erfordern,
teils
erfodern,
V.
– Eng vernetztes Bedeutungsspektrum mit teils fließenden Übergängen.1.
›etw. (auf das man ein Recht hat oder zu haben beansprucht) verlangen, (ein)fordern‹; auch: ›einen (Rechts)anspruch auf etw. erheben‹; speziell: ›js. Auslieferung verlangen‹; ›jn. rechtlich belangen‹; ›etw. (z. B. Schulden) eintreiben, einziehen‹; vgl.
er-
8.Bedeutungsverwandte:
ab|erlangen
aufheben
begeren
einnemen
erheischen
erklagen
erlangen
erstehen
erwinnen
expostulieren
gemuten
heischen
nemen
verweisen
wollen
ziehen
ermanen
Gegensätze:
geben
Syntagmen:
jn. (von jm.) e., jn. zur strafe, zu töten e., etw
. (z. B. fleis, den lon / eid / zehenten / zins / zol, arbeit / busse, die huldung / rechnung / schuld / steuer, geld / ungebürliches, das gut / opfer / schwert, js. erbe / gutachten, geschlösser / stätte / werke, x pfund
) e., das gesez
(Subj.) etw. e., j. / etw
. (Subj.) etw
. [wie] (z. B. drungenlich / strenglich, aus dem herzen / mund, durch jn., durch js. fürnemen, in js. namen, mit geschrei / gericht / gerichtsklage / recht / teiding / wucher, sunder scham / vernunft, von erbrechts wegen
) e., etw. an / bei jm., für js. schuld, gegen jn., unter / von / zu jm., zu dem reich e
.; die erforderte schuld, die erforderten güter / klagen
.Wortbildungen:
erfordern
das
) 1 ›Verlangen, Wunsch‹ (dazu bdv.: begeren
das
, 4).Belegblock:
Luther, WA
15, 766, 30
(1524
): wir sollen unns Gott gantz unnd gar übergeben, das ist das opffer, das gott von uns erfordert.
Ebd.
30, 3, 364, 38
(1531
): Gott die guten werck an viel orten der schrifft erfordert.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
148, 29
(thür.
, 1474
): so magk Hannß Doringk [...] nicht erffurdern nach erlangen nach syne zcuspruche an yn erwunnen habin.
Kisch, Leipz. Schöffenspr.
241, 5
(osächs.
, 1523
/4
): das man den zehenden pfenning der erforderten guter nicht geben darf.
Ebd. 7:
das man aller erforderten clagen von X ß. I ß. zu helfgeld gibt.
Opitz. Poeterey
55, 2
(Breslau
1624
): Plinius der Juͤngere / welcher vber alle seine sachen gelehrter freunde guet achten erfodert / saget [...].
Köbler, Ref. Nürnberg
123, 2
(Nürnb.
1484
): so sol den Clagern soͤlliche Sum̄ auf ir eruordern zuͦgesprochen werden.
Koller, Ref. Siegmunds
240, 4
(Hs. um 1474
): was zü dem reich gehort oder gehort hat; daz man daz zü dem reich erforder und zihe, das ist man verbunden im rechten.
Chron. Augsb.
7, 256, 19
(schwäb.
, zu 1551
): wa aber kranckhait oder ander erbar ursachen wären, soll der schuͤlmaister nichts ungebürlichs erfordern.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron.
30, 6
(moobd.
, 1478
/81
): ervodert sy [Semiramis] sölichs an in [sun] und begerte seins unzimlichen beiligens.
Ebd.
64, 25
: den lon wolten sy von Got ervodern.
Turmair
5, 578, 13
(moobd.
, 1522
/33
): die churfürsten [...] wolten ie den gefangen fürsten ledig habn, begerten an kaiser Friderich, er solt in erfordern von herzog Heinrichen.
Luther, WA
10, 3, 341, 22
; ders. Hl. Schrifft.
Lk. 19, 23
; Leman, Kulm. Recht
2, 3, 106
; Mitzschke, UB Bürgel
285, 5
; Grosch u. a., a. a. O.
235, 33
; 329, 34
; Buchda, Schöffenspr. Pössneck
4, 102
; Kisch, a. a. O.
308, 6
; 355, 33
; 529, 2
; Sachs
22, 59, 26
; Anderson u. a., Flugschrr.
24, 11, 8
; Merk, Stadtr. Neuenb.
55, 10
; 92, 2
; Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
1, 233, 26
; Edlib. Chron.
6, 8
; Rapp, UB Stuttg.
