1
ader,die
;-/-(e)n.
1.
›Blutgefäß, Ader‹, übergeordnet für ›Vene‹ und ›Arterie‹, z. T. auch für ›Sehne‹ (s. u. den Beleg bei K. v. Megenberg, vgl. aber Bedeutung 4); als totum pro parte am ehesten hier anzuschließen: ›das Innere, die Natur des Menschen‹.Syntagmen:
die a. auftun / durchstechen / öfnen / schlagen / verhauen / verwunden / greifen / reinigen; a.
(Subj.) bluten / tun weh; das blut aus den a. ziehen, blut aus den a. springen, durch die a. stechen, durch mark und a. gehen, (jm./jn.) zu (der) a. lassen
(mehrmals); grosse / kleine / geschwollene / verhauene / subtile a.; a. am leibe.
Wortbildungen:
adernbewegung
aderschlagen
blutader
hauptader
lungader
Stieler
.1, 8
Belegblock:
J. W. von Cube. Hortus
92, 14
(Mainz
1485
): Auch reyniget disser same die aderen die vol boͤser fruchtikeyt synt.
Froning, Alsf. Passionssp.
5996
(ohess.
, 1501 ff.
): das das blut durch hende und fuß sprangk | und uß allen adern an sym libe!
Bihlmeyer, Seuse
40, 26
(alem.
, 14. Jh.
): Dar na do sin adren und natur erkeltet und verwuͤstet waz.
Sudhoff, Paracelsus
1, 33, 25
(um 1520
): das macht ir sunder empfintlikeit, die in disen humiditatibus ligt und in adern ligt.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
35, 18
ff. (oobd.
, 1349
/50
): sô schol man wizzen, daz dreierlai âdern sint in dem menschen. die êrsten sint runstâdern, dâ daz pluot inne rint und fleuzt von dem herzen [...] in alliu andriu glider, [...] haizent ze latein vene. die andern âdern sint gaistâdern und haizent ze latein arterie, [...] in den vliezent die nâtürleichen gaist [...]. die dritten âdern sint pantâdern und haizent ze latein nervi.
Deinhardt, Ross Artzney
302
(oobd.
, 1598
): Da findest du ain grosse ader, die zeuch heerauß vnd schneidt die an zway orthen ab.
Turmair
5, 72, 23
(moobd.
, 1522
/33
): er lies im zu der ader und starb daran.
Schmidt, Frankf. Zunfturk.
1, 70, 26
; Stedtfeld, Roger-Glosse
40
; Keil, Peter v. Ulm
86
; 241
; 249
; Vetter, Pred. Taulers
26, 32
; 86, 11
; Rohland, Schäden
347
; Cirurgia H. Brunschwig
25ra, 1
; Fuchs, Murner. 4 Ketzer
93
f.; Bihlmeyer, a. a. O.
59, 14
; 110, 5
; 544, 7
; Vetter, Schw. zu Töß
18, 7
; 66, 32
; Pfeiffer, a. a. O.
40, 34
; 329, 9
; 406, 15
; Deinhardt, a. a. O.
22
; Dasypodius
288r
; Maaler
11v
; Hulsius
A jv
; Henisch
22
; Wrede, Aköln. Sprachsch.
70
.2.
phraseologisch an 1 anzuschließen: a) aufgeblasene ader
›Krampfader‹; als pl. t.: b) verdorbene adern
›verdorbenes Blut, Blutverderbnis‹; c) güldene adern
›Hämorrhoiden‹.Bedeutungsverwandte:
vgl. afterader
Belegblock:
Volkmar
691
(Danzig
1596
): Varix [...] ein auffgeblasen Ader.
Mylius
C 1r
(Görlitz
1577
): Hæmorrhoides Die guͤlden ader.
Keil, Peter v. Ulm
86
(nobd.
, 1453
/4
): Ein gut salb zu den verdorben adern.
Sudhoff, Paracelsus
5, 463, 28
(1527
/8
): des ganzen leibs krankheiten, als gleich dem caduco [...], so aus diser gülden adern entspringen.
Preuss. Wb. (Z)
1, 92
.3.
als pl. t.: ›Samenstränge; männliche Geschlechtsteile‹.Bedeutungsverwandte:
nerv
Belegblock:
Stedtfeld, Roger-Glosse
40, 17/20
(omd.
, Hs. 15. Jh.
): dy odern do dy eyer an hangen.
Ebd.
:
von dem leÿbe bis czu den odern komen.
Maaler
305r
(Zürich
1561
): Neruen oder aderen daran die hoden hangend.
4.
›Sehne des menschlichen und tierischen Körpers; Ligament, Band, Bindegewebsstrang‹; metonymisch als pl. t.: ›Muskeln‹.Syntagmen:
die a. zerrecken / strecken / verhauen / abschlagen; die bauernadern erzeigen
›seine Kraft zeigen‹; das äderlein treffen
›jn. am Nerv treffen‹; a. spannen / werden hart; a. der hilfe.
Belegblock:
Froning, Alsf. Passionssp.
6403
(ohess.
, 1501 ff.
): O we, Jhesus myn viel liebes kynt, | wie dir dyn ader zurecket synt!
Scholz, Lanfrank. Chir. Parva
226v, 11
(md.
/oobd.
, 1446
/8
): von den adern, dy dy peine / czu samen haldenn.
Peters, Schäden I,
213, 17
(nalem.
/schwäb.
, 1400
/33
): diß öle ist gůt zů dem erlampten audern, wenn es sterck das geeder wol vnd bringt es wider zu krefftten.
