 15. Jh.
): Wenn der pöz geist peginnet cze stüermen dy vest vnsers gemüets.
Bauer, Imitatio Haller
54, 21
(tir.
, 1466
): ist das Jesus nicht pey dir ist [...] so pistu verlassen, vnd dein gemuet das würt petruebt vnd traurig.
Stoltzius, Chym. Lustg.
82, 4
; Quint, Eckharts Trakt.
252, 11
; zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
99
; Wickram
4, 26, 8
; Ruh, Bonaventura
359, 23
; Dreckmann, H. Mair. Troja
39, 12
; Spechtler, Mönch v. Salzb.
32, 3
; Fichtner, Füetrer. Trojanerkr.
16, 6
; Wiessner, Wortsch. Wittenw. Ring.
1970, 68
; Türk, Wortsch. Dietr. v. Gotha.
1926, 36
; Bremer, Voc. opt.
270
; Schmitt, Ordo rerum
329, 6
; Voc. inc. teut.
hv iijr
; Dasypodius
9v
; Serranus
81r
; Maaler
167v
; 187r
; Hulsius
F iiijv
; Henisch
1489
f.; Dict. Germ.-Gall.-Lat.
186
; Dietz, Wb. Luther
2, 74
f.; Dief./Wü.
611
; Pfälz. Wb.
3, 197
; Schwäb. Wb.
3, 350
; Schweiz. Id.
4, 587
.2.
›Geist, Verstand; Ansicht, Meinung, Einstellung, Gesinnung; Absicht, Streben, Neigung‹.Phraseme:
jm. etw. zu gemüte füren
›jm. etw. erzählen, mitteilen‹; des gemüts sein
›die Absicht haben‹.Syntagmen
das g. abmerken / anzeigen / befestigen / erklären / erweichen / sänftigen / steuern
; Doppelformel: g. und meinung; das arge / auferhabene / barmherzige / brüderliche / christliche / edle / fäterliche / feindliche / feste / freveliche / gehorsame / götliche / königliche / küne / listige / manliche / mutige / stolze / untertänige / unterworfene / unverzagte g
.Belegblock:
Helm, H. v. Hesler. Apok.
21993
(nrddt.
, 14. Jh.
): So wenden sie ir gemute | Mit vaterlicher gute | Zu dem volke gemeine.
Chron. Magdeb.
2, 148, 34
(nrddt.
, Hs. 1601
): ich wolte [...] ihnen dornach ihr Gnade und gunstige gemuete und bedencken unvorhalten wissen lassen.
Mieder, Lehmann. Flor.
212, 7
(Lübeck
1639
): Es ist nicht genug / daß ein feind friede͂ bewilliget / wenn er nicht sein feindlich Gemuͤth verbessert.
Holland, H. J. v. Braunschw. V. e. vngerat. Sohn
374, 32
(Wolfenb.
1594
): Was mus der doch ein vnbarmhertzig gemüth gehabt haben, Der seine Handt an dich vnschuldiges Kind gelegt hat.
Buch Weinsb.
2, 8, 21
(rib.
, 1560
): er sulte sich bedenken und mir sin gemoit anzeigen.
Franz u. a., Qu. hess. Ref. Bd. 2 oder 3?
2, 1, 19
(hess.
, 1525
): wir [...] haben [...] unser gemüt und mainung darin endeckt.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
140, 25
(omd.
, 1529
/30
): Derhalben gelanget an e.f. g. unser underthenigk und gantz demutigk bytten, e.f. g. wollen betrachten und zu gnedigem gemut fuhren dy itzige schwere.
Strauch, Par. anime int.
29, 29
(thür.
, 14. Jh.
): also wonderlich alse di gemude sin der Iude also wonderlich sint di wege zu Gode.
Anderson u. a., Flugschrr.
11, 6, 13
([Leipzig
1521
]): setz ich in eins yeden vorstendigen vnd vnpartheyschen lesers / gemut / und vrteil.
Baumann, Bauernkr. Rotenb.
94, 27
(nobd.
, n. 1525
): die inen verrer ir gemut anzaigen und zu erkennen geben söllten.
Franck, Decl.
346, 10
(Nürnb.
1531
): Dann der wein [...] verfürt das gemuͤt.
Sachs
12, 376, 6
(Nürnb.
1555
): Ich will euch mein gemüt erklern.
v. Keller, Ayrer. Dramen
155, 21
(Nürnb.
1610
/8
): Eur künes Gmüth mir wol gefelt. | Dergleich will ich auch kämpffen ebn.
v. Birken. Erzh. Österreich
85, 51
(Nürnb.
1668
): so hat doch die edle Sanftmut in seinem Gemuͤte fuͤr gedrungen.
Vetter, Pred. Taulers
199, 16
(els.
, 1359
): volge dinem gekrúzigotten Gotte mit underworfenem gemuͤte in wore verkleinunge din selbes.
Wickram
4, 5, 7
(Straßb.
1556
): binn guͦter hoffnung / euwer gemuͤt habe sich gegen mir auch nit anderst verendert.
Chron. Augsb.
6, 28, 4
(schwäb.
, zu 1524
): da hat man zuͦ im gesagt, ob er noch wolle des gnuetes und glaubens sein, wie in seine eltern haben gelert.
Ebd.
7, 280, 25
(zu 1552
): so ist den gegenwesenden von geschlechtern nit zuͦwider, sich ires gemuets freundtlich zuͦ ercleren.
Brandstetter, Wigoleis
222, 31
(Augsb.
1493
): wann jr vil von got dem herren mit vestem starckem gemüet vnd hoher vernunfft seind begabet.
Eschenloher. Medicus
23, 14
(Augsb.