515, 34
; Roth, E. v. Wildenberg
150, 21
; Turmair
4, 184, 1
; Dasypodius
322v
; Schöpper
104a
; Maaler
109v
; Rot
310
; Henisch
1177
; Rwb
3, 184
f.; Schweiz. Id.
1, 999
; Schwäb. Wb.
2, 794
.‒
Vgl. ferner s. v. ab|erlangen
, ausrichtung
5, befelhaber
, behaltnis
3, inhalt
(Präp.), insonders
2.2.
›jn. (auch: Gruppen u. Ä.) aus je besonderen Gründen und zu unterschiedlichen Zwecken, meist aus einer asymmetrischen Position heraus, an einen Ort bestellen‹; im Einzelnen: ›(einen Gast) einladen‹; ›jn. an einen Ort befehlen, zitieren‹; ›jn. (gerichtlich) vorladen‹; ›jn. (zum Militärdienst u. Ä.) einberufen‹; ›jn. herausfordern‹; ›jn. von einem Ort (zurück)holen‹; vgl.
er-
1; 5.Bedeutungsverwandte:
berufen
bitten
fürheischen
gebieten
heischen
zitieren
aufmanen
bescheiden
beschreiben
betagen
1
heissen
2
laden
Syntagmen:
jn
. (z. B. den scharfrichter, die christen / gerichtschöffen / kurfürsten / predicanten / reichsstände /
˹vierer / zehener
˺ Mitglieder eines Vierer- bzw. Zehnerausschusses) e., jn
. [woher, wohin] (z. B. auf das rathaus, aus dem haus / elend, gegen
[+ Städtename], vor jn., zu verhör, zum gericht
), [wann] (z. B. am pfingsttag, auf den heutigen tag
), [wie] (z. B. wieder, mit gericht, zu recht
) e., jn. e
. [+ erweiterter Inf.]; j. von dem gericht / keiser erfordert werden
.Wortbildungen:
erfordern
das
) 2 ›Einladung, Vorladung; Einberufung‹ (dazu bdv.: aufbot
aufmanen
Belegblock:
Luther, WA
23, 454, 14
(1527
): ich las euch wissen, das ich an Pfingstag vergangen zu vorhor erfoddert bin.
Ebd.
49, 743, 12
(1545
): Wie solt es denn nicht erschrecken, wenn es hoͤret, das Gott die letzte Welt mit Blitz, Donner und Fewer zum Juͤngsten Gericht erfordern werde.
Köbler, Ref. Franckenfort
90, 4
(Mainz
1509
): Wo sie [Schoͤffen] aber vßwendig der anleide brieff vnd andere gerechtigkeit zu besichtigen erfordert werden [...] so sol man [...].
v. Keller, Amadis
385, 30
(Frankf.
1571
): Eu. Kö. W. haben mich auff heutigen tag citiren vnd erfordern lassen.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
66
(Nürnb.
1517
): Darumb bistu komen zu erfordern die sünder, nit die gerechten. o here Jesu Christe.
Wickram
4, 28, 4
(Straßb.
1556
): Des andren tags [...] hatt er alle die erforderen lassen / so mit im in Portugal hand faren oder schiffen woͤllen.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
33, 15
(oobd.
, 3. Dr. 15. Jh.
): der kayser schickt auch nach herrn Andreen Greyseckher. Der [...] cham auch gein Gratz auf des kaysers ervordern.
Ebd.
105, 24
: der kunig ervorder die pessten burger ab gen Offen; da muesten sy mit im taydigen.
Turmair
4, 1183, 20
(moobd.
, 1522
/33
): Die erlangten [...], das man [...] die christen wider aus dem elend ervodert und in ein aigner pischof wider erlaubt wurd.
Rintelen, B. Walther
136, 6
(moobd.
, 1552
/8
): es sey dan, das er sich [...] unterwerfen thet, der Gestalt, so oft er von dem Gericht ervordert wierdt, das er daselbst ungewaigert erscheinen welle.
Mell u. a., Steir. Taid.
134, 8
(m/soobd.
, 17. Jh.
): so etwan ein würt von einen andern us seinen haus erfordert wurde und empfieng an seinen leib ein schaden [...], der [...].
Köbler, Ref. Wormbs
28, 9
; 110, 11
; Kisch, Leipz. Schöffenspr.
495, 65
; 72
; Gille u. a., M. Beheim
453, 401
; Chron. Nürnb.
5, 769, 36
; Dinklage, Frk. Bauernweist.
93, 44
; Chron. Augsb.