Fischer, Eunuchus d. Terenz
58, 22
(Ulm
1486
): O Parmeno es ist ain solich ding das du dein adern billich darumb streckest. Als ob er spraͤch. [...] das du dich uͤbest mit allen deinen krefften.
Ebd.
92, 5
: do ertzaigte er sein paurn adern und stieß sie von im.
Päpke, Marienl. Wernher
9979
(alem.
, v. 1382
): Das gar allú sinú lider | Us den glaichen kament | Von pine die sú nament, | Und och sin adran dar an | Strakt als ain saiten span.
Keil, Peter v. Ulm
348
; Bihlmeyer, Seuse
270, 33
; Kurrelmeyer, Dt. Bibel
3, 154, 5
; Lehmann, Rezeptb.
144
; Dietz, Wb. Luther
1, 45
; Preuss. Wb. (Z)
1, 92
; Henisch
22
.5.
phraseologisch als pl. t. an 4 anzuschließen: kurze adern
›Sehnenstelzfuß (bei Pferden)‹.Belegblock:
Deinhardt, Ross Artzney
5
(oobd.
, 1598
): Wann ain roß khurcz adern hat.
6.
›Sehne des Bogens und der Armbrust; Peitschenschnur‹; als Synekdoche: ›Peitsche‹.Belegblock:
Helm, H. v. Hesler. Nicod.
4335
(nrddt.
, 14. Jh.
): Du hieze dine knehte | mit geislen in von aderen villen.
Ziesemer, Gr. Ämterb.
276, 37
(preuß.
, 1419
): 30 schog gecloppter odern, item 2 1/2 schog bogshorn.
Chron. Nürnb.
2, 335, 2
(nürnb.
, 1450
): mangel an langen spiesen; it. mangel an dachen zu armbrosten und an adern.
Barack, Teufels Netz
11299
(Bodenseegeb.
, 1. H. 15. Jh.
): Der sollt billich nemen war | Das lim, adran und bain horn / Wœr alles samen usserkorn.
Gierach, Märterb.
17078
(Hs. ˹moobd.
, A. 15. Jh.
˺): mit adernn er in slahen hiez, | so daz sein fleisch hohe doz.
Ebd.
11215
: [man] hiesz waych ader gewinnen | und si vast da mit binden.
Ziesemer, Marienb. Ämterb.
143, 29
; Ders., Gr. Ämterb.
219, 13
; 577, 2
; 665, 12
; Barack, a. a. O.
11271
; Gierach, a. a. O.
11219
; Preuss. Wb. (Z)
1, 92
.7.
›Gefäß, Ader (in Blättern, Stengeln, Wurzeln, Früchten usw. von Pflanzen)‹.Belegblock:
Müller, Welthandelsbr.
206, 8
(schwäb.
, 1506
): wan man sie
[Früchte]
kouft hat, so muß man bald die aderle abziechen. Dasypodius
288r
(Straßb.
1536
): Aederle in kreütern vñ blettere. Fibrę.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
400, 11
(oobd.
, 1349
/50
): diu weiz nieswurz ist gestalt [...] sam diu swarz, ân daz si an dem stengel weizen œderl hât.
Maaler
284v
; Mylius
E 4v
; Golius
379
; 380
; Hulsius
A jv
; Henisch
22
.8.
›Gesteinsader, aus einer bestimmten Gesteinsart, aus Erzen o. ä. bestehende, geologische Formation‹; bei hinreichender Größe: ›Abbaustelle von Gesteinen, Erzen o. ä.‹; bei einzelnen Steinen: ›Maserung‹.Bedeutungsverwandte
zu vorletzter Nuance: gang
Belegblock:
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
70, 15
(Frankf.
1535
): Aquileus ist des adlers steyn / [...]. Sein ader oder fundgrůb ist in den bergen Jndie.
v. Tscharner, Md. Marco Polo
28, 8
(osächs.
, 2. H. 14. Jh.
): do ist eyn odere odir eyn gank in der erdin swarczer steyne.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
32, 24
(Hs. ˹omd.
, 1465
˺): wie sie große herrensölden bauen und schechte [...] der erden adern durchhauen, durch glanzerze suchen.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat.
110, 17
(oobd.
, 1349
/50
): daz daz mer den luft beslozzen het in der erden âdern nâhent pei dem mer.
Ebd.
435, 13
: Absyntus ist ain swarzer stain durchmischet mit snêweizen œderleinn.
v. Tscharner, a. a. O.
9, 9
; Belkin u. a., a. a. O.
140, 13
; 154, 15
; Pfeiffer, a. a. O.
432, 21
; Alberus
Ll iiijv
; Henisch
22
; Wolf, Bergmannsspr.
1958, 66
.9.
›Flußarm, Seitenarm eines Flusses, Nebenfluß‹; ›Wasserader‹; daran anschließend ütr.: ›Quell, Ursprung (z. B. der Güte)‹.Belegblock:
Quint, Eckharts Trakt.
14, 4
(E. 13.
/A. 14. Jh.
): Daz dritte wort [...] ist, daz in natiurlîcher wârheit ein einiger brunne und âder aller güete, wesender wârheit und trôstes ist got aleine.
Ralegh. America
21, 6
(Frankf.
1599
): Der grosse Fluß Oronoke [...] hat 9. Stroͤm oder Adern / welche alle von seim Mund [...] gegen Nord lauffen.
Quint, a. a. O.
32, 2
; Schwäb. Wb.
1, 104
.