ertragen,
V., unr. abl.
1.
›(mittels Statik oder physischer Kraft) etw. (eine Last, ein Gewicht) halten, stützen, forttragen‹; speziell auch: ›(ein Kleidungsstück) tragen‹; vgl.
er-
5; 8, 1
tragen
1; 2.Phraseme:
sich ertragen
1 ›schweben‹; sich wol ertragen
›sich (gesundheitlich) gut (aufrecht) halten‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. aufhalten
halten
lupfen
Belegblock:
Luther, WA
22, 26, 27
(1544
): es ist noch nicht grosse muͤhe, ein grawe Kappen ertragen.
Dasypodius
439v
(Straßb.
1536
): sich erTragen / schweben. Librare.
Behrend, Spangenb. Anbindbr.
122, 23
(Straßb.
1611
): Der [Mann] hett in seiner hand ein Baum / | So gross / dass jhn drei Männer kaum | Ertragen möchten.
Maaler
118v
(Zürich
1561
): Sich wol Ertragen / Wol vmb einen ston vnd gsund sein.
Klein, Oswald
19, 200
(oobd.
, 1416
): künig Sigmund follet mir | den strich
[ hier: ›Geldbeutel‹]
mit manchem plancken zier, | was ich [...] | selb dritt neur mocht ertragen. Mell u. a., Steir. Taid.
31, 23
(m/soobd.
, 1568
): sonderlich mit auffüerung der rauchfänk über die tächer, wo es anderst die zimer ertragen mügen und die tächer darnach gemacht sein.
Schweiz. Id.
14, 506
.2.
›etw. (körperliche oder geistig-seelische Mühsal) hinnehmen, erleiden‹; auch: ›jn. / etw. aushalten, dulden‹; ütr. zu 1; vgl.
er-
8, 1
tragen
1; 4; 20.Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘.
Bedeutungsverwandte:
ausstehen
drücken
dulden
erlangen
erleiden
1
leiden
zugeben
aushalten
1
betragen
1
dolen
getragen
Wortbildungen:
ertragende
der
) ›der Geduldige‹, ertragenlich
annemlich
leidlich
Belegblock:
Luther, WA
22, 199, 26
(1544
): jre oͤffentliche Gottes verachtung und alle bosheit wider Gott und die Leute [...] und so hoch uberhand nimpt, das es schier die erde nicht kan ertragen.
Ebd.
24, 351, 32
(1527
): Denn wie man spricht und war ist, es muͤsten gar starcke beyne sein, die gute tage ertragen
[als mehrdeutige Anspielung auch zu 1 stellbar]
solten, Und ein mensch kan allerley leiden on gute tage. Ebd.
45, 231, 23
(1537
): Da werden auch helle, klare Augen zugehoͤren, welche soͤlche Sonne leiden und ertragen moͤgen.
Ebd.
45, 561, 8
: die beduͤrffen seer wol eines Troͤsters, der sie stercke und erhalte, das sie solchs ertragen und ausstehen koͤnnen.
Gille u. a., M. Beheim
93, 19
(nobd.
, 2. H. 15. Jh.
): [Und Osterlant] mich auch nit mer ertragen mag.
v. Keller, Ayrer. Dramen
120, 19
(Nürnb.
1610
/8
): Wie man dem hochmuth wehren thu! | Wir können jn nicht lenger ertragn.
Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 203, 28
(Nürnb.
1631
): Da kam ein stimm vom Himml herab, | Daß er die Marter nur ertrag.
Maaler
118v
(Zürich
1561
): Ertragende (der) Tolerans. Ertragenlich. Tolerabilis.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 138, 22
([Augsb.
] 1548
): Drey ding machen ain Land unruͦwig / und das vierdte mag es nicht ertragen.
Luther, WA
17, 2, 105, 30
; 21, 301, 19
; Schöpper
11a
; Maaler
118v
; Dict. Germ.-Gall.-Lat.
148
; Schweiz. Id.
14, 507
; Schwäb. Wb.
2, 854
f.‒
Vgl. ferner s. v. aggravieren
1.3.
›etw. erwirtschaften, (einen Ertrag) hervorbringen; (jm., einem Gemeinwesen) etw. (Gewinn, Nutzen, Verlust) einbringen, eintragen‹; speziell auch: ›etw. betragen‹ (zur weiteren Ausdifferenzierung s. Schweiz. Id.
ff.; 509 f.); subst.: ›Gewinn, Nutzen‹; 14, 506
zu
er-
5, 1
tragen
13.Gehäuft Rechts- und Wirtschaftstexte.