1678
): Wann wir etwas reiffers die Gesandschafft [...] zu Gemuͤth fuͤhren / auch die Antwort.
Jörg, Salat. Reformationschr.
306, 21
(halem.
, 1534
/5
): sust erbuttend sy sich jnen gantz guͦtwillig / und geneygtz gemuͤtz.
Pfeiffer-Belli, Murner im Glaubensk.
2, 23, 8
(Luzern
1526
): das ich solches nit thuͦ, noch thuͦn wil vß gemiet vnd meinung.
Wyss, Luz. Ostersp.
720
(Luzern
1583
): So werd Gott durch sin milltte guͦtt | Erkennen vnser ghorsam gmuͦtt.
Seemüller, Chron. 95 Herrsch.
177, 5
(oobd.
, Hs. 1. H. 15. Jh.
): Den chünig übercham sein weib chünigin Guͦt [...] mit grosser pet, daz si sein gemút senftiget gen irem bruder.
Boot, Cassiodor. Hist. Eccl.
23, 10
(moobd.
, um 1385
): mit ewrem unvercherleichem starkchem gemuet, daz unuberwindleich allen veinten angesigt.
Ettmüller, Heinr. v. Meißen
283, 13
; Küther, UB Frauensee
392, 21
; Roloff, Brant. Tsp.
1152
; Dreckmann, H. Mair. Troja
43, 7
; Bachmann, Haimonsk.
156, 19
; Moscouia
E 1r, 33
; Skála, Egerer Urgichtenb.
133, 9
; Voc. rerum
16v
.3.
›Stimmung, Lust, Mut‹.Syntagmen:
das g. erfrischen / hochhalten; das freie / frische / frohe / gleiche / gute / lustige / neue / starke g
.Belegblock:
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 313, 1
(Mainz
1605
): DEr Heilig wahr Leichnam der ist gut | Er bringt mir ein frisch gemuͦte.
Froning, Alsf. Passionssp.
1839
(ohess.
, 1501ff.
): des muß ich ummer weßen fro, | want myn gemude heldestu ho.
Quint, Eckharts Trakt.
13, 12
(E. 13.
/A. 14. Jh.
): sô dem guoten und gerechten menschen schade geschihet ûzerliche, ist, daz er blîbet glîches gemüetes.
Hoffmeister, Kuffstein. Gef.
A iijr, 22
(Leipzig
1625
): Allda ich / wie anderm allem / meine Augen vnd Gemuͤth zu erfrisschen [...] verhoffete.
Vetter, Pred. Taulers
96, 8
(els.
, E. 14. Jh.
): daz man alle ding von Gotte genemen kan in gelicheme gemuͤte.
Chron. Strassb.
82, 16
(els.
, 1362
): sint noch hüte starkes gemuͤtes und fehtent unerschrokenliche.
Karnein, Salm. u. Morolf
711, 5
(srhfrk.
, Hs. um 1470
): vil froe sin gemute was.
Koppitz, Trojanerkr.
2977
(Hs. ˹noschweiz.
, 15. Jh.
˺): Daz selbe minekliche kled | Gitt frowen gütt gemütte.
Maaler
187v
(Zürich
1561
): Ein faul vnd traͤg Gmuͤt aufbringen vnd ermunteren.
Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
80, 41
(tir.
, 1464
): die versprachen mir grosse guethait vnd suessighait, ist das ich pelib in ainem starkchen fürsacz vnd gemüet.
Opitz. Poeterey
22, 33
.4.
›Gesamtheit der Empfindungen und Gedanken eines Menschen; sein Charakter und Wesen; der Mensch als Ganzheit‹.Syntagmen:
das aufrichtige / erliche / fromme / grosse / keusche / ledige / redliche / starke / treue g
.Belegblock:
Peil, Rollenhagen. Froschm.
311, 1579
(Magdeb.
1608
): Das auch daruͤber viel verderben [...] Soll ein Ehrlich gemuͤth nicht schrecken.
Kehrein, Kath. Gesangb.
3, 12, 1
(Köln
1583
): Dem HErren mits hertzen gemuͤth auß andacht, | Lobgesang singen.
Dünnhaupt, Werder. Gottfr. v. Bullj.
19, 26
(Frankf./M.
1626
): Der ander sein Gemuͤth mit ruhm bemuͤhet hat.
Quint, Eckharts Trakt.
199, 4
(E. 13.
/A. 14. Jh.
): daz ist, daz des menschen gemüete genzlîche ze gote sî.
Weise. Jugend-Lust
79, 7
(Leipzig
1684
): da werden sich alle redliche Gemuͤther vom Hofe begeben.
Heydn. maister
33v, 9
(Augsb.
1490
): dann sÿ wolten jre gemuͤt mit seiner ler nit beladen.
Fischer, Eunuchus d. Terenz
30, 25
(Ulm
1486
): wie wol sie argwonet der riter hab sein gemüt zuͦ ir gestellet.
Eschenloher. Medicus
28, 15
(Augsb.
1678
): Dein Gmuͤth richt auff / zu disem lauff.
Sudhoff, Paracelsus
10, 258, 2
(1536
): also was sein gemuͤt und sinlicheit betrift.
Klein, Oswald
115, 28
(oobd.
, n. 1438
): wann ir gemüt ist voller mail.
Moscouia
E 1v, 21
(Wien
1557
): So ist er doch aines gar Eerlichen treuen vnnd frumen gemuͤts geweßt.
Chron. Augsb.
9, 89, 7
; 9, 131, 1
; Lindqvist, K. v. Helmsd.
1555
; Bauer, Haller. Hieronymus-Br.
29, 10
; dies., Imitatio Haller
87, 27
.