7, 188, 5
; 223, 1
; Grossmann, a. a. O.
146, 28
; 197, 9
; Roth, E. v. Wildenberg
105, 14
; Winter, Nöst. Weist.
1, 160, 19
; 4, 28, 8
; Siegel u. a., Salzb. Taid.
152, 12
; 298, 26
; Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid.
2, 34
; Moscouia
C 1r, 25
; Piirainen, Stadtr. Kremnitz
95
; Rwb
3, 183
f.; 185
f.; Schweiz. Id.
1, 998
f.; Schwäb. Wb.
2, 794
.‒
Vgl. ferner s. v. aushämeln
, jargeding
.3.
›jn. aufgrund entsprechender Befugnis ernennen, erwählen; jn. (auf eine Position, an eine Institution, zu einer Aufgabe) berufen, (in ein Amt) einsetzen‹; als Ütr. mit hinzukommender Spezialisierung anschließbar an 2.Gehäuft oobd.
Bedeutungsverwandte:
begeren
erwälen
widmen
benennen
bestellen
machen
Syntagmen:
jn. e., jn. zu einem hauptman, zu dem bistum / babsttum / reich e., jn. e., das [...]
.Belegblock:
Luther, WA
11, 261, 17
(1523
): Samson war von Gott dartzu erfoddert, das er die Philistiner plagen sollt.
Maaler
109v
(Zürich
1561
): Einen zuͦ einem hauptmañ Erfotderen vñ begaͤren.
Leidinger, V. Arnpeck
476, 38
(moobd.
, v. 1495
): starb Lampertus, der [...] von den Longobarden zu dem reich erfodert ward.
Ebd.
479, 8
: kung Hainrich [...] sprach, er wär von ainer gemainen samnung gevodert und erbelt zu küng, [...], und ob er also erfo dert
[sic!]
wär worden, so bolt der [...]. Turmair
4, 730, 6
(moobd.
, 1522
/33
): damit die, so zu dem pistumb oder pabstum und künigreich ervodert, von got gesalbt würden.
Ebd.
902, 9
: Proculus [...] ward von dem kaiser ervordert, blieb bis an sein end an des kaisers hof.
Ebd.
6, 17
; Rwb
3, 183
f.4.
›jn. zu einer Handlung auffordern, anweisen, mit etw. beauftragen‹ (vereinzelt mit Subj. d. S.); auch: ›jm. befehlen (etw. zu tun)‹; als Spezialisierung anschließbar an 1; vgl.
er-
3.Bedeutungsverwandte:
ankeren
anrufen
ansprechen
bitten
ermanen
fragen
gebieten
herfürlocken
vermanen
warnen
gesinnen
halten
Wortbildungen:
erfordern
das
) 3 ›Befehl‹, erforderung
gebot
Belegblock:
Luther, WA
10, 1, 2, 406, 33
(1526
): was du mit dem leybe thuͦst, das sol alles dahin gericht seinn, das es geschehe Got zuͦ lobe, nach erforderung dises gebotes, das da saget ,[...]‘.
Ebd.
31, 1, 3, 1
(1529
): ,Gebot‘ heyst eygentlich das gebotten unnd erfodert wirdt.
Ebd.
47, 378, 11
(1537
/40
): Gott erforddert, man sol vater und mutter ehren.
Chron. Mainz
1, 223, 1
(rhfrk.
, 15. Jh.
): da meinte der alt rat, ime geburt nit dar inne zu reden, er worde dann erfordert, als recht were.
Franz u. a., Qu. hess. Ref.
3, 95, 19
(hess.
, 1548
): In summa, dass man nichts druf antwort, kem aber hernacher ein weiter erforderung vom bischow, dass man sich dan auch lasse ferrer vernemen.
Österley, Kirchhof. Wendunmuth
1, 3, 22
(Frankf.
1563
): wie [...] harpffen, lauten, geigen [...] die vorhin begierlichkeit im menschen zuͦ solchem [freudigkeit und tantzen] erforderen und herfür locken.
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
1, 231, 18
(halem.
, 1508
/16
): Uͤber des erfordert der selb kúng Ludwig die von Bern, das si im ouch hulden.
Enders, Eberlin
1, 2, 1
(Basel
1521
): ICh erster bundtsgnoß wird erfordert von minen .xiiij. mit gesellen gnuͦg ze thuͦn vnser verbündtnüß.
Klein, Oswald
6, 13
(oobd.
, 1425
?): Ich bin erfordert an den tanz.
Mell u. a., Steir. Taid.
11, 6
(m/soobd.