Phraseme:
jn. / sich ertragen
2 ›jn. / sich ernähren, für jn. / sich aufkommen‹.Bedeutungsverwandte:
ausrichten
benügen
bringen
erhalten
ersparen
gelten
gewinnen
helfen
lonen
aufbringen
aufwenden
belaufen
heimbringen
1
kosten
nären
Syntagmen:
etw
. (Subj.) etw
. (z. B. die busse x florentiner, die herschaft x mark, die händel viel, die pension keine beschwerde / hilfe
) e., die güter
(Subj.) etw
. (z. B. die gülte / hauptsumme, järliche zinsen
) nicht e., etw
. (Subj.) nichts e
.; subst.: (k)ein e
. (Subj.) von jm. / etw. befunden werden
.Wortbildungen:
ertragung
abstattung
geld
das
, 2).Belegblock:
Köbler, Ref. Franckenfort
82, 12
(Mainz
1509
): solch güttere die hauptsumme nie ertragen oder wert weren.
Küther, UB Frauensee
373, 35
(thür.
, 1527
): daruber kan die buß jars ertragen, 30 oder 35 fl.
Anderson u. a., Flugschrr.
21, 10, 15
([Zwickau
] 1525
): das die selbigen gutter die guld nicht ertragen kunden.
Chron. Nürnb.
4, 318, 14
(nobd.
, 15. Jh.
): einer macht 38 eimer [...] foders piers, das es doch [...] nit wol ertragen mag als die gerst heur ist.
Gagliardi, Dok. Waldmann
2, 58, 15
(halem.
, 1489
): ietz in unser Eidtgnoschaft leyder manigerley geruͦren und händell understanden werden, die eben vil ertragen
(›zu vielem führen‹).
V. Anshelm. Berner Chron.
2, 247, 26
(halem.
, n. 1529
): Darzü erbuͦt er sich [...] mit inen zemachen [...] ein ewige pension, wie er die vor mit den 4 orten hatt, die ouch kein hilf noch bschwerd ertraͤd.
Ebd.
4, 40, 25
: im beschluss diser [...] uͤbel gehaltnen puͤntnuͤss, welche da nuͤt anders ertraͤgt, wen der obristen welt unbestaͤndikeit.
Bachmann, Haimonsk.
71, 21
(halem.
, 1530
): [die herschafft Valliera] ertruog jerlichen tussend marck silbers.
Maaler
118v
(Zürich
1561
): Die nutzung Ertregt die arbeit nit / oder mag der arbeit nit lonen. [...]. Ertrag dich / hilff dir selbs / zeüch dich außhin wie du magst. [...]. Nach Ertragung / oder nach der vile d’ früchten.
Mell u. a., Steir. Taid.
224, 23
(m/soobd.
, 1576
): Gleichermassen von den geimezkern und handwerchern wierdt kain ertragen befunden.
Küther, a. a. O.
286, 39
; Maaler
118v
; Rwb
3, 297
f.; Schweiz. Id.
14, 506
ff.; 509
f.; 513
. Schwäb. Wb.
2, 855
.4.
›etw. durchführen, behandeln‹; auch: ›etw. regeln, entscheiden‹; refl.: ›sich ergeben‹; vgl.
er-
3, 1
tragen
6; 16.Bedeutungsverwandte:
beschehen
ausrichten
austragen
belaufen
geschehen
halten
Belegblock:
Kohler u. a., Bamb. Halsger.
64, 10
(Bamb.
1507
): man sol dieselben auch ermessen, ob sie zauberey auff jn ertragen moͤgen
(›ihn verzaubern können‹).
Chron. baier. Städte. Regensb.
29, 26
(noobd.
, 1517
): im nägsten jar ist auffm reichstag zu Augspurg erlich sein sach ertragen worden.
Siegel u. a., Salzb. Taid.
264, 37
(smoobd.
, Hs. 17. Jh.
): solch der vier und obmans verhör [...] soll vor ausgang des jahrs [...] entlich beschechen und ertragen werden.
Qu. Brassó
5, 558, 8
(siebenb.
, 1616
): Welches dann sich auch alles ertragen.
Rwb
3, 298
; Schweiz. Id.
14, 509
f.