, 1568
): [das er] in allen dingen [...] hülflich, beistendig und ratsamb [...], auch auf sein erfordern gehorsam und gewärtig sein welle.
Luther, WA
1, 691, 25
; Baumann, Bauernkr. Rotenb.
496, 20
; Rwb
3, 184
; Pfälz. Wb.
2, 934
.‒
Vgl. ferner s. v. ankeren
2.5.
›etw. nötig, notwendig machen, bedingen‹ (von sachlichen Subjekten gesagt); auch: ›etw. / jn. (zu etw.) benötigen, nötig haben‹.Bedeutungsverwandte:
bedürfen
fürbringen
gebüren
verordnen
wirken
zugeben
begeren
heischen
Syntagmen:
jn. / etw
. (z. B. die speise, eine correction, eine scharfe rache
) e., etw
. (Subj., z. B. der geist, die frage / kunst / liebe / natur / not[durft] / ordnung / sache / zeit, das ampt, gebot / gesez / recht, gutes wirken
) etw. e., das geisten
(Subj.) gnade e., etw
. (Subj.) e., das [...]
(jeweils mit Subj. d. S.); j. um etw
. (z. B. um den frieden, leibfälle
) erfordert sein / werden, j. / etw
. (Subj.) zu etw
. (z. B. die bauernschaft zu dem fürschlag, die leren zu der poesie
) erfordert sein / werden
; es
(unpersönliches Subj.) e. S
. (Gen.obj., z. B. der gelegenheit
) e
.; der erforderte teil, die erforderte correction
.Wortbildungen:
erforderung
ausheischung
bedarf
Belegblock:
Luther, WA
10, 3, 145, 22
(1522
): Es sol sich aber niemandts understeen die [gewalt] zuͦ uͤben, wenn es nit von noͤten ist oder nit erforderet, dann die junger haben sy auch nit alwegen geuͤbet.
Ders., WA Br.
3, 349, 73
(1524
): Das ich mit warheyt schreiben mag, kan es auch Jn erforderung der notturfft nachbringen, das ich von solchem papir noch bey vierzehenhundert gulden schuldig bin.
Gropper. Gegenw.
5r, 1
(Köln
1556
): Soliches wirckt vnd erfordert die natur der Disparaten dynge / so nit eyner natur seindt.
Ebd.
19r, 5
: das wan der Vmbstandt der wort / den Methaphorischen siñ nit notwendig thut erfordern.
Opitz. Poeterey
17, 2
(Breslau
1624
): die lehren / welche sonsten zue der Poesie erfodert werden.
Ebd.
24, 22
: Die ziehrligkeit erfodert das die worte reine vnd deutlich sein.
M. Cunitia. Ur. Prop.
168, 11
(Öls
1650
): ist gnug / daß der Leser [...] in einem vorgegebenen recht wincklichten dreyeck / den erforderten oder unbekandten theil suchen koͤnne.
Ebd.
179, 23
: Weil allein erfodert wird / eigentlich zuverstehen / wz Tempus æqvale [...] und Tempus apparens [...] worin sie unterschieden.
Ebd.
187, 35
: die andern [...] erfodern fast uͤberall eine correction.
Ebd.
261, 13
: dabey ist der erfoderten correction nicht zuvergessen.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
150
(Nürnb.
1517
): das der geist die speis erfordert, ereugent sich aus dem, das alle creatur den geist nit ersetigen mögen.
Ebd.
230
: Wöllen ist ein gab der natur, geisten und guts wurken erfordern die gnad.
Turmair
1, 300, 6
(Nürnb.
1541
): so ichs solte nach erforderung der sach [...] reichlich erzelen.
v. Keller, Ayrer. Dramen
168, 6
(Nürnb.
1610
/8
): Fürwar, das ist ein schwere sach | Vnd erfordert ein scharpffe rach.
Köbler, Ref. Wormbs
44, 9
; 345, 18
; Küther, UB Frauensee
397, 42
; Kehrein, Kath. Gesangb.
1, 315, 17
; 2, 530, 73
; Anderson u. a., Flugschrr.
8, 11, 18
; Dietrich. Summaria
20v, 22
; Schorer, Sprachposaun
51, 11
; Grossmann, Unrest. Öst. Chron.
163, 3
; Dasypodius
322v
; Maaler
109v
; Henisch
1177
; Rwb
3, 196
; Pfälz. Wb.
2, 934
; Schweiz. Id.
1, 998
.‒
Vgl. ferner s. v. afternachreden
, 1
bär
3.